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Liebe unter dem Regenbogen

Diversität in der Reproduktionsmedizin

Seit der Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes 2015, bei der gleichgeschlechtlichen Paaren der Zugang zu Spendersamen ermöglicht wurde, hat sich das Behandlungsspektrum in der Reproduktionsmedizin verändert. Die Vielfalt der Gesellschaft spiegelt sich im Alltag eines Kinderwunschzentrums wider. Nachfolgend gebe ich einen kurzen Einblick in unsere laufende Arbeit im Regenbogenzentrum der Kinderwunschklinik an der Wien.

Was bedeutet Diversität?

Lesbische Frauenpaare, die sich ihren Kinderwunsch erfüllen möchten, bilden sicherlich nach wie vor den größten Teil der Paare, die sich in einem Regenbogenzentrum für eine Behandlung melden.

Ungleich schwieriger gestaltet sich die Situation für Männer, die in einer schwulen Beziehung leben. Ihren Kinderwunsch können sie sich nur durch eine Leihmutterschaft erfüllen, die in Österreich allerdings verboten ist. Immer wieder treten schwule Männer hierzulande aber als Wunschsamenspender bei lesbischen Paaren in Erscheinung und können sich im Rahmen des Co-Parenting-Modells ihren Kinderwunsch doch erfüllen.

Bei transgeschlechtlichen Menschen gibt es eine Vielzahl an Gründen, wieso ein Kinderwunschzentrum aufgesucht wird.

Der Überbegriff „Trans“ bezeichnet Menschen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht identifizieren. Transfrauen sind Frauen, deren Geschlechtseintrag bei der Geburt männlich war, bei Transmännern verhält es sich umgekehrt. Ein Teil der Behandlung von Transpersonen betrifft das Kryokonservieren von Eizellen oder Samenzellen vor der Transition, also dem Beginn der hormonellen Behandlung beziehungsweise vor geschlechtsanpassenden Operationen.

Auch heterosexuelle Paare, in denen der Partner ein Transmann ist, benötigen meistens eine Samenspende, um schwanger zu werden. Bei lesbischen Partnerschaften wiederum, in denen eine der beiden Personen eine Transfrau ist, kann der eingefrorene Samen der Transfrau oder Spendersamen für die In-Vitro-Fertilisation verwendet werden.

Intergeschlechtlichkeit oder Intersexualität bezeichnet Menschen, deren körperliche Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig als weiblich oder männlich eingeordnet werden können. Ihr Erscheinungsbild wird häufig als eine Mischung der Geschlechter wahrgenommen, zur Zahl der betroffenen Menschen existieren unterschiedliche Schätzungen. Die Sozialversicherung Österreich gibt die Anzahl dieser Menschen mit 0,35 bis 0,6% der Bevölkerung an. Der Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) wiederum schätzt die Zahl auf 1,7% der Gesamtbevölkerung.

Bei der Behandlung intergeschlechtlicher Menschen ist es besonders wichtig, zu berücksichtigen, welche individuelle Leidensgeschichte diese Personen teils hinter sich haben. Oft wurden bei den betroffenen Menschen in der Vergangenheit nicht konsensuelle kosmetische und sterilisierende Operationen und andere medizinisch nicht notwendige Interventionen durchgeführt. Ein sensibler Umgang ist daher äußerst wichtig, um diese Personen im Rahmen der Kinderwunschbehandlung nicht neuerlich zu traumatisieren.

Andere Gruppen, wie nichtbinäre oder asexuelle Menschen, besuchen ebenfalls Kinderwunschzentren. Als nichtbinär bezeichnen sich Personen, die sich weder als ausschließlich männlich noch als ausschließlich weiblich identifizieren und sich somit außerhalb der binären Geschlechterordnung sehen. Asexuelle Personen wiederum empfinden keinerlei sexuelle Anziehung. All diese queeren Menschen suchen immer häufiger nach professioneller und wertschätzender Behandlung und Unterstützung bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches (Abb. 1). Dem Anliegen nach Sichtbarkeit dieser Bevölkerungsgruppen sollte natürlich nachgekommen werden, indem man etwa alternative Geschlechtseinträge („divers“) vorsieht und die Geschlechtervielfalt in der Schrift durch die Verwendung des Asterisks (*) oder des Doppelpunkts (:) zulässt.

