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Gynäkologische Karzinome

Zeitenwende bei der Therapie gynäkologischer Tumoren

Im vergangenen Jahr wurden bei den internationalen Krebskongressen wieder zahlreiche Studienergebnisse präsentiert, die als praxisverändernd angesehen werden können. Vor allem beim Zervixkarzinom kann man schon fast von einer Zeitenwende sprechen. Es folgt ein kurzer Überblick über die aus meiner Sicht wichtigsten Studien.

Frühes Zervixkarzinom

Jahrzehntelang galt die radikale Hysterektomie mit pelviner/paraaortaler Lymphonodektomie als operativer Standard für Patientinnen mit frühem, operablem Zervixkarzinom und abgeschlossener Familienplanung. Beim ASCO-Kongress 2023 wurde die internationale Phase-III-Studie SHAPE vorgestellt.1 Diese Non-Inferiority-Studie sollte die Frage klären, ob in einer Niedrigrisikosituation eine onkologisch sichere Deeskalation der operativen Therapie möglich ist. Eingeschlossen waren 700 Patientinnen mit Zervixkarzinomen der Stadien IA2 oder IB1, Grad 1–3, mit Läsionen ≤2cm. Die Randomisierung erfolgte entweder in eine Gruppe mit pelviner Lymphonodektomie und radikaler Hysterektomie oder in eine Gruppe mit pelviner Lymphonodektomie und einfacher Hysterektomie.

Nach drei Jahren war die „pelvic recurrence rate“ mit einfacher Hysterektomie der radikalen Hysterektomie nicht unterlegen (2,52% vs. 2,17%). Auch das extrapelvine rezidivfreie Überleben und das Gesamtüberleben (OS) waren in beiden Gruppen vergleichbar. Wie zu erwarten, traten in der Gruppe mit einfacher Hysterektomie durch den Verzicht auf die Parametrienresektion weniger urologische Probleme auf und im Vergleich konnte eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.

Da die Vollpublikation noch aussteht, werden die Ergebnisse der SHAPE-Studie auf Leitlinienebene noch nicht diskutiert. Es wird jedoch erwartet, dass sich hieraus ein neuer Standard entwickelt. Zum jetzigen Zeitpunkt kann eine einfache Hysterektomie in der Niedrigrisikosituation mit der Patientin nach entsprechender Risikoaufklärung im Einzelfall diskutiert werden.2

Tab. 1: Relevante Studien 2023 zum Zervixkarzinom

Fortgeschrittenes Zervixkarzinom: zwei positive Phase-III-Studien

Die Primärtherapie beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom hat sich seit 1999 nicht verändert, obwohl das lokal fortgeschrittene Hochrisiko-Zervixkarzinom eine schlechte Prognose hat und die meisten Patientinnen innerhalb von zwei Jahren rezidivieren. Standard ist die kombinierte Radio-Chemotherapie. Beim ESMO-Kongress 2023 wurden zwei Studien präsentiert, die eine Verlängerung im progressionsfreien Überleben (PFS) beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom zeigen. McCormack berichtete über die Ergebnisse der Studie GCIG INTERLACE.3 Verglichen wurde eine sechswöchige Induktionschemotherapie mit Paclitaxel und Carboplatin inklusive nachfolgender Standardchemotherapie mit einer alleinigen Radio-Chemotherapie. In die Studie eingeschlossen waren 500 Frauen der FIGO-Stadien IB1, IB2, II, IIIB und IVA. Durch das Voranstellen der Induktionstherapie lag die 5-Jahres-PFS-Rate in dieser Gruppe bei 73%, bei alleiniger Radio-Chemotherapie bei 64%. Das OS betrug 80% bzw. 72%. Diese Ergebnisse sind ermutigend. Bei der Bewertung der Studienergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass 58% der teilnehmenden Patientinnen negative Lymphknotenbefunde aufwiesen.

Die zweite Studie ist KEYNOTE A-18. Eingeschlossen wurden Zervixkarzinom-patientinnen der FIGO-Stadien IB2–IIB mit Nodalpositivität und Patientinnen der FIGO-Stadien III–IVA mit oder ohne Lymphknotenbefall und ohne Vortherapie. Untersucht wurde Pembrolizumab in Kombination mit einer perkutanen Strahlentherapie und simultaner Chemotherapie, gefolgt von Brachytherapie und einer Erhaltungstherapie mit Pembrolizumab. Nach 24 Monaten zeigte sich im Pembrolizumab-Arm eine statistisch signifikante Verbesserung in der PFS-Rate, dem primären Endpunkt der Studie: 67,8% vs. 57,3% (HR 0,70; 95% CI: 0,55–0,89, p=0,0020). Das mediane Follow-up lag bei 17,9 Monaten. Die OS-Daten waren zum Zeitpunkt dieser Interimsanalyse noch unreif. Die FDA-Zulassung für Pembrolizumab in dieser Indikation folgte bereits im Jänner 2024.

