
Angeborene Dünndarmfehlbildung und deren Folge im Erwachsenenalter
Autor:
Dr. Philipp Alexander Pimingstorfer
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Kepler Universitätsklinikum Linz
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Eine Barrett-Metaplasie ist eine in Österreich häufig zu stellende Diagnose. Pathogenetisch spielen viele Faktoren von Kernelementen der westlichen Gesellschaft (Adipositas, Nikotinabusus, Alkoholkonsum) zusammen. Bei jungen Patienten ohne klassische Risikofaktoren sollte man jedoch aufmerksam bleiben und in Richtung sekundärer Ursachen abklären. Weiters ist das Wissen um die korrekte Surveillance und mögliche Therapiestrategien essenziell.
Keypoints
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Die offizielle Empfehlung einer Vorsorgegastroskopie wird aktuell diskutiert.
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Für eine adäquate Barrett-Surveillance benötigt man ein hochauflösendes Endoskop, virtuelle Chromoendoskopie und Chromoendoskopie mit Essigsäurefärbung.
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Neben den etablierten Indikationen zur ablativen Therapie sollte das Management des langstreckigen nichtdysplastischen Barrett-Ösophagus individualisiert sein.
Zuweisung zur Vorsorgegastroskopie
Im August 2020 wurde ein 23-Jähriger zur Vorsorgegastroskopie zugewiesen. Er war beschwerdefrei, in gutem Allgemeinzustand und athletisch gebaut. Sein Vater war rezent im Alter von 53 Jahren mit einem Adenokarzinom des Ösophagus (T2N0M0) in einer Barrett-Metaplasie diagnostiziert worden.
Die Datenlage bezüglich des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einer Vorsorgegastroskopie ist aktuell begrenzt. Es gibt einige etablierte Indikationen:
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positive Familienanamnese für Karzinome, 10 Lebensjahre vor deren Erstdiagnose
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jahrelange Refluxbeschwerden
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bekannter Barrett-Ösophagus
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bekannte Autoimmungastritis oder Atrophie/Metaplasie in Antrum und Korpus
In den Niederlanden wird seit einigen Jahren eine einmalige Gastroskopie zur Vorsorge im 60. Lebensjahr angeboten. In Österreich sehen einige Experten eine „Vorsorgegastroskopie light“ als sinnvoll an. Darunter wird die Durchführung einer Ösophagogastroduodenoskopie im Rahmen der ersten Vorsorgekoloskopie in derselben Sedierung verstanden. Ein offizielles Statement ist aber noch nicht ausgegeben.
Beim vorgestellten Patienten wurde die Gastroskopie zur Vorsorge durchgeführt. Dabei zeigte sich eine ausgeprägte Refluxösophagitis mit länglichen, nichtkonfluierenden Erosionen – dem Stadium Los Angeles B entsprechend. Außerdem zeigte sich ein langstreckiger zirkulärer Barrett-Ösophagus über eine Höhe von 9cm, der Klassifikation nach Prag C9M9 entsprechend. In der Barrett-Mukosa waren deutliche inflammatorische Veränderungen ersichtlich. Weiters zeigte sich das Duodenum deutlich distendiert – hier war gefahrlos eine Inversion des Endoskops möglich – und relevante Mengen an Speiseresten waren vorhanden (Abb. 1).Anhand dieser Befunde stellten wir die Verdachtsdiagnose einer Dünndarmobstruktion.
Barrett-Ösophagus-Surveillance
Um eine adäquate Überwachungsendoskopie beim Barrett-Ösophagus zu ermöglichen (mukosale und vaskuläre Läsionen sind in inflammatorischen Arealen nicht adäquat zu erkennen), erhielt der Patient eine Therapie mit hochdosierten Protonenpumpeninhibitoren für 8 Wochen.
Im Anschluss wurde eine erneute Gastroskopie mit virtueller Chromoendoskopie und Chromoendoskopie mit 3%-Essigsäurefärbung durchgeführt. Es zeigte sich keine sichtbare Läsion und in den Biopsien, welche nach dem Seattle-Protokoll entnommen wurden, fand sich auch histopathologisch kein Anhaltspunkt für eine Dysplasie.
