
Im Mittelpunkt: die individuelle Behandlung der Patientin
Bericht:
Ulrike Arlt
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Viele praxisrelevante Themen bestimmten den gemeinsamen Kongress der Bayerischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde e.V. (BGGF) und der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG). Im Mittelpunkt standen die individuelle Betreuung der Patientin sowie die gemeinsame Entscheidungsfindung.
Dies war auch bei der Session zur Myomtherapie von Dr. René Laky, Graz, ein wichtiger Aspekt. Im Rahmen der multimodalen Myomtherapie sollte idealerweise eine individuelle Beratung der Patientin stattfinden, um die bestmögliche Behandlung für jede Frau zu finden. Parameter der Entscheidungsfindung sind dabei neben Symptomatik und Alter der Patientin auch Kinderwunsch und Wunsch nach Organerhalt. Jede mögliche therapeutische Option, ob konservativ oder operativ, sollte angesprochen werden, denn nicht alle Myome müssen operiert werden, sondern nur diejenigen, die Beschwerden verursachen oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
Eine neue symptomorientierte medikamentöse Therapie, die in Deutschland bereits zum Einsatz kommt, ist die Relugolix-Kombinationstherapie (Relugolix-CT), die das Wachstum von Myomen hemmen und die Blutungsstärke reduzieren kann. Wirksamkeit und Verträglichkeit konnten in den Studien LIBERTY-1 und LIBERTY-2 (randomisiert, doppelblind) nachgewiesen werden.1 An den LIBERTY-Studien nahmen Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren teil, die einen regelmäßigen Menstruationszyklus von einer Dauer von 21 bis 38 Tagen, eine Blutungsdauer von weniger als 14 Tagen und einen übernormalen menstruellen Blutverlust aufwiesen. Die Myomdiagnose musste bestätigt sein. Primärer Endpunkt der Studien war, entsprechend den Hauptsymptomen von Myomen, eine signifikante Reduktion des menstruellen Blutverlustes nach 24 Wochen. Ein Ansprechen wurde definiertals die Reduktion des menstruellen Blutverlusts auf <80 ml bis Woche 24 und gleichzeitig eine Reduktion um mindestens 50% gegenüber der Ausgangsuntersuchung. Das erreichten in der Studie LIBERTY-1 ganze 73% der Frauen mit Relugolix-CT und 19% der Frauen der Placebogruppe (p<0,001). Langzeitdaten zur Therapie stehen allerdings noch nicht zur Verfügung.
Sollte eine OP indiziert sein, ist die Laparoskopie das Mittel der Wahl. Die robotergestützte Chirurgie erweitert dabei die endoskopischen Möglichkeiten, sie ermöglicht unter anderem eine bessere Sicht und erhöhte Freiheitsgrade der Instrumente. Genauhinzusehen gilt es bei Frauen über 50 Jahre oder bei rasch wachsenden Myomen. Hier ist eine Operation öfter indiziert, bei Sarkomgefahr sollte offen operiert werden.
Der „Alexis Bag“ (Alexis® Retractor), der zur Myomektomie bei kleineren oder mittelgroßen Myomen eingesetzt werden kann, die sich im Inneren oder an der Wand der Gebärmutter befinden, könne auch eingesetzt werden, um einen großen Uterus zu exzipieren, so Laky. Vorteile dieser Methode sind neben einer geringeren Blutungsgefahr u.a. auch geringere Infektionsgefahr und geringere Narbenbildung.
Stufenkonzept in der Deszensusbehandlung
Auf die Frage der Entscheidungsfindung in der Deszensusbehandlung ging in der Session „Neue Entwicklungen in der Urogynäkologie“ Prof. Dr. Ralf Joukhadar, Würzburg, ein.
Die Pathogenese von Beckenbodenerkrankungen bei der Frau folgt meist einem Stufenkonzept, in dem der geburtshilfliche Schaden den primären Defekt darstellt. Im Rahmen des Stufenkonzepts wird unter anderem beurteilt, ob der Hiatus offen oder geschlossen ist, d.h., ob eine Verletzung des Levator ani vorliegt. Diese Schäden können mit 3D-Sonografie detektiert werden. Wichtig ist, den Primärschaden in der Operation mitzubeheben. Dabei stellt die defektorientierte Korrektur den Goldstandard in der operativen Behandlung dar und hat die globale Korrektur abgelöst.
Robotergestützte Chirurgie ist auch bei der Deszensusbehandlung eine Erweiterung der endoskopischen Möglichkeiten mit vielen Benefits für die Patientin. So kann nicht nur schneller operiert werden, die Naht-Schnitt-Zeit kann deutlich verkürzt werden. Auch bietet die robotergestützte Operation mehr Bewegungsfreiheit, bessere Sicht, eine erleichterte Naht, eine deutlich bessere Präparation der anatomischen Räume und eine verkürzte Lernkurve.