Metastasiertes Zervixkarzinom

Beim metastasierten Zervixkarzinom ist die Kombination aus Carboplatin und Paclitaxel der Chemotherapie-Backbone in der First-Line-Therapie (OS 12,9 Monate). In der Studie GOG 240 wurde 2014 Bevacizumab hinzugefügt, was das OS auf 17,5 Monate verlängerte.5 Beim ASCO-Kongress 2023 wurden die finalen Ergebnisse der Studie KEYNOTE-826 nach einem medianen Follow-up von 39,1 Monaten präsentiert.6 Die Hinzunahme von Pembrolizumab konnte das OS und das PFS signifikant verlängern, unabhängig von der Bevacizumab-Gabe. In der Gruppe mit einem PD-L1-positiven Zervixkarzinom, „combined positive score“ (CPS) ≥1, lag das mediane OS bei 28,6 Monaten und mit einem CPS ≥10 bei 29,6 Monaten. In der Gruppe der „all-comer“ (alle potenziell Betroffenen) lag das mediane OS bei 26,4 Monaten. Diese Daten untermauern den neuen Standard in der First-Line-Therapie beim metastasierten Zervixkarzinom.

Fortgeschrittenes bzw. rezidiviertes Endometriumkarzinom

Beim Endometriumkarzinom ging es 2023 um die Frage, welche Rolle Immuncheckpoint-Inhibitoren bei der Erstlinientherapie in der fortgeschrittenen bzw. rezidivierten Situation spielen. Die Resultate der Studien RUBY7 und NRG-GY0188 wurden beim SGO-Kongress vorgestellt und im Juni 2023 im New England Journal of Medicine publiziert. Im experimentellen Arm wurden Dostarlimab oder Pembrolizumab zur Standardchemotherapie hinzugenommen, anschließend erfolgte eine Erhaltungstherapie mit der jeweiligen Substanz. Beide Studien zeigten statisch signifikante Verlängerungen des PFS.

In der 12-Monats-Analyse von NRG-GYO18 betrug das PFS in der Kohorte mit defektem Mismatch-Reparatur-System (dMMR) 74% mit Pembrolizumab versus 38% im Placebo-Arm. In Teil I der RUBY-Studie zeigte sich nach einem medianen Follow-up von 24 Monaten und nach MSI-Status getrennter Auswertung, dass Patientinnen mit dMMR/MSI-H eine PFS-Rate von 61,4% im Dostarlimab-Arm und von 15,7% im Placebo-Arm aufwiesen. In der Kohorte mit profizienter MMR (pMMR) war das mediane PFS 13,1 Monate mit Pembrolizumab und 8,7 Monate mit Placebo. Der positive Trend setzte sich beim OS fort. Im Dezember 2023 erhielt Dostarlimab durch die EMA die Zulassungserweiterung für dMMR/MSI-H-Patientinnen. Laufende Studien klären die Frage, ob man in bestimmten Patientinnengruppen in Zukunft sogar auf Chemotherapie verzichten kann.

Die Ergebnisse der Studien AtTend (Hinzunahme von Atezolizumab)9 und Duo-E (Hinzunahme von Durvalumab)10 wurden ebenfalls 2023 publiziert und zeigen konsistente Ergebnisse.

Ovarialkarzinom: Immuntherapie und Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Die DUO-O-Studie11 ist die erste Phase-III-Studie mit einer Immuntherapie in Kombination mit einem PARP-Inhibitor, welche den primären Endpunkt in der First-Line-Therapie beim Ovarialkarzinom erreicht hat. Allerdings müssen finale Analysen abgewartet werden, um den gesamten klinischen Nutzen richtig beurteilen zu können. Die Erhaltung im Triplet mit Bevacizumab plus Olaparib und Durvalumab erzielte ein längeres PFS als die Erhaltung mit Bevacizumab-Monotherapie in der First-Line-Therapie fortgeschrittener Ovarialkarzinome ohne BRCA-Mutationen, so die Autoren beim ASCO-Kongress 2023. Leider erlaubte das Design der Studie nicht, den individuellen Nutzen der einzelnen Substanzen Durvalumab und Olaparib zu identifizieren. Zudem wurden beträchtliche Toxizitäten in der Dreierkombination beschrieben.

