
Endometriose und Entbindung: Zeit für mehr Evidenz
Autoren:
Dr. Katrin Oberfichtner
Lara Zankl
Dr. Simon-Hermann Enzelsberger, MSc.
Univ.-Prof. Dr. Peter Oppelt
Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie,
Kepler Universitätsklinikum, Linz
Korrespondierender Autor:
Dr. Simon-Hermann Enzelsberger, MSc.
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Der Einfluss einer Endometriose auf diverse Schwangerschaftskomplikationen ist in den vergangenen Jahren in zahlreichen Publikationen nachgewiesen worden. Weitaus dünner ist die Studienlage betreffend maternaler und fetaler Outcomes im Rahmen der Geburt bei Endometriosepatientinnen. Ein Online-Register soll nun helfen, diese Evidenzlücke zu schließen.
Keypoints
Endometriose ist mit einer erhöhten Sectiorate assoziiert.
Anhand der aktuellen Datenlage ist keine adäquate Aussage über das Risiko für Geburtsverletzungen und postpartale Hämorrhagie möglich.
Das fetale Outcome bei der Geburt scheint durch Endometriose nicht beeinträchtigt zu werden.
Alle Details und Kontaktmöglichkeiten zum laufenden Online-Geburtenregister für tiefinfiltrierende Endometriose sind auf der Register-Homepage zu finden ( http://endo-geburtenregister.kepleruniklinikum.at ).
Endometriose wird definiert als das Vorhandensein von endometriumähnlichem Gewebe außerhalb des Uterus. Es handelt sich um eine benigne Erkrankung mit einer Prävalenz von etwa 10% bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch Dysmenorrhö, Dyspareunie, zyklusabhängige Dysurie und Dyschezie sowie unerfüllten Kinderwunsch.
Die Morbidität der Endometriose ist hoch. Die Frauen erkranken typischerweise in jungem Alter und sind häufig über ihre gesamte Lebensspanne durch die Symptome und Folgeerscheinungen beeinträchtigt. Eine kausale Therapie gibt es aktuell nicht. Akute Schmerzzustände werden mit NSAR analgetisch-antiphlogistisch behandelt. Hormonelle Präparate werden zur Symptomkontrolle und Unterbrechung des zyklusabhängigen östrogenbedingten Wachstums der Endometrioseherde eingesetzt. Bleiben diese Therapieansätze erfolglos, besteht nach entsprechender Nutzen-Risiko-Abwägung die Option zur operativen, meist laparoskopischen Entfernung der Endometrioseherde mit dem Ziel der Beschwerdefreiheit.1
Endometriose und Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft hat meist einen positiven Effekt auf die Endometriosesymptomatik. Dies ist auf metabolische, hormonelle und immunologische Veränderungen im Rahmen der Gravidität zurückzuführen.2 Der mögliche Vorteil wird jedoch kritisch diskutiert, da die bis dato nachgewiesenen positiven Effekte auf wenigen Studien mit hohem Verzerrungspotenzial basieren. Zudem ist die Schwangerschaft von an Endometriose erkrankten Frauen mit einer erhöhten Komplikationsrate assoziiert.3 Fibrose und Adhäsionen durch endometriosebedingte Inflammation können mit der Aufnahme und dem Transport der Oozyte interferieren und durch veränderte Endometrium-Myometrium-Kontraktilität kann die Implantation negativ beeinflusst werden.4
Tritt dennoch eine erfolgreiche Schwangerschaft ein, ist das Frühgeburtsrisiko insbesondere bei tiefinfiltrierender Endometriose erhöht.5 Zusätzlich wird in der Literatur ein gehäuftes Auftreten von Plazentapathologien im Sinne von Plazenta praevia, vorzeitiger Plazentalösung und Plazentaretention bei Endometriosepatientinnen beschrieben.6–8 Die Theorie einer suboptimalen Implantation und Plazentation wird zudem durch die erhöhte Rate an Spontanaborten bei Erkrankten gestützt.5 Zusätzlich werden Auswirkungen auf das fetale Wachstum im Sinne eines erhöhten Risikos für SGA („small for gestational age“) diskutiert.9
Endometriose und Entbindung
Nicht nur die Schwangerschaft per se wird durch Endometriose beeinflusst. In einem rezenten systematischen Review der Universitätsklinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie am Kepler Universitätsklinikum Linz wurde die aktuelle Evidenzlage zu maternalen und fetalen Outcomes einer Entbindung bei Endometriosepatientinnen dargestellt. Lediglich 12 Kohorten- und 1 Fallkontrollstudie zu dieser Thematik im deutsch- und englischsprachigen Raum, welche innerhalb der letzten 10 Jahre publiziert worden waren, konnten selektioniert werden. Ein Zusammenhang zwischen Endometriose und dem Outcome bei der Geburt scheint zu bestehen.
