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Ein Wiener Herzensprojekt

„So können es junge Kollegen aus kleinen Abteilungen weit bringen“

Hietzing, Ottakring, Landstraße, Donaustadt: Der Wiener Dermatologietag bietet traditionell jungen Ärztinnen und Ärzten dieser dermatologischen Abteilungen eine Bühne. Ins Leben gerufen wurde er von Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger, der für uns ein Resümee der Veranstaltung – und der letzten Jahrzehnte österreichischer Dermatologie – zieht.

Wir sind auf halbem Weg zwischen dem letzten und dem nächsten Wiener Dermatologietag. Wie haben Sie denn die jüngste Veranstaltung in Erinnerung?

K. Rappersberger: Die war wirklich ein voller Erfolg. Mit über 150 Teilnehmern war es der bestbesuchte Dermatologietag, den wir bisher veranstaltet haben. Für mich war er auch deshalb etwas Besonderes, weil wir zum ersten Mal in den Räumlichkeiten der Sigmund Freud Privatuniversität zusammengekommen sind, an der ich auch in der Lehre tätig bin. So waren viele Studierende unter den Teilnehmern, was mich sehr gefreut hat. Außerdem konnten wir wieder eine Reihe wirklich herausragender Vorträge bieten. Ich habe viele internationale Redner überzeugt, am Dermatologietag vorzutragen, und auch die österreichische Ärzteschaft war gut vertreten. Für mich persönlich war es eine besondere Freude zu sehen, auf welch hohem Niveau unsere Wiener Ober- und Assistenzärztinnen und -ärzte hier aufgetreten sind.

Den inhaltlichen Schwerpunkt der Veranstaltung haben Sie auf die Dermatoonkologie und -immunologie gelegt. Wie kam es zu der Wahl?

K. Rappersberger: Ganz einfach dadurch, dass diese Bereiche im Wesentlichen das Kerngeschäft der Dermatologie ausmachen, insbesondere die Onkologie und hier natürlich das Melanom. Bei diesen Themen wollen wir Dermatologen weiterhin die Nummer eins sein. Gerade das Melanom ist eine Domäne der Dermatologie – klinisch und wissenschaftlich – und das gilt es zu unterstreichen. Außerdem ist es uns gelungen, andere Indikationen aus diesem Bereich aufs Tapet zu bringen, die die niedergelassenen Ärzte und den Nachwuchs angesprochen haben, zum Beispiel die Adnextumoren.

Mein eigenes wissenschaftliches Interesse liegt aber eher im zweiten Bereich, der Immunologie. Mit immunologisch mediierten Erkrankungen habe ich meine wissenschaftliche Karriere bestritten, deshalb kenne ich mich in diesem Bereich besonders gut aus. Außerdem kann man, denke ich, schon sagen, dass die allermeisten der wirklich interessanten Dermatosen einen immunologischen Hintergrund haben, vielleicht mit Ausnahme einiger Genodermatosen oder Orphan Diseases.

Sie veranstalten den Dermatologietag nun schon seit 2014. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

K. Rappersberger: Das ist ein wirkliches Herzensprojekt von mir. Die Idee für den Wiener Dermatologietag hatte ich vor allem aus zwei Gründen. Erstens wollte ich eine praxisnahe und wissenschaftlich fundierte Fortbildungsveranstaltung organisieren, die sich besonders den Interessen der Auszubildenden und Zuweiser meiner Abteilung in der damaligen Rudolfstiftung, heute Klinik Landstraße, widmet.

Das zweite Ziel war und ist auch weiterhin, finanzielle Mittel zu akquirieren, um den Nachwuchs in Österreich bestmöglich zu unterstützen. Auch das konnten wir mit jeder der bisherigen Veranstaltungen erreichen, indem wir mit den Einnahmen jeweils einem jungen Kollegen einen Forschungsaufenthalt an der University of California San Francisco, kurz UCSF, ermöglicht haben. So kann es auch der Nachwuchs aus vergleichsweise kleinen Abteilungen weit bringen.

Welche Kollegen durften diese Erfahrung bisher machen?

K. Rappersberger: Mit den Einnahmen des ersten Dermatologietages haben wir den heutigen Primarius der Klinik Hietzing in Wien, PD Dr. Christian Posch, unterstützt. Die Einnahmen der weiteren Jahre wurden ebenfalls ausgezeichneten jungen Ärzten gewidmet, unter anderem dem heutigen Professor Dr. Igor Vujic, der mit der Leitung der Dermatologie an der Danube University in Krems beauftragt wurde. Der letzte Kandidat war Dr. Valentin Feichtenschlager, der immer noch in den USA ist. Ich hoffe, dass er eines Tages nach Österreich zurückkehrt.

Können Sie uns schon verraten, wer als nächstes an die UCSF reisen darf?