Kinderwunsch bei Endometriosebehandlung im Auge behalten
Priv.-Doz.Dr. Monika Maria Wölfler, Graz, ging in ihrer Session auf die Frage „Endometriom – Notwendigkeit der Operation? Auswirkungen auf den Kinderwunsch?“ ein. Wichtig sind, so Wölfler, eine präzise Diagnostik zur vollständigen Erfassung des Erkrankungsausmaßes und die Kategorisierung nach der #ENZIAN-Klassifikation, die alle Bereiche und Ausprägungen der Endometriose beschreibt. Die #ENZIAN-Klassifikation baut auf der ENZIAN-Klassifikation auf, hinzugekommen sind die Bereiche P (Peritoneum), O (Ovar), T (Tube). Die Klassifikation kann sowohl bei der Operation als auch vor der Operation über Ultraschall oder MRT genutzt werden: (u) – Ultraschall, (s) – per Operation (surgical), (m) – MRT.
Die Häufigkeit von Endometriomen liegt bei 17–44%, die Prävalenz der Endometriose bei Sterilität der Frau beträgt 30–50%. Zudem beeinflusst die Endometriose die Fertilität negativ, sodass die Follikelzahl reduziert sein kann, höhere FSH-Dosen bei IVF/ICSI notwendig sind und möglicherweise schlechtere ART-Ergebnisse erzielt werden. Oft ist eine Operation daher unumgänglich, vor allem wenn eine Organdestruktion droht. Allerdings sollte immer die ovarielle Reserve (AFC und AMH) bestimmt werden, da alle operativen Methoden die ovarielle Reserve reduzieren. Die ovarielle Funktion sollte daher bei Therapieentscheidungen berücksichtigt werden, vor allem wenn eine Rezidivbehandlung notwendig wird, so auch die AWMF-Leitlinie zur Endometriose (S2k, derzeit in Überarbeitung). Die Fertilität sollte dabei früh-, mittel- und langfristig im Blick behalten werden. Um den Kinderwunsch der Patientin auch bei Endometriose erfüllen zu können, rät die Konsensbasierte Empfehlung 7.E 37, dass bei Patientinnen mit Sterilität und Endometriomen die Therapiefestlegung interdisziplinär in Zusammenarbeit mit einem Zentrum für Reproduktionsmedizin erfolgen sollte. Eine medikamentöse Therapie (konservativ, z.B. Antikonzeptiva) ist bei Kinderwunsch eher kontraproduktiv.
Bezüglich der Wahl des Verfahrens weisen die ESHRE-Guidelines2 (Update 2022) darauf hin, dass beim laparoskopischen Stripping die Spontankonzeptionsrate höher ist als nach CO2-Laser-Vaporisation (55,5% vs. 35,9%).3 Als Praxistipp empfahl Wölfler weiters, auch eine Nierensono durchzuführen, damit keine Herde an der Beckenwand übersehen werden.
PCOS in der Adoleszenz
Auch wichtige Erkenntnisse der Kinder- und Jugendgynäkologie waren Thema des Kongresses. So gab Privatdozentin Dr. Bettina Böttcher, Innsbruck, ein Update zu PCOS in der Adoleszenz. Ein polyzystisches Ovarialsyndrom (engl. „polycystic ovary syndrome“, PCOS) ist bei Mädchen und jungen Frauen schwierig zu diagnostizieren, da die für erwachsene Frauen zugrunde liegenden Kriterien nur bedingt auf sieübertragen werden können. Typische PCOS-Symptome wie Akne und unregelmäßige Blutungen sind kurz nach der Menarche normal. Auf PCOS in der Adoleszenz können allerdings folgende Symptome hinweisen: unregelmäßige Zyklen später als zwei Jahre nach Menarche sowie eine persistierende biochemische/klinische Hyperandrogenämie (schwere Akne, Hirsutismus), sofern es keine anderen Ursachen für die Beschwerden gibt.4 Im ersten Jahr nach der Menarche sind irreguläre Zyklen normal, mehr als ein Jahr nach der Menarche deutet ein Abstand von mehr als 90 Tagen zwischen zwei Zyklen auf eine pathologische Unregelmäßigkeit hin, von der auch bei primärer Amenorrhö gesprochen wird. Auch weitere Kriterien, die für die PCOS-Diagnose bei erwachsenen Frauen angewendet werden, gelten in der Adoleszenz nicht. So sind Ergebnisse eines PCOS-Ultraschalls erst anwendbar, wenn die Menarche mehr als acht Jahre zurückliegt. Für die Bestimmung des Androgenprofils (freies Testosteron/freier Androgenindex und sexualhormonbindendes Globulin, SHBG) gibt es keine einheitlichen Referenzwerte für Mädchen, ebenso wenig wie für das Anti-Müller-Hormon (AMH), und auch spezielle Hirsutismus-Scores für junge Frauen im Alter unter 15 Jahren gibt es nicht.
