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Endo Linz 2022

Vorsorge: unterer Gastrointestinaltrakt

Ob Test auf okkultes Blut im Stuhl oder endoskopische Verfahren: Über den Stellenwert der Darmkrebsvorsorge ist man sich einig. Doch welche Methoden eignen sich am ehesten für Screening-Programme? Wie wichtig ist die Qualitätssicherung? Und in welchen Zeitintervallen sollten Nachsorgekoloskopien durchgeführt werden?

Keypoints

  • Das kolorektale Karzinom ist das zweithäufigste Karzinom des Magen-Darm-Trakts und die zweithäufigste Karzinom-assoziierte Todesursache in Europa.

  • In Ländern mit etablierten Screening-Programmen ist ein Rückgang der Inzidenz und der Mortalität des kolorektalen Karzinoms zu beobachten.

  • Die Effektivität von Screening-Untersuchungen ist abhängig von der Untersuchungsqualität und der Akzeptanz in der Zielbevölkerung.

  • Die neuen Post-Polypektomie-Nachsorgeleitlinien richten sich nach Größe, Anzahl und Dysplasiegrad prämaligner Läsionen, die villöse Histologie wird nicht mehr berücksichtigt.

Das kolorektale Karzinom (KRK) ist mit 170000 Todesfällen pro Jahr die zweithäufigste Karzinom-assoziierte Todesursache in Europa und das häufigste Karzinom des Gastrointestinaltrakts.1

Methoden zur Vorsorge

Da sich Darmkrebs langsam, über viele Jahre entwickelt und die Vor- und Frühformen (Polypen, Adenome) bekannt sind, eignet sich diese Erkrankung ideal für Vorsorgeprogramme. Es stehen zwei Methoden zur Darmkrebsvorsorge zur Verfügung: Tests auf okkultes Blut im Stuhl (Früherkennung) und endoskopische Verfahren (Prävention).

Vorteile der Tests auf okkultes Blut im Stuhl („guaiac-based fecal occult blood test“, gFOBT, und „fecal immunochemical test“, FIT) sind die Kostengünstigkeit, eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und somit hohe Teilnahmeraten. Nachteile, die es zu erwähnen gilt, sind, dass potenziell vorhandene (prä)maligne Läsionen erst in einem späten Stadium entdeckt werden, da sehr kleine Polypen meist noch nicht bluten, und die Sensitivität gegenüber serratierten Läsionen geringer ist. Darüber hinaus ist bei einem positiven gFOBT bzw. FIT eine Koloskopie zur weiteren Abklärung bzw. therapeutischen Intervention indiziert.

Die endoskopischen Verfahren (Koloskopie, flexible Sigmoidoskopie) bieten die Möglichkeit, Läsionen zu detektieren und im selben Untersuchungsgang abzutragen und somit die Entartung in eine maligne Erkrankung zu verhindern. Nachteile sind, dass es sich um eine invasive Untersuchung an potenziell Gesunden handelt, die geringere Akzeptanz in der Bevölkerung sowie die höheren Kosten.

Screening-Programme in Europa

Hinsichtlich der Empfehlung, welche Methode des Darmkrebs-Screenings zu bevorzugen ist, herrscht zwischen den einzelnen europäischen Ländern (und teilweise selbst innerhalb einzelner Länder) kein Konsens. Während in Deutschland, Österreich, Tschechien, Griechenland und Belgien die Bevölkerung zwischen Koloskopie und FIT bzw. gFOBT wählen kann, werden in England und Italien flexible Sigmoidoskopie und FIT bzw. gFOBT angeboten, Polen bietet als einziges Land ausschließlich eine Screening-Koloskopie an.2

Konsens herrscht hinsichtlich der generellen Empfehlung zum Darmkrebs-Screening. Eine Kosteneffektivitätsanalyse hat gezeigt, dass kein Screening die teuerste Alternative für ein Gesundheitssystem ist.3

