
Der ärztliche Behandlungsfehler und die Möglichkeiten des Schadenersatzes
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Den ärztlichen Berufsweg zu absolvieren, ohne dass man zumindest einmal mit dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers konfrontiert wird, ist ungemein selten. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Frage, was der betroffene Arzt tun kann, um die Angelegenheit bestmöglich in seinem eigenen Sinne, aber auch im Sinne des betroffenen Patienten zu regeln.
Keypoints
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Nach einem Ereignis mit dem Eintritt eines Patientenschadens soll der betroffenen Person mit Empathie, Respekt und Mitgefühl begegnet werden.
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Gleichzeitig darf der Arzt vor Erstellung eines Gutachtens kein Schuldbekenntnis abgeben.
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Wann immer es möglich ist, hat eine Klärung bei einer Patientenvertretung Vorrang vor einem Zivil- oder gar Strafprozess.
Der Eintritt eines Zwischenfalls bei der Behandlung eines Patienten ist wohl eines der unangenehmsten Ereignisse in dem Berufsleben eines Arztes. Oft sieht sich der Kollege mit mehr oder minder schweren Vorwürfen und mit der Forderung nach Schadensersatzleistungen konfrontiert. Für den weiteren Verlauf ist unabdingbar, für sich selbst zu reflektieren, ob hier nicht tatsächlich ein Fehler in der Therapie eingetreten ist. Wichtig ist es dann, das Gespräch mit dem betroffenen Patienten oder dessen Angehörigen zu suchen, um eventuell eine gemeinsame Vorgangsweise zu finden. Dabei sind im Wesentlichen drei Strategien möglich:
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ein außergerichtliches Verfahren über die Patientenvertretung
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ein Zivilgerichtsverfahren
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ein Strafprozess
1. Außergerichtliches Verfahren
Für den betroffenen Arzt selbst ist dieser Weg wahrscheinlich mit Abstand der schonendste. Seitens des Patienten wird eine Sachverhaltsdarstellung an die Patientenvertretung gerichtet (ansässig bei den jeweiligen Landesregierungen). Von diesen Behörden wird danach die Krankengeschichte eingefordert und seitens eines Vertrauensarztes eine Stellungnahme angefordert. Je nach Befund (haftungsbegründeter Fehler oder nicht) kommt es zu unterschiedlichen weiteren Schritten. Liegt kein sicherer Fehler des Arztes vor, ist es trotzdem möglich, über den Patientenentschädigungsfonds eine Zahlung zugunsten des Patienten zu erreichen, wenn eine seltene und schwerwiegende Komplikation zu einer erheblichen Schädigung geführt hat. Damit wird der Arzt bzw. dessen Versicherung nicht weiter belastet, er selbst hat mit keinen negativen Folgen zu rechnen. Festzuhalten ist, dass diese Vorgangsweise leider nur für Schäden in Krankenanstalten gilt, da nur diese in den Entschädigungsfonds einzahlen. An einer Miteinbeziehung der Ordinationen wird politisch gearbeitet.
Wenn – was nicht selten ist – doch ein haftungsbegründeter Fehler vorliegt, kommt es im Beisein des Patienten und des Arztes zu Verhandlungen mit dessen Versicherung, meist in den Räumlichkeiten der Ärztekammer. Da zu diesem Zeitpunkt bereits eine erste Einschätzung durch einen Fachgutachter vorliegt, kann bei etwa 80 Prozent der Fälle auch hier die Angelegenheit bereinigt werden, indem die Versicherung die Forderung des Patienten (oft unter Beisein seines Anwaltes) akzeptiert. Insbesondere bei sehr hohen Forderungen (z.B. Ereignisse nach Geburten, die lebenslange Behinderung zur Folge haben) verweigern gelegentlich die Versicherungen die Anerkennung des Schadens, sodass dann der Weg über einen Zivilprozess gegangen werden muss. Wichtig ist, dass für den Patienten der Weg zur Patientenvertretung einerseits kostenfrei ist (auch die erforderlichen Gutachten sind hier kostenfrei), andererseits durch diese Entscheidung ein Aufschub der Verjährungsfristen gegeben ist. Auch für den Arzt ist dieses Verfahren meist schmerzarm (oft wird er als Spitalsarzt durch seinen Chef vertreten), sodass diese Verhandlungen oft in einem kollegialen Klima des gegenseitigen Respektes ablaufen.
2. Zivilgerichtsverfahren
Das Zivilgerichtsverfahren ist für den betroffenen Patienten, im Gegensatz zur 1. Möglichkeit, insofern mit einem Risiko behaftet, als er bei einem negativen Ausgang des Prozesses (wenn kein schuldhaftes Verhalten festgestellt wird) mit teilweise erheblichen Kosten zu rechnen hat.
Der Ablauf ist wie folgt: Der vermeintlich geschädigte Patient meldet sich bei einem Anwalt, der daraufhin eine Klage beim Landesgericht einreicht. Gelegentlich wird dann im Vorfeld bereits ein Privatgutachten erstellt, das vom Patienten selbst bzw. dessen Versicherung bezahlt wird und praktisch immer einen Behandlungsfehler sieht. Nach einer ersten Verhandlungssitzung wird dann in fast jedem Fall ein unabhängiger Gutachter bestellt, der unabhängig vom Privatgutachter zu einem (oft durchaus differenten) Ergebnis kommt. Dieses Gutachten, und nicht das vorher erstellte Privatgutachten, ist oft von entscheidender Bedeutung. Bei der folgenden Verhandlung unterstützt es den Richter mit fachkundigen Erläuterungen.
