Wirksamkeitsnachweis von Medizinprodukten
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Lars-Peter Kamolz, MSc1, 2
1 Klinische Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Universitätsklinik für Chirurgie, Medizinische Universität Graz
2 COREMED – Kooperatives Zentrum für Regenerative Medizin, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, Graz
E-Mail: lars.kamolz@medunigraz.at
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Sie werden eingesetzt, um Patienten zu heilen oder die Behandlung zu unterstützen. Es gibt darunter Produkte wie ein einfaches Pflaster; es gibt aber auch Medizinprodukte, die deutlich „invasiver“ sind wie etwa Implantate, die in den Körper eingebracht werden und darin auch lange „verweilen“ sollen. Die neue gesetzliche Grundlage soll mehr Sicherheit mit sich bringen. Sie bringt aber auch neue Anforderungen mit sich.
Für alle Medizinprodukte, vom einfachsten Pflaster bis zum komplexen Großgerät wie einem CT, müssen deren Hersteller schon seit Langem gesetzliche Vorgaben erfüllen. In Österreich sind/waren die Details gesetzlich geregelt. Dies wiederum setzte europäische Vorgaben um, die in der „Medical Device Directive“ (MDD) zusammengefasst waren.
Was die MDD-Richtlinie vorschreibt bzw. vorschrieb, haben bisher alle Mitgliedsländer der Europäischen Union in nationale Gesetze gegossen. Darin ist unter anderem beschrieben, dass ein Medizinprodukt, das in der EU in Verkehr gebracht wird, bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss. Welche das im Einzelnen sind, hing und hängt davon ab, welche potenziellen Risiken vom Produkt ausgehen bzw. wie „invasiv“ es ist. Oder einfacher gesagt: je komplexer das Produkt, desto detaillierter die Vorgaben. Dieser Grundsatz gilt auch für die neue „Medical Device Regulation“, die die MDD abgelöst hat.
„Medical Device Regulation“ (MDR)1
Ein Medizinprodukteskandal machte weltweit Schlagzeilen: Ein Hersteller hatte Werkstoffe für Brustimplantate verwendet, die nicht für die Anwendung in Medizinprodukten zugelassen waren. In der Folge hatten zahlreiche Patientinnen gesundheitliche Probleme.
Damit war die Frage aufgeworfen, ob die gesetzlichen Regelungen für Medizinprodukte streng genug seien. Die Politik hatte diese Frage damals klar mit „Nein“ beantwortet; damit kam der Prozess einer strengeren Gesetzgebung mit mehr Kontrollmöglichkeiten und mehr Dokumentationspflichten für die Hersteller in Gang.
Das Ziel war bzw. ist es, mit der neuen Gesetzgebung – der MDR – mehr Patientensicherheit zu erreichen. Außerdem sollte sie nicht als Richtlinie in jedem Land in nationales Recht umgesetzt werden, sondern als Verordnung unmittelbar für jedes Land Gültigkeit haben.
Nach vielen vorbereitenden Diskussionen fand der entscheidende Schritt zur „Medical Device Regulation“, der Verordnung (EU) 2017/745, 2017 statt: Am 5. Mai 2017 wurde die EU-MDR veröffentlicht, am 25. Mai 2017 trat sie in Kraft – gleichzeitig übrigens mit der Verordnung zu In-vitro-Diagnostika (IVDR).
Um den Herstellern ausreichend Zeit zu geben, die Neuerungen umzusetzen, wurden Übergangsfristen festgelegt. Diese sollten am 25. Mai 2020 enden, sodass ab dem 26. Mai 2020 die Anforderungen der MDR zu erfüllen gewesen wären.
Doch seit 2017 gab es eine Reihe von Veränderungen. Die am weitesten reichende war die Entscheidung, angesichts der kurz vor dem Geltungstermin hereinbrechenden Coronavirus-Pandemie den Geltungsbeginn – grob gesagt – um ein Jahr auf Mai 2021 zu verschieben.
Folgen der „Medical Device Regulation“
Die MDR ist ein umfangreiches gesetzliches Regelwerk; darin beschrieben sind „Veränderungen“, die alle Medizinprodukte betreffen. Sie beinhaltet aber auch andere Anforderungen, unter anderem auch eine Neuaufstellung der Benannten Stellen.
Benannte Stellen, UDI2 und EUDAMED3
Die EU-MDR erfordert, dass Institutionen, die Medizinprodukte als Benannte Stelle zu prüfen haben, neu bewertet werden. Faktisch heißt das, dass jede der unter der MDD aktiven Benannten Stellen sich neu aufstellen muss und die angebotenen Dienstleistungen bewerten lassen muss, um weiterhin als „Notified Body“ (NB) tätig sein zu können. Dieser Prozess begann 2017; bis Anfang 2019 (rund ein Jahr vor Ablauf der geplanten Übergangsfristen) gab es nahezu oder gar keine Benannten Stellen, die ihre Funktion gemäß EU-MDR ausüben durften. In Österreich haben 1–2 „Firmen“ die „Zulassung“ als Benannte Stelle beantragt.
