
Komplikationen bei Hyaluronsäurefillern und die Lücke in der Notfallversorgung
Autorin:
Dr. Tanja Fischer
Ärztliche Leitung HLCP Haut- und Lasercentrum
Potsdam und Berlin
E-Mail: info@hlcp.de
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In der ästhetischen Medizin haben sich Injektionen mit Hyaluronsäurefillern als Standardverfahren etabliert. Sie bergen in seltenen Fällen lebensverändernde Gefahren – insbesondere dann, wenn eine Gefäßkomplikation auftritt. Während international Behandlungsalgorithmen zur Verfügung stehen, fehlt es in Deutschland und Österreich derzeit an einem zugelassenen Notfallmedikament – mit dramatischen Konsequenzen.
Keypoints
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Akute Gefäßkomplikationen nach Hyaluronsäureinjektionen erfordern eine sofortige Behandlung mit Hyaluronidase.
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HYLASE Dessau®, das bislang einzige zugelassene Hyaluronidase-Präparat, wurde 2024 vom Markt genommen.
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Der Einsatz von Hyaluronidase erfolgt derzeit oft im Off-Label Use – ein rechtlicher Graubereich.
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Die ISAC hat einen weltweit gültigen Konsensalgorithmus zur Behandlung von Komplikationen entwickelt – dieser dient als Ausbildungsstandard in vielen Ländern.
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Es braucht dringend eine Neuzulassung von Hyaluronidase, klare rechtliche Leitlinien und die Verpflichtung zur Notfallmedikation in jeder Praxis, um Patientensicherheit zu gewährleisten.
Die Beliebtheit von minimalinvasiven Eingriffen ist ungebrochen – über 95% der Filler, die weltweit injiziert werden, bestehen aus Hyaluronsäure. Sie modellieren Gesichtskonturen, polstern Falten auf und gelten allgemein als gut verträglich. In sehr seltenen Fällen können sie zu vaskulären Komplikationen führen: Wenn Filler in ein Blutgefäß injiziert werden oder dieses komprimiert wird, drohen Durchblutungsstörungen, Gewebsnekrosen oder – im schlimmsten Fall – Erblindung (Tab. 1). Die Notfallbehandlung in solchen Fällen ist klar: Hyaluronidase, ein Enzym, das Hyaluronsäure auflöst, muss unverzüglich und in hoher Dosis injiziert werden, um den Gefäßverschluss zu beseitigen.
Tab. 1: VIO-Klassifikation von Filler-Nebenwirkungen der International Society for Aesthetic Competence (Quelle: www.ISAC.expert )
Der stille Skandal: HYLASE Dessau® nicht mehr verfügbar
Hyaluronidase war bislang unter dem Namen HYLASE Dessau® als zugelassenes Medikament erhältlich – sowohl zur Auflösung ästhetisch injizierter Filler als auch für andere medizinische Zwecke. Doch Anfang 2024 wurde der Vertrieb eingestellt. Das Resultat: Aktuell existiert kein in Deutschland bzw. Österreich zugelassenes Hyaluronidase-Präparat, das im Notfall eingesetzt werden kann. Viele Ärzt:innen greifen nun auf Importe oder internationale Produkte zurück, häufig im Off-Label Use. Doch dieser Graubereich bringt rechtliche Unsicherheiten mit sich – und potenziell auch eine Verzögerung im Notfall. Was passiert, wenn eine Praxis bei einer akuten Komplikation keine Hyaluronidase vorrätig hat – oder aus rechtlichen Gründen nicht anwenden darf?
Ausbildung und Standards
Angesichts der Komplexität ästhetischer Behandlungen gewinnt die Etablierung klarer Ausbildungsstandards, Leitlinien und Qualitätsanforderungen zunehmend an Bedeutung. Ziel ist es, die Patientensicherheit zu maximieren und gleichzeitig ein hohes Maß an Fachkompetenz unter Ärzt:innen sicherzustellen. Die Implementierung solcher Standards ist jedoch ein langfristiger Prozess. Umfangreiche Studien und wissenschaftliche Evidenz sind notwendig, um verlässliche Kompetenzniveaus und strukturierte Ausbildungswege zu definieren.