Eine 2021 publizierte Studie analysierte den Effekt verschiedener Screening-Methoden auf die Inzidenz und Mortalität des kolorektalen Karzinoms anhand von 3,1 Millionen Patienten in 21 europäischen Ländern. Die höchste Reduktion in der Mortalität konnte in Ländern mit langjährig etablierten Screening-Programmen beobachtet werden (Österreich, Deutschland, Tschechien), obwohl es sich in diesen Ländern um opportunistische Screening-Programme handelt.4 Ein opportunistisches oder Populations-bezogenes Screening zeichnet sich dadurch aus, dass Patienten von Hausärzten oder Fachärzten zur Vorsorgeuntersuchung zugewiesen werden, sobald sie in die Risikogruppe für eine Erkrankung fallen (im Fall von Darmkrebs wird in Österreich Männern und Frauen empfohlen, ab dem 50. Lebensjahr zur Koloskopie zu gehen bzw. ab dem 40. Lebensjahr einen Test auf okkultes Blut im Stuhl durchzuführen). Dem steht ein Screening-Programm mit Einladunggegenüber. Hier erhält die Zielbevölkerung eine Einladung, häufig bereits mit Termin, an einer Vorsorgeuntersuchung teilzunehmen.

Tab. 1: Vorläufige Daten der schwedischen SCREESCO-Studie über den Effekt einer einmaligen Koloskopie vs. FIT alle zwei Jahre (modifiziert nach Forsberg A et al. 2022)7

Koloskopie vs. FIT

Zu erwähnen gilt, dass es im Gegensatz zum Test auf okkultes Blut im Stuhl derzeit noch keine randomisiert kontrollierten Studien (RCT) zum Effekt einer Vorsorgekoloskopie auf die Inzidenz und Mortalität am kolorektalen Karzinom gibt. Der protektive Effekt einer Polypektomie wurde jedoch bereits in den 1990er-Jahren gezeigt.5, 6

Große multizentrische Studien, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen, sind derzeit am Laufen, die ersten Ergebnisse werden noch 2022 erwartet.

Ein RCT, der derzeit in Schweden durchgeführt wird, vergleicht den Effekt einer einmaligen Koloskopie mit einem FIT alle zwei Jahre. Zum Zeitpunkt der Studie gab es in Schweden kein etabliertes Darmkrebs-Screening-Programm. Zwischen 2014 und 2020 wurden knapp 280000 Personen ≥60 Lebensjahre entweder zu einem terminisierten Koloskopie-Screening oder zweimaligen FIT-Screening im Abstand von zwei Jahren eingeladen. Die Kontrollgruppe erhielt keine Einladung zum Screening. Die Ergebnisse zu den primären Endpunkten (Inzidenz und Mortalität am kolorektalen Karzinom) sind noch ausständig. Die präliminären Daten sind in Tabelle 1 zusammengefasst.7

Vorsorgekoloskopie und Qualitätssicherung

Die Vorsorgekoloskopie gilt als Goldstandard in der Prävention des kolorektalen Karzinoms. Der protektive Effekt kommt jedoch nur zum Tragen, wenn sie mit hoher Qualität durchgeführt wird. Die Europäische Gesellschaft für Gastrointestinale Endoskopie (ESGE) hat sieben Schlüsselqualitätsparameter für eine effektive Vorsorgekoloskopie festgelegt:8

  1. Rate an adäquater Darmvorbereitung (Ziel ≥90%),

  2. Zökumerreichsrate ( Ziel ≥90%),

  3. Adenomentdeckungsrate (prozentueller Anteil an Untersuchungen, bei der mindestens ein Adenom entdeckt wurde; Ziel ≥25%),

  4. adäquate Polypektomie-Technik (Ziel ≥80%),

  5. Komplikationsrate (kein Zielwert definiert),

  6. Patientenzufriedenheit (kein Zielwert definiert),

  7. adäquate Nachsorgeintervalle (kein Zielwert definiert).

Post-Polypektomie-Nachsorge

In Österreich ist zur Darmkrebsprävention eine Vorsorgekoloskopie für Frauen und Männer ab dem 50. Lebensjahr empfohlen, bei erhöhtem Risiko (familiäre Belastung, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, hereditäre Syndrome etc.) entsprechend früher.