Die Barrett-Metaplasie ist eine Präkanzerose mit einem Entartungsrisiko von etwa 0,3% pro Lebensjahr.1 Dieses Risiko korreliert jedoch mit der Länge der Barrett-Schleimhaut und dem Vorhandensein von Dysplasien („lowgrade“ oder „highgrade“), wodurch das Risiko deutlich erhöht wird. Die Diagnose ist erst zu stellen, wenn Zylinderepithel über einen Zentimeter oral der Magenfalten sichtbar und histologisch eine spezialisierte intestinale Metaplasie mit Becherzellen nachweisbar ist. Die einschlägigen Fachgesellschaften geben Leitlinien vor, in welchen Kontrollintervallen eine Surveillance-Gastroskopie empfohlen wird. So sollte jeder Barrett-Ösophagus ein Jahr nach Erstdiagnose kontrolliert werden. Nachfolgend orientiert sich das Intervall an der Länge des Barretts:
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1–3cm: alle 5 Jahre
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3–10cm: alle 3 Jahre
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>10cm: Betreuung in einem spezialisierten Zentrum
Im Rahmen der Surveillance soll nach sichtbaren Läsionen gesucht werden. Hierbei ist die virtuelle Chromoendoskopie nützlich, da hier die vaskuläre Anatomie besser sichtbar wird. Die Chromoendoskopie mit 3%-Essigsäure-Färbung ist ebenfalls ein zuverlässiges Hilfsmittel, da sich dysplastische Areale nicht weißlich anfärben, sondern rötlich bleiben. Beide Methoden wurden im Rahmen randomisierter Studien verglichen und waren gleichwertig.2
Abb. 2: CT mit Angiografie der Mesenterialgefäße und oraler Kontrastierung: filiforme, etwa 4cm lange Stenose des Duodenums am Durchtritt zwischen Aorta abdominalis und Arteria mesenterica superior
Relevanz der Dünndarmobstruktion
Zur weiteren Abklärung der suspizierten Dünndarmobstruktion wurde eine Magnetresonanztomografie-Enterografie durchgeführt. In dieser zeigte sich das Duodenum erweitert sowie ein Kalibersprung auf Höhe der Mesenterialwurzel. Im weiteren Verlauf des Dünndarms waren keine weiteren Pathologien ersichtlich. Weil die Magnetresonanztomografie ohne Angiografie erfolgte, konnte keine Aussage über Gefäßbeziehungen getroffen werden. Daher wurde eine Computertomografie mit Angiografie der Mesenterialgefäße und oraler Kontrastierung mit Gastrografin ergänzt (Abb. 2). Es fand sich eine filiforme, etwa 4cm lange Stenose des Duodenums am Durchtritt zwischen Aorta abdominalis und Arteria mesenterica superior (AMS). Der Abgangswinkel der AMS aus der Aorta betrug 32°, sodass die Differenzialdiagnose eines Wilkie-Syndroms in Betracht gezogen wurde.
Es wurde die Indikation zur explorativen Laparotomie gestellt, diese wurde von einem erfahrenen Viszeralchirurgen gemeinsam mit einem Kinderchirurgen durchgeführt. Intraoperativ zeigte sich das Duodenum beim Durchtritt zwischen AMS und Aorta abdominalis fibrotisch verändert mit deutlich reduzierter Lumenweite. Es wurde die OP-Diagnose einer inkompletten Duodenalatresie gestellt. Der Patient erhielt eine Seit-zu-Seit-Duodenojejunostomie als Bypass um die Stenose ohne Dünndarmteilresektion. Der weitere postoperative Verlauf war komplikationslos.
Vollständige Duodenalatresien haben eine Prävalenz von 1:10000 Lebendgeburten und werden nach drei Subtypen unterschieden.3 Diese werden in den ersten Lebenstagen akut symptomatisch. Epidemiologische Daten zu inkompletten Duodenalatresien sind nicht vorhanden. In 30% der Fälle sind die Patienten von weiteren Fehlbildungen (Herz, Niere) oder einer Trisomie 21 betroffen, die anderen Fälle treten sporadisch auf.4
Ablationstherapie desBarrett-Ösophagus
Unter dem Gesichtspunkt eines galligen Refluxes aufgrund einer inkompletten Duodenalatresie mit langstreckigem Barrett-Ösophagus bei einem 23-jährigen Patienten stellte sich die Frage nach der Indikation zur Ablation der Barrett-Schleimhaut. Das Risiko für eine maligne Transformation eines knapp zehn Zentimeter langen Barrett-Ösophagus ist in etwa so hoch einzuschätzen wie das bei einem kurzstreckigen Barrett-Ösophagus mit „Lowgrade“-Dysplasie.5,6 Letztgenannter stellt eine klare Indikation zur Radiofrequenzablation oder endoskopischen Mukosaresektion bei sichtbarer Läsion dar.7
Zur postoperativen Evaluierung, ob der zugrundeliegende Reflux durch den chirurgischen Eingriff behoben war, wurde der Patient zur 24-Stunden-pH-Impedanz-Messung wiederbestellt. Es konnte hierbei kein klinisch relevanter Reflux nachgewiesen werden. In der High-Resolution-Manometrie des Ösophagus fand sich ebenso ein Normalbefund.
Aufgrund des jungen Alters des Patienten und der Tatsache, dass die Refluxproblematik wegen einer nun operativ versorgten angeborenen Fehlbildung entstanden war, wurde die Indikation zur Radiofrequenzablation des nichtdysplastischen, aber langstreckigen Barrett-Ösophagus gestellt. Diese erfolgte mit dem etablierten Ballon-Katheter-System in einer Sitzung. Die Verlaufskontrolle, ob die Eradikationstherapie erfolgreich war, ist aktuell noch ausständig.
Literatur:
1 Desai TK et al.: The incidence of oesophageal adenocarcinoma in non-dysplastic Barrett’s oesophagus: a meta-analysis. Gut 2012; 61: 970-9 2 Pohl J et al.: Comparison of computed virtual chromoendoscopy and conventional chromoendoscopy with acetic acid for detection of neoplasia in Barrett’s esophagus. Endoscopy 2007; 39(7): 594-8 3 Best KE et al.: Epidemiology of small intestinalatresia in Europe: a register-based study. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2012; 97(5): 353-8 4 Bethell GS et al.: BAPS-CASS. Congenital duodenal obstruction in the UK: a population-based study. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed2020; 105(2): 178-83 5 Duits LC et al.: Barrett’s oesophagus patients with low-grade dysplasia can be accurately risk-stratified after histological review by an expert pathology panel. Gut 2015; 64: 700-6 6 Pohl H et al.: Length of Barrett’s oesophagus and cancer risk: implications from a large sample of patients with early oesophageal adenocarcinoma. Gut 2016; 65: 196-201 7 Weusten B et al.: Endoscopic management of Barrett’s esophagus: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Position Statement. Endoscopy 2017; 49(2): 191-8