K. Rappersberger: Wir haben bereits eine Kandidatin ausgewählt, die sich im vergangenen Jahr als am besten geeignet erwiesen hat, um diesen Forschungsaufenthalt zu absolvieren. Es freut mich besonders, dass wir mit den Einnahmen des Dermatologietages nun erstmals einer Frau diese Gelegenheit bieten können. Wer es genau wird, verrate ich an dieser Stelle aber noch nicht.

Traditionell ist die österreichische Dermatologie international hoch angesehen. Wird sie diesem Anspruch auch weiterhin gerecht werden?

K. Rappersberger: Ja, das glaube ich schon. Für mich persönlich war die Zeit von Univ.-Prof. Dr. Klaus Wolff mit dem Team der Dermatologie aus den Achtziger- und Neunzigerjahren am beeindruckendsten. Die Liste der großen Namen aus dieser Zeit ist lang und darunter finden sich viele Persönlichkeiten, die auch für mich Vorbilder waren. Wir Jungen haben sehr davon profitiert, diese unglaubliche Zeit miterleben zu dürfen. Damals hat die österreichische Dermatologie in allen Ligen mitgespielt, von der Photobiologie über die Retinoide und die Histopathologie bis zur Immunologie. Es möge mir niemand übel nehmen, aber ich denke, im Augenblick haben wir solche Persönlichkeiten wie damals, die diese ganz besondere Strahlkraft mitbringen, in Österreich nicht.

Woran kann das liegen?

K. Rappersberger: Die Zeit von Wolff und Co war die beste Gelegenheit, um etwas Herausragendes zu gestalten. Das ist heute ein wenig anders. Ich selbst habe in meinen mittlerweile 23 Jahren als Vorstand sowohl eine Zeit der gestalterischen Freiheit erlebt als auch den zunehmenden Verlust dieser Möglichkeiten. Unter anderem, weil der Druck auf die Klinikvorstände und Abteilungsleiter politisch und vonseiten der Krankenhausträger ungleich größer geworden ist. Und es liegt auch daran, dass die übergeordneten Organe nicht mehr funktionieren. Das System, wie wir es kennen, ist an seine Grenzen gekommen. Das zeigt sich im Willen der Beteiligten, in den Schwierigkeiten bei Finanzierungsfragen und nicht zuletzt auch bei der wissenschaftlichen Leistung, die wir hierzulande erzielen.

Wie beeinflusst das die Entwicklung der österreichischen Medizin?

K. Rappersberger: Ich bemerke einen beträchtlichen Qualitätsverlust und auch eine Demotivation auf allen Ebenen, sei es in den Leitungsstrukturen oder bei den Fachärzten. Der Grund ist in meinen Augen, dass Entfaltungsmöglichkeiten fehlen. Hier wäre ein Umdenken dringend erforderlich.

In welche Richtung?

K. Rappersberger: Wir müssen davon wegkommen, wirtschaftliche Interessen über alles andere zu stellen. Ein Versorgungsspital wird man nie profitabel führen können, auch wenn die Leitung natürlich versuchen sollte, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Letztlich sollten soziale und medizinische Aspekte bestimmend sein, nicht ökonomische.

Sehen Sie derzeit Bestrebungen zu einer solchen Veränderung?

K. Rappersberger: Nein, im Augenblick leider nicht. Ich gehöre noch zu der Generation, die sozusagen mit letzter Kraft versucht, die Dachbalken über uns allen aufrecht zu halten, bevor das ganze System kollabiert. Ich freue mich aber auch, das Feld jetzt den Jungen zu überlassen. Mir fällt immer wieder auf, dass die nächste Generation mit den aktuellen Vorgaben besser umgehen kann. Deshalb bin ich sicher, dass sie sich in dieser Aufgabe finden werden.

Was bedeutet das für Sie persönlich?

K. Rappersberger: Ich trete mit Ende März meinen Ruhestand an und werde mich dann anderen Aufgaben widmen: meiner Ordination, der Lehrtätigkeit an der Sigmund Freud Privatuniversität sowie meinen Aufgaben in der histopathologischen Befundung. Und schließlich habe ich auch eine Familie, die vierzig Jahre lang sehr geduldig mit mir war. Da habe ich besonders viel aufzuholen.

Was werden Sie am Klinikalltag vermissen?

K. Rappersberger: Auf jeden Fall die Morgenbesprechungen und die Chefvisiten. Aber auch die Vorbereitung von Fallberichten und Vorträgen wird mir fehlen. Oft haben mich Mitarbeiter vor Kongressen um Rat für ihre Präsentationen gebeten und ich hatte immer viel Spaß daran, sie dabei zu unterstützen.

Und wie wird es mit dem Wiener Dermatologietag weitergehen?

K. Rappersberger: Der soll jedenfalls weitergeführt werden! Christian Posch hat mir schon versprochen, dass er die Veranstaltung fortführt, und ich werde ihn wenn nötig an dieses Versprechen erinnern (lacht).

Wir danken für das Gespräch und wünschen viel Glück und Erholung im neuen Lebensabschnitt!
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