
Dysphagie – wenn das Schlucken zur Qual wird
Autor:
OA Dr. Markus Mader
Klinische Abteilung für Innere Medizin 2
Universitätsklinikum St. Pölten
E-Mail: markus.mader@stpoelten.lknoe.at
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Die Dysphagie als gastroenterologisches Symptom präsentiert sich unterschiedlich und kann aus ebenso unterschiedlichen Pathologien resultieren. Eine wichtige Rolle in der Therapieentscheidung spielt daher die genaue diagnostische Abklärung. Wenn diese erfolgt ist, kommen medikamentöse, aber auch interventionelle endoskopische Therapien zum Einsatz.
Keypoints
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Die Dysphagie ist ein relativ häufiges Symptom, das einer fundierten Abklärung bedarf.
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Endoskopie und Bildgebung mittels Videokinematografie und Schnittbildgebung stehen am Anfang der Diagnostik.
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Bei Motilitätsstörungen ist die HR-Manometrie der Goldstandard.
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Mit der Budesonid-Schmelztablette steht uns erstmalig eine für die eosinophile Ösophagitis zugelassene spezifische Therapie zur Verfügung.
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Verschiedenste interventionelle endoskopische Verfahren erbringen in der entsprechenden Indikation gute Therapieerfolge.
Die Dysphagie ist ein sehr unspezifisches Symptom, welches mehrere Fachbereiche der Medizin betreffen kann.Grob kann man eine Einteilung in neurologisch bedingte Formen, wie zum Beispiel im Rahmen von neurodegenerativen Erkrankungen (Morbus Parkinson, Multiple Sklerose…) oder Schlaganfällen, oropharyngeal bedingte Formen (Tumoren im HNO-Bereich, Kieferfehlstellungen) und ösophageal bedingte Formen treffen. Die Letzteren gehören ins Gebiet der Gastroenterologie und sollen in diesem Artikel näher besprochen werden.
Wie präsentiert sich der Dysphagiepatient?
Klinisch klagen die Patienten häufig über ein Globusgefühl im Hals- oder Brustbereich, Schmerzen beim Schlucken (Odynophagie) oder auch über ein Gefühl des „Steckenbleibens“ des Speisebolus.Ebenso werden Regurgitationen, im Sinne von erneutem Hochwürgen von bereits geschluckter Nahrung, sowie Husten während der Nahrungsaufnahme bis hin zur Aspiration angegeben.
Differenzialdiagnostisch gibt es eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Möglichkeiten, welche als Ursache der Dysphagie infrage kommen. Eine Auflistung möglicher Erkrankungen gibt Abbildung1.
Diagnostische Abklärung – am Anfang stehen Anamnese, Endoskopie und Bildgebung
Am Beginn der Abklärung der Dysphagie sollte primär eine ausführliche Anamnese stehen. Von Relevanz sind hierbei der zeitliche Zusammenhang der Beschwerden (plötzlich – schleichend), die Qualität der Beschwerden (bei festen oder auch bei flüssigen Nahrungsmitteln, sind Schmerzen beim Schluckakt vorhanden, kommt es zu Verschlucken oder Regurgitationen?) und mögliche Zusammenhänge mit anderen Erkrankungen (systemisch rheumatologische Erkrankungen, Immunschwäche, Allergien, Dermatosen, Morbus Crohn). Im Rahmen der Anamnese empfiehlt es sich, die Beschwerden mittels eines Scores (z.B. Eckardt-Score) zu quantifizieren, was in späterer Folge hilft, den Verlauf der Erkrankung bzw. auch den Therapieerfolg besser einschätzen zu können.
Der nächste Schritt ist üblicherweise eine Ösophagogastroduodenoskopie. Hierbei können Stenosen sowohl benigner als auch maligner Natur bzw. auch entzündliche Veränderungen der Ösophagusschleimhaut diagnostiziert werden. Wichtig sind neben einer genauen Inspektion der Schleimhaut Probenentnahmen. Diese sollten natürlich aus auffälligen Bereichen (Tumor, Striktur, Ulkus) entnommen werden, weiters empfiehlt es sich, zumindest zwei Biopsien aus jedem Ösophagusdrittel zur Diagnostik der eosinophilen Ösophagitis durchzuführen.
Ergänzend kann bei unklaren Beschwerden eine Videokinematografie veranlasst werden. Bei diesem radiologischen Verfahren wird mittels des Schluckens von Kontrastmittel der Schluckakt dargestellt.
Bei Verdacht auf maligne Stenosen oder auch Kompression des Ösophagus von außen ist eine Schnittbildgebung mittels CT oder MRT empfehlenswert.
Ist nach diesen Untersuchungen die Diagnose weiterhin unklar, sollten funktionsdiagnostische Untersuchungen angeschlossen werden. Hier steht an oberster Stelle die „High resolution“-Manometrie des Ösophagus. Nach Legen einer nasoösophagealen Sonde wird hiermit die Funktionalität der Speiseröhre beurteilt. Es können sowohl hyperkontraktile als auch hypokontraktile Motilitätsstörungen des Ösophagus gut diagnostiziert werden. Die Einteilung dieser Störungen sollte nach der Chicago-Klassifikation erfolgen. Man unterscheidet drei verschiedene Formen der Achalasie bzw. die „EGJ outflow obstruction“, „major disorders of peristalsis“ (distaler Ösophagusspasmus, „Jackhammer“-Ösophagus, fehlende Peristaltik) sowie „minor disorders of peristalsis“ (ineffektive Motilität, fragmentierte Peristaltik) (Abb.2).