Die International Society for Aesthetic Competence (ISAC), ein internationales Expertengremium aus 58 Ärzt:innen aus 33 Ländern, arbeitet daher intensiv an der Entwicklung und Verbreitung standardisierter Behandlungsprotokolle und Entscheidungsalgorithmen. Ziel ist es, gerade auch jungen Kolleg:innen in der Anfangsphase ihrer ästhetischen Laufbahn mehr Sicherheit zu bieten – fachlich, praktisch und ethisch.
Internationale Leitlinien – und nationale Untätigkeit?
Die ISAC hat bereits einen weltweit anerkannten Konsensalgorithmus für die Erstbehandlung vaskulärer Komplikationen nach HA-Injektionen veröffentlicht. Dieser beinhaltet:
sofortigen Injektionsstopp
Untersuchung der Haut auf Ischämiezeichen
hoch dosierte Injektion von Hyaluronidase in und um das betroffene Areal
Wiederholung der Gabe bei ausbleibender Besserung
ergänzende Maßnahmen wie Wärme, Massage, ggf. ASS, Cortison oder Antibiotika
Dieser Standard ist mittlerweile in zahlreichen Ländern Basis für Schulungen und nationale Leitlinien – in Deutschland wurde im Rahmen des „I-Secure Notfallkurses“ ein strukturiertes Notfalltraining etabliert. Doch wie sollen Ärzt:innen handeln, wenn das wichtigste Notfallmedikament regulatorisch in der Luft hängt?
Rechtlicher Graubereich und ethisches Dilemma
Die Situation bringt Behandler:innen in eine Zwangslage: Wer bei einer Notfallreaktion auf eine nicht zugelassene Substanz zurückgreift, handelt zwar medizinisch korrekt – bewegt sich aber rechtlich außerhalb der Zulassung. Das stellt insbesondere junge Kolleg:innen oder Ärzt:innen in angestellten Verhältnissen vor schwerwiegende Entscheidungen. Hinzu kommt: Die Patientenaufklärung über mögliche Komplikationen und die eingesetzten Notfallmedikamente wird dadurch ebenfalls erschwert – denn was, wenn es im Ernstfall kein legal verfügbares Mittel gibt?
Versorgungssicherheit ist Patientensicherheit
Ein funktionierendes System braucht verlässliche Rahmenbedingungen – auch (und gerade) im Notfall. Die derzeitige Lücke bei Hyaluronidase zeigt, wie fragil die Patientensicherheit sein kann, wenn regulatorische, wirtschaftliche oder politische Faktoren eine entscheidende Notfallbehandlung ausbremsen. Es braucht jetzt:
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eine rasche Neuzulassung eines Hyaluronidase-Präparats
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klare rechtliche Leitlinien für den Off-Label-Einsatz in Notfallsituationen
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Pflichtlagerung von Notfallmedikamenten in ästhetischen Praxen
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verbindliche Schulungen mit zertifiziertem Algorithmus
Ein Aufruf zur Verantwortung
Die ästhetische Medizin trägt heute nicht nur Verantwortung für gute Ergebnisse, sondern auch für maximale Sicherheit. Solange jedoch kein zugelassenes Notfallmedikament verfügbar ist, bleiben Ärzt:innen und Patient:innen auf einem unsicheren Terrain. Die Lösung liegt auf der Hand – und die Zeit drängt: Eine Neuzulassung muss her und die ISAC ist bereit, diesen Wandel mitzugestalten – durch internationale Vernetzung, strukturierte Ausbildung und das klare Ziel, Ästhetik und Sicherheit zu verbinden.
Literatur:
bei der Verfasserin
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