Früher wurde bei derartigen Verhandlungen meist der Arzt geklagt. Nunmehr haben die Anwälte entdeckt, dass es sinnvoller ist, den Spitalsträger zu klagen, sodass der betroffene Arzt, dem der Behandlungsfehler vorgeworfen wird, als Zeuge fungiert und der Wahrheitspflicht unterworfen ist. Wenn in diesem Prozess, was nicht selten ist, der Patient Recht bekommt, erhält er eine Entschädigung in unterschiedlicher Höhe zugesprochen, die von der Versicherung (des Ordinationsinhabers oder des Spitalsträgers) übernommen wird. Eine gleichzeitige Einleitung eines Strafprozesses ist möglich, kommt aber sehr selten vor. Im Gegensatz zum Strafprozess muss hier nur eine Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass Handlungsweise und Schaden zusammenhängen, um zu einer Schadensersatzleistung zu kommen.
3. Strafprozess
Das Strafverfahren ist mit Sicherheit für den Arzt die unangenehmste Form der Schadensabwicklung. Oft hat im Vorfeld ein für den Patienten frustranes Gespräch stattgefunden. Aber auch eine sogenannte „Sachverhaltsdarstellung“ der vorgesetzten ärztlichen Direktion im Falle eines vermeintlichen Behandlungsfehlers kann zu einer derartigen Entwicklung führen. Nicht zuletzt ist es gelegentlich auch für den Patienten attraktiv, hier den jeweiligen Arzt oder den Träger „anzuzeigen“, um dann beim folgenden Prozess zu profitieren.
In diesem Fall besteht für den geschädigten Patienten keine Anwaltspflicht, auch die Kosten sind für ihn deutlich geringer als im Zivilprozess (keine Gutachtenskosten). Allerdings – und dies ist ein wichtiger Punkt – muss zur Verurteilung eine „mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ gegeben sein. Eine Verurteilung kann in einer Diversion enden, aber auch in einer Geld- und Freiheitsstrafe (diese fast immer bedingt). Gerade nach einer derartigen Verurteilung folgen für den Arzt oft disziplinäre Maßnahmen über den Arbeitgeber, seltener über die Ärztekammer. Im Falle einer Verurteilung folgt fast immer ein Zivilprozess zur Ermittlung der Schadenshöhe.
Situationsanalyse
Es ist in einem westlichen Wertesystem klar, dass nach einem Schaden, egal durch wen er verursacht wird, bei einem schuldhaften Handeln ein Schadensersatz erfolgen muss. In den letzten Jahrzehnten bemühten sich zuständige Organe zu Recht, diese Schäden aus dem Strafrecht herauszulösen und derartige Fälle über die Patientenvertretung oder auch über ein Zivilgerichtsverfahren abzuwickeln. Die Belastung für den Arzt und auch die negativen Folgewirkungen sind hier im Vergleich zum Strafverfahren deutlich geringer. Dadurch steigt naturgemäß auch für den Arzt die Bereitschaft, aktiv im Sinne des Patienten an einer für diesen guten Lösung zu arbeiten.
Das genaue Gegenteil davon ist ein Strafprozess, der ja die Integrität des Arztes massiv angreift. Es drängt diesen geradezu zwingend in eine Abwehrhaltung, wenn hier nach einem immer gut gemeinten, aber eventuell misslungenen Behandlungsversuch hohe Geld- und gelegentlich sogar Freiheitsstrafen verhängt werden. Es sei an dieser Stelle auch warnend vermerkt, dass eine massive Ausweitung von Strafprozessen Ärzte im operativen Bereich (z.B. Karzinomoperationen) veranlassen könnte, z.B. nicht radikal genug zu operieren (mit der viel höheren Gefahr von Komplikationen), sondern „auf Sicherheit“ zu handeln, sodass zwar die momentane Komplikationsrate niedrig ist, aber die sekundären Folgen (z.B. Rezidive) für den Patienten dann fatal sein könnten.
Zusammenfassung
In Österreich ist die Entschädigung nach medizinischen Zwischenfällen durch Verhandlungen bei Patientenvertretungen, aber auch durch Zivilprozesse gut geregelt und führt oft zu befriedigenden Ergebnissen.
Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass Strafprozesse nach Fehlbehandlungen, die auch sehr erfahrenen Kollegen hin und wieder passieren können, völlig fehl am Platz sind. Falls sie zunehmen sollten, muss die Gesellschaft damit rechnen, dass der handelnde Arzt insbesondere sein eigenes Risiko zurücknimmt und dann so handelt, dass eben derartige Prozesse nicht mehr möglich sind. Anzeichen dafür sind schon insofern feststellbar, dass z.B. die Sectiorate (im Vergleich etwa zu den skandinavischen Ländern) deutlich höher als notwendig liegt. Auch scheuen sich Ärzte zunehmend, in Fachgebieten mit hohem Risiko tätig zu sein.
Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags bei der Fortbildungstagung „Gyndolomiti – der andere Kongress“ vom 30.1.–4.2.2022, St. Kassian, Südtirol.
Literatur:
beim Verfasser
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