
Innovative Therapien bei Komplikationen des Morbus Crohn
Bericht: Reno Barth
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Das Kurzdarmsyndrom sowie die perianale Fistulierung zählen zu den gefürchteten Komplikationen des Morbus Crohn. Innovative Therapien verbessern die Lage. So ist für die Behandlung von erwachsenen Patienten und Kindern ab dem Alter von einem Jahr mit Kurzdarmsyndrom das GLP-2-Analogon Teduglutid (Revestive®) zugelassen und kann den Betroffenen zu enteraler Autonomie verhelfen. Perianale Fisteln können mit einer Stammzelltherapie zur Abheilung gebracht werden.
Im Verlauf eines Morbus Crohn können – im ungünstigsten Fall auch mehrfach – chirurgische Resektionen ganzer Darmabschnitte erforderlich werden. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn es zum Verlust größerer Teile des Dünndarms kommt. Ein zu kurzer Dünndarm führt vorhersehbar zu Komplikationen. In der Literatur finden sich, so Dr. Christopher Dawoud von der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie am AKH Wien, sehr unterschiedliche Angaben zur „normalen“ Länge des Dünndarms. Man könne jedoch, mit viel interindividueller Variabilität, von rund 500 cm ausgehen. Ist der Dünndarm zu kurz, kommt es zu Problemen mit der Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeit. Ist keine ausreichende orale Aufnahme von Nährstoffen mehr möglich, so spricht man per definitionem von Darmversagen. Man unterscheidet zwischen intestinaler Insuffizienz, bei der die reduzierte Absorption noch keinen intravenösen Support erforderlich macht, und dem intestinalen Versagen, bei dem ausreichende Supplementation und intravenöse Ernährung erforderlich sind.
Das Kurzdarmsyndrom wird sowohl nach anatomischen als auch nach physiologischen Kriterien in Typen eingeteilt. In der funktionellen Einteilung zeigt der Typ 1 ein akutes, meist perioperatives und in der Regel selbstlimitierendes Geschehen. Bei Typ 2 handelt es sich um ein prolongiertes akutes Geschehen, bei dem beispielweise auch eine Sepsis im Spiel ist. Hier wird häufig über Wochen und Monate eine Supplementierung von Flüssigkeit und Nährstoffen benötigt. Typ 2 ist in rund 50 % der Fälle komplett reversibel, so Dawoud, während bei etwa 10 % der Betroffenen eine leichte irreversible Schädigung bestehen bleibt und es bei etwa 40 % zu einem Übergang in Typ 3, das chronische Kurzdarmsyndrom, kommt.1 Typ 3 ist ohne medizinische Maßnahmen zumeist nicht reversibel und erfordert in jedem Fall über Monate bis Jahre Supplementierung.
Das Kurzdarmsyndrom tritt in der Mehrzahl der Fälle iatrogen infolge unvermeidlicher Resektionen von Darmabschnitten auf, wie sie beispielsweise nach ischämischen Ereignissen oder bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen notwendig werden. Um ein Kurzdarmsyndrom zu vermeiden, ist daher ein möglichst schonendes chirurgisches Vorgehen mit darmsparenden Resektionen geboten, zumal seit mehr als 20 Jahren bekannt ist, dass sich bei einer Dünndarmlänge unter 50 cm das Überleben deutlich verkürzt und zu 80 % parenterale Ernährung benötigt wird.2
Medikamentöse Unterstützung beim Kurzdarmsyndrom
Hilfreich im Management des Kurzdarmsyndroms sind die unterschiedlichen Funktionen des Glucagon-like Peptid 2 (GLP-2), das von intestinalen L-Zellen im terminalen Ileum und Kolon produziert wird. GLP-2 trägt zur Ausbildung der Zottenhöhe bei, fördert die Kryptenproliferation sowie die Expression von Transportmolekülen der Mukosazellen, erhöht den intestinalen Blutfluss und verzögert die Magenentleerung. Damit verlängert GLP-2 die intestinale Transitzeit, der Speisebrei bleibt länger im Darm und kann besser resorbiert werden. Aufgrund seiner Kurzlebigkeit kann GLP-2 jedoch nicht therapeutisch eingesetzt werden. Aus diesem Grund wurde Teduglutid (Revestive®), ein aus 33 Aminosäuren bestehendes Analogon des GLP-2, entwickelt, bei dem das Alanin an der 2. Position des N-Terminus durch ein Glycin ersetzt wurde. Teduglutid wird einmal am Tag vom Patienten subkutan injiziert.