Das maternale Outcome wurde via Analyse von Geburtsmodus, Geburtsverletzungen und peripartalem Blutverlust bewertet. Hier zeigt sich nach aktueller Studienlage ein erhöhtes Sectiorisiko bei endometrioseerkrankten Schwangeren. Dies wird in 9 der 13 Studien10–18 nachgewiesen und deckt sich mit den Ergebnissen der Metaanalysen von Zullo et al.9 beziehungsweise Horton et al.5, wo mit einer OR von 1,57 (95% CI: 1,39–1,78) beziehungsweise 1,98 (95% CI: 1,64–2,38) eine Assoziation zwischen Endometriose und erhöhter Sectiorate dargestellt wird.
Bei Betrachtung des maternalen Alters fällt durchwegs ein signifikanter Unterschied in den Fall- und Kontrollgruppen auf, mit höherem Lebensalter bei endometrioseerkrankten Schwangeren. Auch die Inzidenz von assistierter Reproduktion (IVF/ICSI) ist bei Endometriosepatientinnen erhöht.11,14,15
Uccella et al. können in ihrer retrospektiven Kohortenstudie die höchste Sectiorate bei Frauen mit tiefinfiltrierender Endometriose nachweisen.15 Ebenso beschreiben sie eine erhöhte Rate an vaginal-operativen Entbindungen (10,1 vs. 2,9%), was in 2 weiteren Studien bestätigt wird.13,16 In 4 der analysierten Forschungsarbeitenwird keine signifikante Korrelation zwischen Geburtsmodus und Endometriose beschrieben,19–22 wobei Nirgianakis et al.nach Matching der Patientinnen hinsichtlich Alter, Parität und Art der Konzeption durchaus von einer erhöhten Sectiorate berichten (58,1% vs. 43,5%), jedoch ohne statistische Signifikanz.22
Die Studienlage bezüglich des Einflusses einer Endometriose auf den peripartalen Blutverlust ist heterogen. In 4 von 13 Arbeiten konnte ein Zusammenhang nachgewiesen werden.14,16,19,21 Li et al.berichten insbesondere über ein erhöhtes Risiko für postpartale Hämorrhagie nach Einsatz von assistierter Reproduktionstechnologie bei Endometriosepatientinnen (aOR: 4,2; 95% CI: 1,204–14,427; p=0,024).19 In 7 der ausgewählten Studienist hingegen kein signifikanter Unterschied dokumentiert,10–13,15,17,22 und in 2 der eingeschlossenen Forschungsarbeiten wurde das Risiko einer peripartalen Hämorrhagie nicht untersucht.18,20
Auf eine mögliche Assoziation zwischen Geburtsverletzungen und Endometriose wird in 6 der 13 StudienBezug genommen, jedoch konnte keine Evidenz für ein erhöhtes Risiko für Geburtsverletzungen gefunden werden.10,13,15,18,21,22
Zur Beurteilung des fetalen Outcomes eignen sich der APGAR-Score, der Nabelschnur-pH-Wert und die Notwendigkeit einer Verlegung auf eine neonatologische Intensivstation. In 9 der 13 inkludierten Studien wurden verschiedene Parameter des fetalen Outcomes untersucht, mit der gemeinsamen Conclusio, dass durch Endometriose keine Beeinträchtigung zu erwarten sei.12–15,17–20,22
Obwohl die Qualitätseinstufung der einzelnen Studien mittels Newcastle-Ottawa-Scale im Durchschnitt eine gute methodische Qualität erreicht, ist die Gesamtqualität der Studienlage zu diesem Thema nach Berücksichtigung weiterer Merkmale als niedrig einzustufen. Insbesondere der hohe Anteil an retrospektiven Studien (12 von 13 Studien) und die oft limitierte Fallzahl stellen eine deutliche Qualitätsminderung dar.
Vor allem bei Studien mit tiefinfiltrierender Endometriose ist die Stichprobengröße problematisch, was die Aussagekraft der Ergebnisse stark limitiert. Aus diesem Grund ist die Initiative zur Erschaffung eines Geburtenregisters für tiefinfiltrierende Endometriose entstanden. Das Kepler Universitätsklinikum Linz und die Stiftung Endometriose-Forschung (SEF) konnten mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe und Pränatalmedizin (AGG) der DGGG ein entsprechendes Online-Register entwickeln. Im Vordergrund des Geburtenregisters steht die Informationsgewinnung zu Geburtsverletzungen, zum Entbindungsmodus und zum fetalen Outcome bei Patientinnen mit tiefinfiltrierender Endometriose. Die Ergebnisse dieser Erhebung sollen helfen, betroffene Frauen in der Schwangerschaft besser bezüglich des Geburtsmodus und der individuellen Risiken beraten zu können. Für die Eingabe von Daten ist eine Online-Registrierung als teilnehmendes Zentrum notwendig.*
Fazit
Zusammenfassend zeigt sich nach aktueller Studienlage ein Zusammenhang zwischen Endometriose und erhöhter Sectiorate. Eine klare Aussage über das Risiko für Geburtsverletzungen oder postpartale Hämorrhagie kann aufgrund der heterogenen Studienergebnisse aktuell nicht getroffen werden. Auch zum fetalen Outcome von Entbindungen bei Endometriosepatientinnen liegen kaum Daten vor. Eine laufende Registerstudie soll die notwendigen Daten zu Geburten bei Frauen mit tiefinfiltrierender Endometriose liefern.
