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DAM
Autor:
Dr. Peter Pölzlbauer
E-Mail: poelzpe@utanet.at<br> Dr. Wolfgang Geppert<br> Dr. Eva Raunig<br> Dr. Wolfgang Gasser<br> Dr. Paul Reitmayr<br> Dr. Daniel Bidner
30
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22.12.2016
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<p class="article-intro">Letztlich wurde es doch schwer von den Wogen geschüttelt, das kleine Schifflein des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV), sodass es nur noch als Floß der Medusa in Wien seinem Schicksal entgegentreibt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Am 14. November 2016 beendete der ÖHV, wie wir ihn kennen, in Rust sein Bestehen. Damit endete auch die lange Präsidentschaft Dr. Christian Eulers, leise, wie eine Melodie verklingt. Der Beginn der „Ära Euler“ war nun keineswegs von Trompetengeschmetter oder Fanfarenklängen eingeleitet, vielmehr ging ihm ein zähes Ringen voraus, das den gesamten Kongress in St. Wolfgang des Jahres 1997 prägen sollte. Zuletzt aber hat Dr. Euler mit seinem Charme und seiner Konzilianz, hinter der ein konsequentes Streben nach einem gemeinsamen Ziel steht, alle überzeugt. Wir sollten es nicht bereuen.</p> <h2>Wer die Nachtigall stört</h2> <p>Unser Bestreben, in den Ärztekammern Ärztevertreter und nicht Funktionäre zu sein, schlug fehl. Sehr schnell mussten wir erkennen, dass dort Fraktionspolitik, gesteuert von der österreichischen Parteipolitik, raumfordernd die Bühne beherrscht. Auch der Versuch einer Annäherung an die ÖGAM, die den Anspruch auf die Wissenschaft in der Allgemeinmedizin zumindest im Schilde führt, wurde zurückgewiesen. Es war Christian Eulers Verdienst, die Angriffe auf den ÖHV, die jeweils den Beginn einer neuen ÖGAM-Präsidentschaft markierten, mit Souveränität und Eleganz abzuwehren. Dafür wurde ihm persönlich hoher Respekt gezollt, selbst von jenen, die trotz hehrer Wissenschaft mit tödlicher Sicherheit auf den Wahllisten der Fraktionen zur Kammerwahl zu finden waren.</p> <h2>Ein Paukenschlag</h2> <p>Im Jänner 2005 erklärte uns Mag. Markus Lechner, damals noch in der Kanzlei Oberhofer/Innsbruck tätig, die Folgen der §15a B-GV betreffend die Zielsteuerung Gesundheit, vielmehr die Folgen, die daraus erwachsen werden. Dass die Quantität der Gesundheitsleistungen reduziert wird, war schon damals klar, dass Bürokratie zum Synonym für Qualität dient, absehbar.</p> <h2>Der Kampf gegen die Windmühlen</h2> <p>Die Tradition der Hausärztekongresse setzten wir fort: ursprünglich in Bad Ischl, dann in St. Wolfgang, zuletzt in Bad Gleichenberg. Unsere Ziele waren ehrgeizig. Ein ambitioniertes Fortbildungsprogramm, darunter erst- und einmalig Sonografiekurse für Allgemeinmediziner mit Diplom als Abschluss, begleitet von einem Kinderprogramm, das den Kindern Freude und den Eltern Muße brachte. Auf Anregung und unter tatkräftigem Engagement Dr. Eulers spielten wir Kabarett, organisierten Ausstellungen und veranstalteten Hausmusikabende – alles von Ärzten für Ärzte. Unser Stolz und Höhepunkt der Veranstaltung war jeweils ein Gastvortrag, wie z.B. der von DDr. G. Nenning im Jahr 2000 in Bad Gleichenberg. Pfingsten, das liebliche Fest, war alljährlich die Blütezeit unserer Kongresse, aber auch im grauen Alltag hatten wir eine Stimme: die Zeitung „Hausarzt“, ursprünglich und über viele Jahre verlegt von Vater und Sohn Pacher­negg, danach vom Medizinisch Pharmazeutischen Verlag (MPV) unter der temperamentvollen Leitung Karin Herzeles. Als es im Laufe der Zeit zur Trennung kam und die Zeitung unter anderer Führung die 250. Ausgabe feierte, war die lange Vergangenheit des Blattes keiner Erwähnung wert. Uns aber erstrahlte ein neuer Stern: „DAM – Die AllgemeinMediziner“, herausgegeben von der Universimed CMC GmbH, wurde unsere neue journalistische Heimat.