In der Zulassungsstudie (STEPS 1) wurden Patienten zunächst über eine Optimierung der parenteralen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr stabilisiert und anschließend mit Teduglutid oder Placebo behandelt. Primärer Endpunkt der Studie war die Anzahl der Responder (Patienten mit > 20 % Reduktion der parenteralen Ernährung zu Woche 20 und 24). Mit 63 % vs. 30 % Respondern erwies sich Teduglutid im Vergleich zu Placebo als überlegen.3 In STEPS 2 wurden schließlich die Patienten aus der Placebogruppe auf Teduglutid umgestellt, und weitere Patienten wurden aufgenommen. Das Ergebnis war bei den von Anfang an mit Teduglutid behandelten Patienten eine Ansprechrate von 96 %. Patienten aus der Placebogruppe sprachen ebenso wie zuvor unbehandelte Patienten auf die Therapie an und erreichten schließlich Ansprechraten von 55 bzw. 67 %. Insgesamt erreichten 20 % der Patienten enterale Autonomie.4
In Real-World-Evidenz-Studien mit flexibleren Protokollen und mehr Raum für Individualisierung wurden, so Dawoud, noch höhere Ansprech- und Autonomieraten erreicht. Auch die Erfahrungen bei jenen 13 Patienten, die am Wiener AKH mit Teduglutid behandelt werden und die teilweise Dünndarmlängen von 20 cm aufweisen, sind sehr gut, wie Dawoud ausführt. So konnte auch in dieser ersten österreichischen Kohorte der Bedarf an parenteraler Ernährung deutlich reduziert werden. Nach 24 Wochen erreichten 62% der Patienten unter Teduglutid eine völlige Unabhängigkeit von parenteraler Ernährung, im Follow-Up sogar 92% der Patienten. Ebenso sank die Stuhlfrequenz bei gleichzeitiger Verbesserung der Stuhlqualität und auch Schlafunterbrechungen konnten reduziert werden. Insgesamt zeigte sich durch Teduglutid eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität dieser Kurzdarmpatienten.
Stammzelltherapie bei perianalen Fisteln
Perianale Fisteln zählen für die Betroffenen zu den subjektiv unangenehmsten Komplikationen des Morbus Crohn und stellen eine massive Herausforderung für die Behandler dar. Das Problem ist häufig. Zehn Jahre nach Diagnose eines Morbus Crohn leiden 16 % der Patienten unter einer perianalen Erkrankung, 20 Jahre nach der Diagnose sind es bereits 28 %.5
Die Fistulierung kann sich in unterschiedlicher Form ausbreiten, so Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Stefan Riss, Leiter der Abteilung für Beckenbodenerkrankungen der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie am AKH Wien. Extreme Ausbildungen sind möglich, komplexe und multiple Fisteln sind die Regel. Zur Klassifizierung von Fisteln sind unterschiedliche Systeme in Verwendung. Nach Sir Alan Parks wird nach dem Verlauf der Fistel unterschieden zwischen intersphinktärer Fistel mit sichtbarer äußerer Öffnung, transsphinktärer Fistel, die sowohl den inneren als auch den äußeren Sphinkter durchbricht, extrasphinktärer und suprasphinktärer Fistel. Angesichts der Komplexität der Verhältnisse empfiehlt Riss in der Diagnostik das MRT, da auf diesem Weg die bei Morbus Crohn häufigen multiplen Fistelgänge auch gefunden werden.