*Alle Informationen und Kontaktmöglichkeiten sind auf der Register-Homepage zu finden:
http://endo-geburtenregister.kepleruniklinikum.at
Literatur:
1 Burghaus S et al.: Diagnosis and therapy of endometriosis. Guideline of the DGGG, SGGG and OEGGG 2020. Available from: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-045l_S2k_Diagnostik_Therapie_Endometriose_2020-09.pdf 2 Maggiore ULR et al.: A systematic review on endometriosis during pregnancy: diagnosis, misdiagnosis, complications and outcomes. Hum Reprod Update 2016; 22(1): 70-103 3 Leeners B et al.: The effect of pregnancy on endometriosis – facts or fiction? Hum Reprod Update 2018; 24(3): 290-9 4 Gupta S et al.: Pathogenic mechanisms in endometriosis-associated infertility. Fertil Steril 2008; 90(2): 247-57 5 Horton J et al.: Reproductive, obstetric, and perinatal outcomes of women with adenomyosis and endometriosis: a systematic review and meta-analysis. Hum Reprod Update 2019; 25(5): 593-633 6 Vercellini P et al.: Pregnancy outcome in women with peritoneal, ovarian and rectovaginal endometriosis: a retrospective cohort study. BJOG 2012; 119(12): 1538-43 7 Chen I et al.: Association between surgically diagnosed endometriosis and adverse pregnancy outcomes. Fertil Steril 2018; 109(1): 142-7 8 Berlac JF et al.: Endometriosis increases the risk of obstetrical and neonatal complications. Acta Obstet Gynecol Scand 2017; 96(6): 751-60 9 Zullo F et al.: Endometriosis and obstetrics complications: a systematic review and meta-analysis. Fertil Steril 2017; 108(4): 667-72 10 Exacoustos C et al.: Complications during pregnancy and delivery in women with untreated rectovaginal deep infiltrating endometriosis. Fertil Steril 2016; 106(5): 1129-35.e1 11 Glavind MT et al.: Endometriosis and pregnancy complications: a Danish cohort study. Fertil Steril 2017; 107(1): 160-6 12 Porpora MG et al.: Endometriosis and pregnancy: a single institution experience. Int J Environ Res Public Health 2020; 17(2): 401 13 Thomin A et al.: Maternal and neonatal outcomes in women with colorectal endometriosis. BJOG 2018; 125(6): 711-8 14 Shmueli A et al.: Obstetrical and neonatal outcomes of pregnancies complicated by endometriosis. J Matern Fetal Neonatal Med 2019; 32(5): 845-50 15 Uccella et al.: Pregnancy after endometriosis: maternal and neonatal outcomes according to the location of the disease. Am J Perinatol 2019; 36(S 02): S91-8 16 Saraswat L et al.: Pregnancy outcomes in women with endometriosis: a national record linkage study. BJOG 2017; 124(3): 444-52 17 Uccella S et al.: Fertility rates, course of pregnancy and perinatal outcomes after laparoscopic ureterolysis for deep endometriosis: a long-term follow-up study. J Obstet Gynaecol 2016; 36(6): 800-5 18 Allerstorfer C et al.: Delivery after operation for deeply infiltrating endometriosis. Biomed Res Int 2016; 2016: 1-6 19 Li H et al.: Effects of previous laparoscopic surgical diagnosis of endometriosis on pregnancy outcomes. Chin Med J (Engl) 2017; 130(4): 428-33 20 Mekaru K et al.: Endometriosis and pregnancy outcome: Are pregnancies complicated by endometriosis a high-risk group? Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2014; 172: 36-9 21 Tuominen A et al.: Pregnancy and delivery outcomes in women with rectovaginal endometriosis treated either conservatively or operatively. Fertil Steril 2021; 115(2): 406-15 22 Nirgianakis K et al.: Obstetric complications after laparoscopic excision of posterior deep infiltrating endometriosis: a case-control study. Fertil Steril 2018; 110(3): 459-66
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