Patientinnen mit einem besonders hohen Medical Need sind solche mit einem platinresistenten Ovarialkarzinom und ein bis drei Vortherapien. Monochemotherapien haben dann nur mehr beschränkte Wirkung. Hoffnung für diese Patientinnen gibt MIRASOL, eine Phase-III-Studie, vorgestellt beim ASCO-Kongress 2023. Sie zeigte, dass Mirvetuximab-Soravtansine das PFS und OS von Patientinnen mit fortgeschrittenen platinresistenten serösen High-Grade-Ovarialkarzinomen, -Peritoneal- und -Tubenkarzinomen, die Folat alpha exprimieren, signifikant verlängert.12 In die NCCN-Guidelines von 2023 hat Mirvetuximab-Soravtansine bereits Einzug gehalten. Es ist sicher eine Substanz, von der wir noch mehr hören werden. Sie wird aktuell in der platinsensiblen Situation untersucht sowie in der Erhaltung mit Bevacizumab (PICCOLO- und GLORIOSA-Studie).

Eine interessante Option: tumoragnostische Therapieansätze

Das vom Mammakarzinom bekannte Trastuzumab-Deruxtecan zeigte in einer Interimsanalyse von DESTINY-PanTumor02, einer Phase-II-Studie, bei HER2-exprimierenden Zervix-, Ovarial- und Endometriumkarzinomen bemerkenswerte objektive Responseraten (ORR) von 50%.13

Abb. 1: Ergebnisse der Studie DESTINY-PanTumor02 (modifiziert nach Meric-Bernstam F et al.)13

1 Plante M et al.: An international randomized phase III trial comparing radical hysterectomy and pelvic node dissection vs simple hysterectomy and pelvic node dissection in patients with low-risk early-stage cervical cancer. A Gynecologic Cancer Intergroup study led by the Canadian Cancer Trials Group. NCT01658930, ASCO 2023 2 Fehm T: Statement of the Uterus Commission of the Gynecological Oncology Working Group (AGO) on surgical therapy for patients with stage IA2–IIB1 cervical cancer. Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(10): 1199-204 3 McCormack M et al.: A randomised phase III trial of induction chemotherapy followed by chemoradiation compared with chemoradiation alone in locally advanced cervical cancer. The GCIG INTERLACE trial. ESMO Congress 2023; Abstr.#LBA8 4 Lorusso D et al.: ENGOT-cx11/KEYNOTE-A18: A phase III, randomized, double-blind study of pembrolizumab with chemoradiotherapy in patients with high-risk locally advanced cervical cancer. J Clin Oncol 2020; 38(Suppl. 15): https://doi.org/10.1200/JCO.2020.38.15_suppl.TPS6096 5 Krishnansu S et al.: Improved survival with bevacizumab in advanced cervical cancer. N Engl J Med 2014; 370(8): 734-43 6 Monk BJ et al.: KEYNOTE-826 Investigators. First-line pembrolizumab + chemotherapy versus placebo + chemotherapy for persistent, recurrent, or metastatic cervical cancer: final overall survival results of KEYNOTE-826. JClin Oncol 2023; 41(36): 5505-11 7 Mirza MR et al.: Dostarlimab for primary advanced or recurrent endometrial cancer. N Engl J Med 2023; 388(23): 2145-58 8 Eskander RN et al.: Pembrolizumab plus chemotherapy in advanced endometrial cancer. N Engl J Med 2023; 388(23): 2159-70 9 Colombo N et al.: Phase III double-blind randomized placebo controlled trial of atezolizumab in combination with carboplatin and paclitaxel in women with advanced/recurrent endometrial carcinoma. Annals of Oncology 2023; 34(Suppl. 2): S1254-335 10 Shannon N et al.: Durvalumab plus carboplatin/paclitaxel followed by maintenance durvalumab with or without olaparib as first-line treatment for advanced endometrial cancer: the phase III DUO-E trial. J Clin Oncol 2023; 42(3): 283-99 11 Harter P et al.: Durvalumab with paclitaxel/carboplatin (PC) and bevacizumab (bev), followed by maintenance durvalumab, bev, and olaparib in patients (pts) with newly diagnosed advanced ovarian cancer (AOC) without a tumor BRCA1/2 mutation (non-tBRCAm): results from the randomized, placebo (pbo)-controlled phase III DUO-O trial. J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 17): Abstr. #LBA5506 12 Moore KN et al.: Phase III MIRASOL (GOG 3045/ENGOT-ov55) study: initial report of mirvetuximab soravtansine vs. investigator‘s choice of chemotherapy in platinum-resistant, advanced high-grade epithelial ovarian, primary peritoneal, or fallopian tube cancers with high folate receptor-alpha expression. J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 17): Abstr. #LBA5507 13 Meric-Bernstam F: Efficacy and safety of trastuzumab deruxtecan (T-DXd) in patients (pts) with HER2-expressing solid tumors: DESTINY-PanTumor02 (DP-02) interim results. J Clin Oncol 2023; 41 (Suppl. 17): Abstr. #LBA3000

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