Patienten, die einmal ein Adenom entwickelt haben, haben ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens weitere Adenome bzw. Darmkrebs zu entwickeln. Daher wird empfohlen, je nach Anzahl, Größe und Dysplasiegrad eine Nachsorgekoloskopie durchzuführen. Patienten mit Hochrisikopolypen sollen nach drei Jahren zur Nachsorgekoloskopie zugewiesen werden, jene mit Niedrigrisikopolypen sowie Personen mit negativer Koloskopie nach zehn Jahren. Der Hochrisikogruppe werden folgende Fälle zugeordnet:

  • ≥1 Adenom ≥10mm

  • oder ≥5 Adenome

  • oder Adenome mit hochgradiger Dysplasie

  • sowie serratierte Polypen ≥10mm

  • oder serratierte Polypen mit Dysplasie

Die villöse Histologie hat in dem 2020 publizierten Leitlinien-Update der ESGE keinen Stellenwert mehr.

Die Nachsorgeintervalle sollen schriftlich festgehalten werden. Nachsorgeuntersuchungen sollen bis zum 80. Lebensjahr fortgeführt bzw. bereits früher beendet werden, wenn die Lebenserwartung der Patienten aufgrund von Komorbiditäten limitiert ist. Der FIT ist als Post-Polypektomie-Nachsorge nicht empfohlen.

Einen Sonderfall stellt die Piecemeal-Resektion von nicht gestielten Polypen ≥20mm dar. Hier gilt es, kurzfristigere Nachsorgeintervalle einzuhalten. Nach inadäquater Darmvorbereitung wird empfohlen, die Untersuchung innerhalb eines Jahres zu wiederholen. Patienten mit ≥10 Adenomen sollen einer genetischen Beratung zugewiesen werden.9

Die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie hat ihre Empfehlungen zur Post-Polypektomie-Nachsorge nach den ESGE-Leitlinien adaptiert.10

Fazit

Die Vorsorgekoloskopie ist eine sichere und kosteneffektive Untersuchung, um Darmkrebs zu verhindern – vorausgesetzt sie entspricht internationalen Qualitätskriterien. In Österreich wird die Vorsorgekoloskopie für die durchschnittliche Risikobevölkerung ab dem 50. Lebensjahr empfohlen. Patienten mit Hochrisikopolypen sollen nach drei Jahren einer Nachsorgekoloskopie zugewiesen werden, für Patienten mit Niedrigrisikopolypen bzw. mit negativer Koloskopie ist eine Nachsorge nach zehn Jahren ausreichend.

Alternativ zum endoskopischen Screening stehen Tests auf okkultes Blut im Stuhl zur Verfügung. Es herrscht derzeit kein Konsens hinsichtlich der Empfehlung, welche der beiden Modalitäten bevorzugt zum Einsatz kommen soll. Studien, die FIT vs. Koloskopie head-to-head vergleichen, sind derzeit am Laufen.

1 ECIS - European Cancer Information System: https://ecis.jrc.ec.europa.eu/ ; zuletzt aufgerufen am 1.7.2022 2 International Agency for Research on Cancer: https://ec.europa.eu/health/system/files/2017-05/2017_cancerscreening_2ndreportimplementation_en_0.pdf ; zuletzt aufgerufen am 1.7.2022 3 Jahn B et al.: BMC Gastroenterol 2019; 19(1): 209 4 Cardoso R et al.: Lancet Oncol 2021; 22(7): 1002-13 5Zauber AG et al.: NEJM 2012; 366(8): 687-96 6 Winawer SJ et al.: NEJM 1993; 329(27): 1977-81 7 Forsberg A et al.: Lancet Gastroenterol Hepatol 2022; 7(6): 513-21 8 Kaminski M et al.: Endoscopy 2017; 49(4): 378-97 9 Hassan C et al.: Endoscopy 2020; 52(8): 687-700 10 Waldmann E et al.: J Gastroenterol Hepatol Erkr 2021; 19: 105-9

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