
Frühblüher und was sie beeinflusst
Lukas Dirr, MSc
Institut für Botanik
Universität Innsbruck
Dr. Markus Berger
HNO-Abteilung Klinik Hietzing
Wiener Gesundheitsverbund
E-Mail: markus.berger@pollenresearch.com
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Die Pollensaison steht in den Startlöchern, vor allem die Blüte der Kätzchenblüher sorgt zu Jahresbeginn für allergische Beschwerden. Klimawandel und Wetterextreme haben großen Einfluss auf die Pollensaison und machen aktuelle Pollenvorhersagen unverzichtbar für eine adäquate Allergenprävention.
Nach wenigen Monaten, in denen bis auf die Purpurerle (Alnus spaethii) keine aus allergologischer Sicht relevanten Pflanzen Pollen freigesetzt haben,1 steht mit dem Zunehmen an Sonnenstunden auch die Pollensaison wieder in den Startlöchern. Am Beginn sorgen hierzulande vor allem die Frühblüher Hasel (Corylus spp.) und Erle (Alnus spp.) für pollenbedingte allergische Beschwerden.
Bei diesen Gattungen aus der Familie der Birkengewächse (Betulaceae) handelt es sich um sogenannte Kätzchenblüher, also Bäume und Sträucher, deren männliche und meist kronblattlose Blüten zu walzenförmigen Blütenständen zusammengeschlossen sind.2Weibliche Blüten können, wie bei der Erle, als Kätzchen organisiert sein oder wie bei der Hasel (wo nur die Narben auffällig rot gefärbt sind) zu anderen, unscheinbaren Infloreszenzen zusammengefasst sein. Beide Arten erreichen die Blühbereitschaft, bevor die Laubblätter austreiben, und sorgen meist zwischen Jänner und April (Hasel) bzw. zwischen Februar und Mai (Erle) für signifikanten Pollenflug. Allerdings nur wenn die Temperaturen die Marke von 5°C überschreiten.
Da der Pollenflug lokal stark variieren kann, ist vor allem in der Nähe dichter Hasel- und/oder Erlenbestände besondere Vorsicht geboten. Laubwälder und deren Ränder sowie Flussufer sollten daher während der Haselblüte genauso gemieden werden wie Auwälder während der Blüte der Erlen.
Das Ausbleiben längerer winterlich kalter Phasen sowie unüblich viele Sonnenstunden im Jänner 20243 boten grundsätzlich ideale Bedingungen für ein frühzeitiges Einsetzen der Hasel- bzw. Erlensaison. Relevante Pollenkonzentrationen wurden jedoch erst später als im Vorjahr verzeichnet, da die für die Blühbereitschaft benötigten Temperatursummen4 während der Kätzchenentwicklung anscheinend erst später als im Jahr 2023 erreicht wurden. Betrachtet man die Wetterbedingungen im November und Dezember 2023, wurden zwar in beiden Monaten überdurchschnittlich hohe Temperaturen verzeichnet, die für einen früheren Blühbeginn sprechen, die ebenfalls gemessenen intensiven Niederschläge dürften hingegen für eine stärkere Verzögerung der Entwicklung gesorgt haben.5, 6
Wie Frühblüher die Urlaubsplanung beeinflussen
Unter den Frühblühern ist die Birke (Betula spp.) die allergologisch relevanteste Gattung. Sie beginnt meist Ende März zu blühen und verursacht Belastungen bis Mai. Die Birkenpollenallergie ist die zweithäufigste Pollenallergie nach den Gräsern. Es gibt nur wenige epidemiologische Studien zu diesem Thema. In einer österreichischen Studie zeigten 16% der Proband:innen aus der Allgemeinbevölkerung eine Sensibilisierung auf Birke (26% auf Gräser und 18% auf Hausstaubmilben).7 Betrachtet man europaweite Studien, variiert die Prävalenz einer Sensibilisierung zwischen 8 und 16%.8
Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit der Allergene kommt es häufig zu Kreuzreaktionen zwischen den Frühblühern. Daher kann der Belastungszeitraum für Allergiker:innen zwischen Wochen und Monaten variieren. Ein wichtiges Merkmal der Frühblüher-Saison ist, dass der Blühzeitraum in Teilen Europas unterschiedlich ist. In Zentral- und Westeuropa beginnt die Hasel im Jänner und die Erle Ende Jänner/Anfang Februar zu blühen. Die Birke folgt im März. Dagegen ist die gesamte Saison der Frühblüher in Nordeuropa einige Wochen später (Abb. 1). Diese Informationen sind für Betroffene wichtig, da sich sonst durch einen schlecht geplanten Urlaub die Belastungsperiode verlängern kann.
Globale Erwärmung und Luftverschmutzung
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Pollenmenge der Frühblüher in Europa erhöht und gleichermaßen auch die Sensibilisierungsrate.9, 10 Mögliche Ursachen für dieses Phänomen sind der vermehrte Gebrauch von Frühblühern in der Städteplanung (z.B. Purpurerle) und die globale Erwärmung.
Die globale Erwärmung und Luftverschmutzung haben nicht nur einen negativen Einfluss auf den Menschen, sondern belasten auch die Natur. Hierbei kann keine konkrete Aussage für alle Pflanzen getroffen werden. Wird es wärmer und trockener in den Sommermonaten, könnten die Gräser in Zukunft geringer belasten, dafür fühlen sich jedoch Neophyten, wie das Ragweed, immer wohler in Österreich.