Abb. 2 :„High resolution“-Manometrie der verschiedenen Motilitätsstörungen des Ösophagus; Einteilung laut Chicago-Klassifikation (adaptiert von Rohof WOA, Bredenoord AJ: Curr Gastroenterol Rep 2017; 19[8]: 37)
Besteht der Verdacht auf eine gastroösophageale Refluxerkrankung, kann eine pH-Metrie in der Diagnostik weiterhelfen. Es gibt prinzipiell zwei Verfahren. Bei der klassischen pH-Metrie wird eine nasoösophageale Sonde wie bei der Manometrie appliziert. Diese hat je nach Art ein bis zwei pH-Wert-Messpunkte und ist häufig kombiniert mit einer Impedanzmessung, um auch nicht sauren Reflux darstellen zu können. Die andere Möglichkeit ist die BRAVO®-pH-Metrie. Hierbei wird eine Kapsel zur pH-Wert-Messung im Rahmen einer Endoskopie 5cm oberhalb der Ora serrata positioniert. Diese ist mit einem Rekorder, der während der Aufzeichnung am Körper getragen werden muss, verbunden. Somit kann der pH-Wert über einen Zeitraum von bis zu 72 Stunden aufgezeichnet werden. Nachteil dieser Methode ist, dass der nicht saure Reflux nicht gemessen werden kann.
Medikamente vs. interventionelle endoskopische Therapie
Zur Therapie stehen auf medikamentöser Seite bei hyperkontraktilen Motilitätsstörungen des Ösophagus mehrere Optionen zur Verfügung. Diese reichen von Ca-Antagonisten, Nitraten, SSRI und PDE-5-Inhibitoren bis hin zu Pfefferminzöl. Leider führen sie nur selten zu einer ausreichenden Beschwerdeverbesserung, was in den meisten Fällen eine primär interventionelle Therapie rechtfertigt.
Bei der Achalasie stellen die pneumatische Ballondilatation des unteren Ösophagussphinkters oder eine perorale endoskopische Myotomie (POEM) die interventionellen endoskopischen Therapieformen der Wahl dar, von chirurgischer Seite ist noch die Myotomie nach Heller zu erwähnen. Botox-Instillationen in den unteren Ösophagussphinkter sollten multimorbiden Patienten mit hohem periinterventionellem Risiko vorbehalten bleiben, da diese Therapieform nur einen zeitlich begrenzten Effekt aufweist. Beim „Jackhammer“-Ösophagus konnten mit dem POEM-Verfahren ebenfalls gute Erfolge erzielt werden.
Auch bei hypokontraktilen Motilitätsstörungen ist eine medikamentöse Therapie (z.B. mit Domperidon oder off-label mit Prucaloprid) meistens nur mäßig wirksam. Umso wichtiger ist hier eine suffiziente Behandlung der häufig zugrunde liegenden Primärerkrankung (z.B. systemische Sklerose). Ergänzend können Verhaltensmaßnahmen wie gutes Kauen, eine aufrechte Sitzposition beim Essen oder auch eine Schlucktherapie eine Verbesserung bringen.
Bei benignen Stenosen des Ösophagus ist die interventionelle endoskopische Dilatation die Therapie der Wahl. Diese kann mittels führungsdrahtgestützter Bougies oder mit hydraulischen Ballons erfolgen. Die Dilatation in kleinen Schritten und in mehreren kurz aufeinanderfolgenden Sitzungen hat sich in Anbetracht des therapeutischen Erfolges und der geringen Komplikationsrate bewährt. Bei malignen Stenosen kann im palliativen Setting eine Stentversorgung angedacht werden.
Das Zenker-Divertikel, welches vor allem bei älteren Patienten eine Ursache für Dysphagie darstellt, kann mittels einer endoskopischen Durchtrennung des Divertikelstegs therapiert werden.
Entzündliche Erkrankungen des Ösophagus werden, falls sie auf dem Boden einer GERD entstanden sind, primär mit PPI behandelt, infektiös bedingte Erkrankungen mit den entsprechenden antiinfektiös wirkenden Substanzen (Antimykotika, Virostatika und Antibiotika).
Für die in letzter Zeit wahrscheinlich auch aufgrund zunehmenden Bekanntheitsgrades häufiger diagnostizierte eosinophile Ösophagitis steht uns seit zwei Jahren eine spezifische Therapie mittels der orodispersiblen Budesonid-Schmelztablette zur Verfügung. Diese Therapie hat eine sehr gute Wirksamkeit bei gutem Nebenwirkungsprofil und ist der topischen Steroidtherapie mittels geschluckter Inhalativa deutlich überlegen. Alternativ dazu gibt es diätetische Maßnahmen (6-FoodEliminationDiet), bei denen Weizen, Milch, Soja, Nüsse, Eier und Meeresfrüchte konsequent vermieden werden. Bei guter Compliance können auch hiermit Erfolge erzielt werden, aufgrund der erforderlichen umfangreichen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten ist die Umsetzung jedoch häufig schwierig. Eine dritte Behandlungsmöglichkeit ist die PPI-Therapie, wobei das Therapieansprechen hier nach einiger Zeit meistens deutlich nachlässt.
Literatur:
beim Verfasser