</p> <h2>Die Schicksalssymphonie</h2> <p>Beethovens unheilvolles Anfangsmotiv war unüberhörbar, nur in den Ärztekammern wurde es nicht wahrgenommen. Im Glauben, es sich wie immer richten zu können, tut man jetzt überrascht, vor allem, weil man nicht gefragt wird. Aber der §15a will ernst genommen werden. Seine Propheten, die Patientenanwälte, predigten unaufhörlich und lassen auch heute nicht davon ab. Sie verheißen die Heilung aller medizinischen Probleme durch ein Wunder der Bürokratie: ELGA. Dr. Euler war der Rufer in der Wüste, der sich gegen den Zeitgeist stellte. Mit der Aktion „Raus aus ELGA“ führte er unsere kleiner werdende, aber artikulationsfähige Schar von Hausärzten in ein letztes Gefecht. Unterstützt vom Werbebüro Halik organisierten wir im Radiokulturhaus Wien und im Café Landtmann regelmäßig Veranstaltungen mit namhaften Vortragenden zu Themen der Gesundheitsreform, kamen auch im ORF zu Wort (Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer, Dr. Eva Raunig, in der Sendung „Im Zentrum“) und waren dank unseres Dr. Geppert regelmäßig in vielen Printmedien Österreichs vertreten. Der Chor der Rache wurde indes immer lauter. Trotzdem: ELGA, als Heilmittel gepriesen, ist bestenfalls ein Trostpflaster, der österreichweite zeitnahe Roll-out immer noch Zukunftsmusik. Die ELGA GmbH soll umgebaut werden. Die Geschäftsführerin wird, statt nach sieben mageren Jahren endlich die Früchte ihres Tuns zu genießen, nächstes Jahr zu neuen Ufern aufbrechen – raus aus ELGA. Aber immer noch erklingt der Jubel aus offiziellen Kehlen. Weil der Geist der Medizin nicht leicht zu fassen ist, wird er immer aufs Neue beschworen. Die neue Formel heißt „PHC“ (Primary Health Care).</p> <h2>Auf Wunder ist kein Verlass</h2> <p>Immer weniger Ärzte wählen die Allgemeinmedizin als Lebensinhalt, vor allem auf dem Land. Die Politik, und dazu ist sie ja da, weiß sofort Abhilfe. Sie sendet Rattenfänger aus, aber die sollen nicht erst den Umweg über Nagetiere nehmen, sondern gleich große Kinder fangen: Ärztinnen und Ärzte. Noch herrschen Zweifel und Unglaube. Aber einige lassen sich doch verführen.</p> <h2>Wo der Glaube fern ist, kann man keine Wunder tun</h2> <p>Das wenige, das man von PHC weiß, ist schier unglaublich. Zuschüsse von Bund und Land sind nötig, um sie überhaupt auf die Beine zu stellen. Dass so ein Modell, flächendeckend auf Österreich angewandt, nicht finanzierbar ist, kann jedes Milchmädchen ausrechnen. Noch unglaublicher ist jedoch, dass dort, wo heute nicht einmal ein Arzt mehr hinmöchte, in Zukunft gleich deren mehrere und noch dazu Physio- und Psychotherapeuten, auch Logopäden, unterstützt von Krankenschwestern und Pflegern, sich tummeln sollen. Aber davor kommen Honorar­abschlüsse, und die sollen auf Wunsch des Hauptverbandes Einzelverträge sein. Diese Neuerung verheißt nichts Gutes. Der von der Ärztekammer für alle befürchtete Prestigeverlust wird nur vom Honorarverlust der Einzelnen übertroffen werden. Denn die Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, sind längst vorbei und die Kinder, die dem Rattenfänger folgten, kamen nie wieder.</p> <h2>Immer weiter rinnt die Zeit, die Zukunft wird Vergangenheit</h2> <p>Und so endet auch die lange Zeit der Präsidentschaft Dr. Eulers so unspektakulär, wie sie begonnen hat. Die Akkorde, die er in seiner Zeit setzte, werden noch lange nachhallen und die Spur, die hier gezogen wurde, wird auch in Zukunft sichtbar bleiben. Wir alle, die im Team um Dr. Euler mitgewirkt haben, schätzen uns glücklich, dabei gewesen zu sein. Den knapp verpassten „Zwanziger“ werden wir im kleinen Rahmen nächstes Jahr festlich begehen.</p></p>
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