Da Frühblüher hohe Temperaturen für die Blüte benötigen, ist es nicht verwunderlich, dass die globale Erwärmung einen Einfluss auf den Saisonstart hat. Der Blühbeginn setzt im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten mittlerweile 2–3 Wochen früher ein.11, 12 Werden die Temperaturen in den kommenden Jahrzehnten noch höher, wandern die Frühblüher in immer höhere Regionen ab und die Belastungen sinken. Stattdessen werden andere Bäume, wie die Zypressen aus dem mediterranen Raum, bevorzugt wachsen.
Seit einigen Jahren werden nun auch mögliche Interaktionen zwischen Luftqualitätsparametern und Pollen/Pflanzen erforscht. Diverse Parameter können als Stressoren fungieren und so Pollenproduktion und Allergenität beeinflussen. Erhöhte CO2-Konzentrationen können die Pollenproduktion steigern.13 Einzelne Ozonmoleküle können auf der Oberfläche von Pollenkörnern haften bleiben und auch Allergene chemisch beeinflussen. Daraus kann eine erhöhte Allergenität resultieren.14, 15
Fazit
Zusammengefasst ist die Saison der Frühblüher stark von Temperatur und Wetter abhängig. Aufgrund der globalen Erwärmung erlebt die Menschheit immer stärkere Wetterextreme, die den Start der Blühsaison stark beeinflussen. Aus diesem Grund werden aktuelle Pollenvorhersagen, die regelmäßig angepasst werden, immer wichtiger für eine adäquate Allergenprävention.
Österreichischer Polleninformationsdienst
Unter der Leitung von Dr. Markus Berger hat der Österreichische Polleninformationsdiensteine Reihe an anwenderfreundlichen Diensten ins Leben gerufen, um Allergiker:innen bestmöglich zu informieren.
Unter www.polleninformation.at finden Ihre Patient:innen nicht nur detaillierte Aufstellungen zur täglichen ortsspezifischen Belastung durch die unterschiedlichen Pollenarten, sondern auch Prognosen zum Pollenflug in ganz Europa sowie allgemeine Informationen zur Pollenallergie.
Pollen-App
2023 wurde die beliebte App „Pollen+“, die auf Basis des „Pollentagebuchs“ personalisierte Informationen zum Allergierisiko bietet und in 5 Sprachen verfügbar ist, weiterentwickelt und um neue Services ergänzt. Beim „Asthmawetter“, das in Kooperation mit www.menschenswetter.at entwickelt wurde, bekommen die Nutzer:innen in fünf Abstufungen Auskunft, ob die Wetterlage des Tages zu vermehrten oder verminderten Asthmasymptomen führen kann. Die „Gewitterwarnung“ zeigt an, wann im Umkreis Unwetter zu erwarten sind und ob die Ozonwerte steigen werden. Dazu gibt es die Empfehlung, im Innenraum zu bleiben und rechtzeitig Medikamente zu besorgen.
Über diese Links können Sie die Pollen-App kostenlos downloaden:
Literatur:
1 Bastl K et al.: Unusually early flowering of alder in Vienna: first report of Alnus spaethii in Austria, combined LM and SEM study of alder species and impact on pollen allergy sufferers. Aerobiologia (Bologna) 2015; 31(4): 515-24
2 Encyclopaedia Britannica: Catkin. https://www.britannica.com/science/catkin; zuletzt aufgerufen am 14. 2. 2024
3 ZAMG: Jänner 2024: mild, sonnig und meist wenig Neuschnee. https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/jaenner-2024-mild-sonnig-und-meist-wenig-neuschnee; zuletzt aufgerufen am 14. 2. 2024
4 Malkiewicz M et al.: The dynamics of the Corylus, Alnus, and Betula pollen seasons in the context of climate change (SW Poland). Sci Total Environ 2016; 573: 740-50
5 ZAMG: Viel Regen und Schnee im Dezember 2023. https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/viel-regen-und-schnee-im-dezember-2023; zuletzt aufgerufen am 14. 2. 2024
6 ZAMG: Niederschlagsreicher November 2023.https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/niederschlagsreicher-november-2023; zuletzt aufgerufen am 14. 2. 2024
7 Stemeseder T et al.: Cross-sectional study on allergic sensitization of Austrian adolescents using molecule-based IgE profiling. Allergy 2017; 72(5): 754-63
8 Biedermann T et al.: Birch pollen allergy in Europe. Allergy 2019; 74(7): 1237-48
9 Bruffaerts N et al.: Comparative long-term trend analysis of daily weather conditions with daily pollen concentrations in Brussels, Belgium. Int J Biometeorol 2018; 62(3): 483-91
10 Warm K et al.: Increase in sensitization to common airborne allergens among adults – two population-based studies 15 years apart. Allergy Asthma Clin Immunol 2013; 9(1): 20
11 Kolek F et al.: Earlier flowering of Betula pendula roth in Augsburg, Germany, due to higher temperature, NO2 and urbanity, and relationship with Betula spp. pollen season. Int J Environ Res Public Health 2021; 18(19)
12 Menzel A et al.: Climate change fingerprints in recent European plant phenology. Glob Chang Biol 2020; 26(4): 2599-612
13 Wayne P et al.: Production of allergenic pollen by ragweed (Ambrosia artemisiifolia L.) is increased in CO2-enriched atmospheres. Ann Allergy Asthma Immunol 2002; 88(3): 279-82
14 Zhu C et al.: Uptake of ozone and modification of lipids in Betula Pendula pollen. Environ Pollut 2018; 242: 880-6
15 Beck I et al.: High environmental ozone levels lead to enhanced allergenicity of birch pollen. PLoS One 2013; 8(11)
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