Das Problem, das sich daraus für die Hersteller von Medizinprodukten ergab bzw. ergibt, hatte zwei Hauptaspekte: Zum einen waren und sind Mitarbeiter knapp, die sich mit den neuen gesetzlichen Vorgaben auskannten. Zum anderen sieht sich selbst das Personal bei den Benannten Stellen einem Berg von Arbeit gegenüber. Denn nach Ablauf der Fristen müssen alle Medizinprodukte gemäß der EU-MDR in Verkehr gebracht werden – d.h. also auch bewährte Produkte müssen neu bewertet werden. Und da sich für eine Reihe von Produkten die Zuordnung zur Risikoklasse ändert, sie also höher eingestuft werden, gibt es mehr Produkte, die einer Benannten Stelle vorgelegt werden müssen.
Zusammen mit der EU-MDR soll aber auch ein weltweites System der Medizinproduktekennzeichnung eingeführt werden. Die Idee dahinter: Jedes Produkt trägt eine unverwechselbare Kennzeichnung – als Produkt selbst, auf seiner Verpackung und auch auf der nächsten Verpackungsebene. Sollten zum Beispiel Probleme mit einem Implantat aus einer bestimmten Fertigungscharge auftauchen, wäre es mit diesem System einfach möglich, alle betroffenen Patienten ausfindig zu machen. Die gängige Bezeichnung für das System ist „Unique Device Identification“ (UDI).
Unique Device Identification (UDI)2
Die einmalige Produktkennung (UDI) ist ein eindeutiger numerischer oder alphanumerischer Code für ein Medizinprodukt. Er ermöglicht eine klare und eindeutige Identifizierung spezifischer, auf dem Markt befindlicher Produkte und erleichtert deren Rückverfolgbarkeit. Die UDI umfasst folgende Komponenten:
-
eine einmalige Produktkennung (Device Identifier – UDI-DI)
-
eine Herstellungskennung (Production Identifier – UDI-PI)
Diese Komponenten bieten Zugang zu nützlichen Informationen über das Produkt. Die Besonderheit der UDI
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macht die Rückverfolgbarkeit von Produkten effizienter,
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vereinfacht den Rückruf von Medizinprodukten,
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bekämpft Fälschungen,
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verbessert die Patientensicherheit.
Bei der UDI handelt es sich um eine Ergänzung, nicht um einen Ersatz für die bestehenden Kennzeichnungsvorschriften für Medizinprodukte.
Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED)3
Mit den neuen Verordnungen über Medizinprodukte wird das System der Identifizierung durch einmalige Produktkennung (UDI) eingeführt. Die Europäische Datenbank für Medizinprodukte ist eine von der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten betriebene Datenbank zur zentralen Verwaltung von Medizinprodukten.
EUDAMED ist das von der Europäischen Kommission entwickelte IT-System zur Umsetzung der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte und der Verordnung (EU) 2017/746 über Medizinprodukte für die In-vitro-Diagnostik. Die neuen Verordnungen enthalten wichtige Verbesserungen, darunter eine viel größere EUDAMED-Datenbank als die, die derzeit gemäß den Medizinprodukte-Richtlinien (EUDAMED2) existiert.
EUDAMED hat zum Ziel, die Transparenz und Koordinierung von Informationen über auf dem EU-Markt erhältliche Medizinprodukte zu verbessern.
EUDAMED besteht aus 6 miteinander verbundenen Modulen und einer öffentlichen Website:
-
Registrierung
-
UDI/Geräteregistrierung
-
Benannte Stellen und Zertifikate
-
Klinische Untersuchungen und Leistungsstudien
-
Wachsamkeit und Überwachung nach dem Inverkehrbringen
-
Marktüberwachung
Wie ist der Stand der Umsetzung von EUDAMED?3
Die Entwicklung und Umsetzung von EUDAMED haben für die Kommission hohe Priorität und das Modul zur Registrierung ist seit Dezember 2020 verfügbar.
Das Modul UDI/Geräteregistrierung (zweites Modul) und das Modul Zertifikate und Benannte Stellen (drittes Modul) werden im September 2021 verfügbar sein, mit Ausnahme der Funktionalitäten für den Kontrollmechanismus und das Konsultationsverfahren zur klinischen Bewertung (CECP). Danach werden die übrigen Module sowie der Kontrollmechanismus und das CECP freigegeben, wenn EUDAMED voll funktionsfähig ist.
Zusammenfassung
Die neue gesetzliche Grundlage für den Wirksamkeitsnachweis von Medizinprodukten (MDR) hat sich klar zum Ziel gesetzt, mehr Patientensicherheit mit sich zu bringen. Gleichzeitig stehen alle Hersteller vor der Herausforderung, die gestiegenen Anforderungen zu bewältigen bzw. zu erfüllen, um zukünftig die kontinuierliche Versorgung mit innovativer und sicherer Medizintechnik gewährleisten zu können. Auch die vorhandenen Benannten Stellen müssen die Voraussetzungen und ausreichende Kapazitäten für das Konformitätsbewertungsverfahren schaffen.
Literatur:
1 Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017R0745&from=EN 2 Europäische Kommission: Medical devices - topics of interest. https://ec.europa.eu/health/md_topics-interest/unique_device_identifier_de 3 Europäische Kommision: Medical devices - EUDAMED. https://ec.europa.eu/health/md_eudamed/overview_de
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