Die Diagnose eines PCOS sollte mit Vorsicht gestellt werden, um ein Risiko für Überdiagnosen und eine mögliche psychische Belastung gering zu halten. Eine frühzeitige Diagnose eröffnet allerdings die Möglichkeit einer frühen Therapie und kann chronische Erkrankungen verhindern. Hinweise auf ein hohes PCOS-Risiko können unter anderem eine verzögert ablaufende Pubertät sein, Zyklusstörungen mehr als drei Jahre nach Menarche, ausgeprägte Körperbehaarung, besonders schwer behandelbare Akne sowie ggf. rasche Gewichtszunahme in der Pubertät, Übergewicht oder Adipositas.5
Die Behandlung sollte bei jungen Frauen abhängig von den individuellen Beschwerden und im Rahmen einer interdisziplinären Betreuung erfolgen. Schon eine Veränderung des Lebensstils und ein Gewichtsverlust kann die Regelmäßigkeit des Zyklus verbessern. Die medikamentöse Erstlinientherapie besteht aus oralen Kontrazeptiva, wobei in den Leitlinien keine bestimmte Empfehlung ausgesprochen wird.
Wenn Lebensstilmodifikation und orale Kontrazeptiva die Beschwerden nicht ausreichend verringern, können ggf. je nach Symptomen folgende Off-Label-Verordnungen erwogen werden: Metformin (mit positiven Effekten auf Abnahme der Testosteronwerte sowie des Body-Mass-Index und der Triglyzeride) oder Antiandrogene wie Spironolacton, die einen positiven Effekt auf die Ausprägung der Akne haben. Eine weitere Option könnten GLP-1-Agonisten sein, hier liegen allerdings keine Daten für Adoleszente mit PCOS vor. Zu guter Letzt kann das Nahrungsergänzungsmittel Inositol eine Glukoseaufnahme in die Zellen fördern.5
Natürlich ist nicht gleich pflanzlich
In die Welt der „Bio“-Hormone entführteAss.Prof. Dr.Georg Wietzorrek, Innsbruck. Der Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie erläuterte die Herstellung der bioidentischen Geschlechtshormone. Wichtig sei, auf die Begrifflichkeiten zu achten. Naturidentische Hormone seien eine chemische Kopie, während natürliche Hormone mittels einer biosynthetischen Mutation durch „genmanipulierte“ Bakterien hergestellt werden. Der Begriff „natürlich“ bezeichnet den Mechanismus der Herstellung und bedeutet hier nicht „pflanzlich“, zumal pflanzliche Wirkstoffe meist Fraßgifte sind – es gibt eine ganze Reihe krebserzeugender Natursubstanzen.
Bioidentische Hormone können aus pflanzlichen Ausgangsstoffen hergestellt werden, wie aus Diosgenin aus der Yamswurzel – notwendig hierfür ist eine Marker-Degradation (dreistufiger Syntheseweg in der Steroidchemie, entwickelt vom amerikanischen Chemiker Russell Earl Marker). Dies bedeutet, dass die Einnahme von Yamswurzelextrakt bei Wechseljahresbeschwerden nicht erfolgreich sein kann, da im Körper keine Synthese von Geschlechtshormonen aus Diosgenin stattfinden kann. Zur Veranschaulichung wählte Wietzorrek den Vergleich mit Wodka – er werde aus Kartoffeln hergestellt, eine „berauschende Wirkung“ könne durch den Verzehr von Kartoffeln allerdings nicht hervorgerufen werden.
Quelle:
Gemeinsamer Kongress der BGGF und OEGGG, 23.–24. Juni 2023, Würzburg
Literatur:
1 Al-Hendy A et al.: Treatment of uterine fibroid symptoms with relugolix combination therapy. N Engl J Med 2021; 384:630-42 2 Becker CM et al. and ESHRE Endometriosis Guideline Group: ESHRE guideline: endometriosis. Hum Reprod Open2022; 2022(2): hoac009 3 Candiani M et al.: Recurrence rate after “One-Step” CO(2) fiber laser vaporization versus cystectomy for ovarian endometrioma: a 3-year follow-up study. J Minim Invasive Gynecol 2020; 27: 901-8. 4 Ibáñez L et al.: An International Consortium Update: Pathophysiology, diagnosis, and treatment of polycystic ovarian syndrome in adolescence. Horm Res Paediatr 2017;88(6):371-95. 5 Reiser E et al.: Non-hormonal treatment options for regulation of menstrual cycle in adolescents with PCOS. J Clin Med 2022;12(1):67.