In der Versorgung von Fisteln sollte zunächst durch gründliche Diagnostik anatomische Klarheit geschaffen werden. Die Drainage eines möglicherweise bestehenden Abszesses ist essenziell. Langfristige Ziele sind die Vermeidung von Rezidiven und die Erhaltung des Schließmuskels. Dies erfordert in der Regel gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und Gastroenterologen.
Das Rezidivrisiko ist hoch. Eine rezente Arbeit zeigt, dass auch im Zeitalter der Biologika bei 22 % eines Kollektivs von Patienten, die wegen eines perianalen Morbus Crohn eine fäkale Diversion ohne Proktektomie erhalten hatten, in weiterer Folge eine Proktektomie erforderlich wurde. Nur bei 37 % wurde ohne Proktektomie eine über knapp fünf Jahre stabile Heilung erreicht.6 Bei Patienten, die bereits initial eine fäkale Diversion mit Proktektomie erhalten hatten, waren die Ergebnisse besser.
Seit Kurzem steht zusätzlich zur Chirurgie und zur Behandlung der Grunderkrankung auch die Therapieoption mit adulten Stammzellen zur Verfügung. Konkret handelt es sich um mesenchymale Stammzellen, die zur Regeneration des Stützgewebes verwendet werden können. Riss betont, dass diese Zellen über den regenerativen Effekt hinaus auch antiinflammatorische Wirkungen haben. Die Stammzellen für die Behandlung perianaler Fisteln müssen nicht vor Ort gewonnen werden, sondern stehen als fertiges Produkt (Alofisel®) zur Verfügung. Entscheidend ist, dass die Zellen nach Gewinnung von Spendern und folgender Expansion sehr zeitnah zum Patienten kommen, was komplexe Logistik erforderlich macht. Die Zellen werden nach Verschluss der inneren Fistelöffnung und entsprechender Reinigung des Ganges rund um die innere Öffnung und entlang des Fistelganges injiziert.
Studiendaten zeigen gute Wirksamkeit. In der multizentrischen Phase-III-Studie ADMIRE wurden 212 Patienten mit komplexen perianalen Fisteln – zusätzlich zum Standard of Care (Verschluss der inneren Fistelöffnung und Kürettage des Fistelkanals) – entweder mit Stammzellen oder Placebo behandelt, was in der Verumgruppe zu einer besseren Chance auf Remission (50 % vs. 34 %) führte.8 Eine Folgestudie zeigte, dass die erreichten Therapieerfolge zumindest über ein Jahr stabil sind.9 Riss verweist auf eine Subgruppenanalyse, die bei Patienten unter Therapie mit Biologika auch ein besseres Ansprechen auf die Stammzelltherapie zeigen. Mittlerweile wurden auch Fallserien publiziert, in denen höhere Heilungsraten von z.T. über 70 % erreicht wurden.10
Entgeltliche Einschaltung
Mit freundlicher Unterstützung durch Takeda Pharma Ges.m.b.H.
C-APROM/AT/ALOFI/0010, Juli 2021
Literatur
1 Abu-Elmagd KM et al.: Ann Surg 2019; 270(4): 656-74
2 Messing B et al.: Gastroenterology 1999; 117(5): 1043-50
3 Jeppesen PB et al.: Gastroenterology 2012; 143(6): 1473-81.e3
4 Schwartz LK et al.: Clin Transl Gastroenterol 2016; 7(2): e142
5 Panés J, Rimola R: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2017; 14(11): 652-64
6 McCurdy JD et al.: Inflamm Bowel Dis 2021: izab086
7 Singer NG, Caplan AI: Annu Rev Pathol 2011; 6: 457-78
8 Panés J et al.: Lancet 2016; 388(10051): 1281-90
9 Panés J et al.: Gastroenterology 2018; 154(5): 1334-42.e4
10 Cabalzar-Wondberg D et al.: Colorectal Dis 2021; 23(6): 1444-50
Quelle
„Schwere Komplikationen bei Morbus Crohn“, Satellitensymposium veranstaltet von Takeda Pharma Ges.m.b.H. am 10. Juni 2021 im Rahmen des 62. Österreichischen Chirurgenkongresses (ÖCK)