Abb. 1: Erstgespräche von Regenbogenpaaren im Jahresvergleich

Die rechtlichen Voraussetzungen bei medizinisch assistierter Fortpflanzung

Für die Behandlung mit Spendersamen gibt es in Österreich keine Verpflichtung zur Heirat oder zur eingetragenen Partnerschaft, das Bestehen einer Lebensgemeinschaft ist ausreichend. Eine Insemination mit Spendersamen oder eine IVF mit Spendersamen sind an die Erstellung eines Notariatsakt mit dem Betreff „Verwendung von Samen eines Dritten“ gebunden. Dieser regelt die Elternschaft und definiert den „anderen Elternteil“. Der/die Ehepartner:in, Partner:in oder der/die Lebensgefährte/Lebensgefährt:in der gebärenden Person wird dem biologischen Vater (=Spender) gleichgestellt, und dieser wird von seinen Rechten und Pflichten entbunden. Familien- und Erbrecht, der Familienname, die Obsorge sowie das Thema Unterhalt werden in dem Notariatsakt geregelt.

Rechtliche Situation beim Wunsch nach Kryokonservierung von Samenzellen oder Eizellen

Das Kryokonservieren – also Tiefgefrieren in flüssigem Stickstoff – von Gameten ist in Österreich nur mit bestehender medizinischer Indikation erlaubt, der Fachterminus dafür lautet „medical freezing”. Zu diesen Indikationen gehören zum Beispiel bevorstehende Chemotherapien im Rahmenvon malignen Erkrankungen, aber auch geplante geschlechtsanpassende Behandlungen bei transgeschlechtlichen Menschen.

Dazu benötigen die Patient:innen schriftliche Gutachten von Psychiater:innen, betreuenden Ärzt:innen sowie Therapeut:innen, die die Geschlechtsinkongruenz (=medizinische Indikation) bestätigen; die Kosten sind privat zu tragen. Die Eizellen werden im Rahmen einer hormonellen Stimulation mit Eizellentnahme gewonnen; für die Kryokonservierung von Samenzellen reichen die Samenabgabe und die Aufbereitung der Probe.

Kinderwunschbehandlung: Insemination und IVF

Die Kinderwunschbehandlung von Regenbogenpaaren, die auf Spendersamen angewiesen sind, unterliegt den gleichen Kriterien wie bei heterosexuellen Partnerschaften. Das Alter der Eizellen ist zu beträchtlichen Teilen bestimmend für die Schwangerschaftsrate, sprich: den Ausgang der Behandlung. Das fortgeschrittene Alter einer Patient:in ist daher sicherlich auch ein Grund, von Inseminationen abzuraten. Im Deutschen Register für Insemination (DERI) wird die Schwangerschaftsrate von Frauen bei heterologen Inseminationen im Alter von 40 bis 44 mit 9,2% angegeben, die Geburtenrate mit 5,8%. Diese Zahlen sollten offen kommuniziert werden, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Unrealistische Vorstellungen müssen vor Behandlungsbeginn besprochen werden, um dem Paar die Gelegenheit zu geben, sich eventuell für eine andere Behandlung zu entscheiden – im Fall eines lesbischen Paares also etwa, doch die jüngere Partnerin die Behandlung machen zu lassen, auch wenn es anfänglich anders gewünscht war.

Nicht das Alter, sondern die Tubenfunktionsstörung ist einer der Hauptgründe, warum sich Regenbogenpaare nach anfänglich geplanter Insemination für eine IVF-Behandlung entscheiden. Aber beispielsweise auch Endometriose kann eine Indikation sein, um gleich die IVF als Behandlung zu wählen.

Schließlich kann auch die mangelnde Qualität der Samenprobe eines Wunschsamenspenders dafür verantwortlich sein, dass Paare keine Insemination durchführen lassen. In derartigen Fällen kann mithilfe der ICSI-Methode bei einer IVF doch eine Befruchtung der Eizellen ermöglicht werden.

Voraussetzungen für den IVF-Fonds

Auch Regenbogenpaare haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Unterstützung durch den IVF-Fonds zu beantragen (Tab. 1). Die erstatteten Kosten werden jeweils zur Hälfte vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger und vom Gesundheitsministerium getragen. Der Fonds übernimmt 70% der Behandlungskosten (exklusive der Kosten für den Spendersamen). Die medizinischen Indikationen sind Tubenfunktionsstörung, Endometriose sowie das PCO-Syndrom. Die weiteren Voraussetzungen wie das Alter (unter 40), eine aufrechte Sozialversicherung und ein Wohnsitz in Österreich unterscheiden sich ebenso wenig von den Voraussetzungen für heterosexuelle Paare wie die Anzahl von vier Behandlungen, die pro Schwangerschaft unterstützt werden.

Tab. 1: Voraussetzungen für die Kostenunterstützung durch den IVF-Fonds

Samenspender

In Österreich bestehen mehrere Möglichkeiten, um Proben von Spendersamen zu bekommen: Spender aus institutseigenen Samenbanken von Kinderwunschkliniken, Wunschsamenspender oder Spender von großen internationalen Samenbanken wie der European Sperm Bank oder Cryos International.

Ein rechtliches Kriterium ist die Auskunftspflicht gegenüber den mit dem jeweiligen Spendersamen gezeugten Kindern ab dem vollendeten 14. Lebensjahr (gesetzlich vorgeschrieben). Ein Spender in Österreich kann also nicht komplett anonym als Samenspender registriert werden. Gegenüber den Erziehungsberechtigten muss die Anonymität aber gewahrt werden (Ausnahme Wunschsamenspender), sie kann nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen aufgehoben werden.

Spender müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben, das Vorliegen einer Einverständniserklärung im Kinderwunschzentrum oder in der internationalen Samenbank ist verpflichtend. Darin wird unter anderem festgehalten, dass die Spender ihre Zustimmung jederzeit widerrufen können und gegenüber etwaigen Kindern weder Rechte noch Pflichten haben.

In Österreich darf ein Spender nur in maximal drei Familien Kinder zeugen. Daher muss man bei internationalen Samenbanken das „Schwangerschaftsrecht“ für Österreich kaufen, um diese gesetzliche Regelung zu gewährleisten. Da dieses Recht in dieser Form nur in Österreich gilt, kann der Samen eines internationalen Spendersjedoch in anderen Ländern sehr wohl in Verwendung sein. Hierzulande darf der Samen eines institutseigenen Spenders stets nur in jeweils einer Klinik zur Verfügung gestellt werden.

Eine Ausnahme bilden Wunschsamenspender, da sie aus dem Familien- oder Bekanntenkreis des Paares stammen und der Samen daher ausschließlich für dieses eine Paar verwendet wird. Es erfolgt im Institut natürlich eine Aufklärung des Wunschsamenspenders über rechtliche Grundlagen. Wie das Paar und der Spender in weiterer Folge damit umgehen, ist individuell unterschiedlich.

Fazit

Die Behandlung von Regenbogenpaaren ist eine Behandlung von Menschen mit Kinderwunsch. Das nicht zu vergessen und in einen vorurteilsfreien Umgang einfließen zu lassen ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Betreuung dieser Familien.Denn Familie ist dort, wo Liebe ist.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (DE) VIMÖ – Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich: https://vimoe.at https://wien.gv.at > Definitionen Groß D et al.: Transsexualität und Intersexualität. Medizinische Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2008 https://queer-lexikon.net Amrani M, Seufert R: Gynäkologische Endokrinologie und Kinderwunschtherapie. Springer 2023 https://www.europeanspermbank.com Ofner H: IVF-Aktuell Sonder Newsletter; 12.12.2023 Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Jahresbericht des IVF-Fonds 2022. Verfügbar unter https://www.sozialministerium.at . zuletzt aufgerufen am 19.06.2023. Alegre L: Lob der Homosexualität. C.H.Beck 2019 Rechtsinformationssystem des Bundes (A) – RIS

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