
Welche Relevanz hat Alkoholsucht in der Dermatologie?
Autoren:
Dr. Christine Prodinger+
Univ.-Prof. Dr. Martin Laimer, MSc+
Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek§
+Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg
§ Sigmund Freud Privat Universität Wien
Korrespondierende Autorin:
Dr. Christine Prodinger+
E-Mail: ch.prodinger@salk.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Chronischer Alkoholismus kann auf der Haut anhand wichtiger Stigmata abgelesen werden. Bekannte und weniger bekannte Veränderungen ermöglichen uns Dermatologen eine frühzeitige Diagnose, noch bevor Schädigungen an den inneren Organen evident geworden sind. Deshalb ist die Kenntnis der vielfältigen Hautveränderungen als diagnostischer Fingerzeig auf das Vorliegen eines chronischen Alkoholabusus wichtig.
Alkohol (auch Ethanol, Äthylalkohol) ist eine psychotrope Substanzgruppe, welche die Menschheit schon seit über 10000 Jahren begleitet und sich gesellschaftlich als Genussmittel etabliert hat. Die psychopharmakologischen Wirkungen von gegorenen Früchten oder Getreide sind auf dosisabhängige Veränderungen in der Neurotransmission zurückzuführen. Niedrige Dosierungen wirken euphorisierend, machen uns lustiger, tendenziell sympathischer, aber auch enthemmter, risikobereiter und unvernünftiger. Mit zunehmender Dosis steigt der anästhesierende Effekt (Gefühls-/Geruchsverlust – dieser Effekt kommt auch beim „Reparaturseiterl“ zum Tragen) und bei etwa einem Viertel aller Konsumenten tritt eine dysphorische Phase auf, mit Gereiztheit, Missstimmung und gesteigerter Aggressivität. In hoher Dosis oder bei chronischer Einnahme wirkt Alkohol schließlich depressionsgenerierend wie -fördernd, als wesentliche Ursache der hohen Burnout- und Suizidrate unter Alkoholkranken (15%).1-3
Vor allem die erste Phase ist es, die Alkohol als Suchtmittel so verführerisch macht und beim sogenannten „Wirkungstrinken“ im Vordergrund steht, wo im Unterschied zum „Genusstrinken“ der Geschmack eine untergeordnete Rolle spielt. Wirkungstrinken ist weit verbreitet und umfasst z.B. auch Afterwork-Drinks als Hilfsmittel, zum Abbau von Spannungen und Ängsten. Die Grenze zum problematischen Konsum, der schleichend, auch schneller als man denkt, bei Menschen jeglichen Alters und Gesellschaftsstatus auftreten kann, ist dabei fließend. Eine Toleranzentwicklung und eine damit einhergehende Steigerung der Dosis sowie der Kontrollverlust hinsichtlich Menge und Frequenz des Alkoholkonsums sind erste Zeichen für eine Abhängigkeit. Die Vulnerabilität zur Entwicklung einer Suchterkrankung weist zwar eine gewisse interindividuelle Variabilität auf, jeder aber der lange genug, genug viel Alkohol trinkt kann alkoholkrank werden.1,3
Harmlosigkeit – Gefährdung – Abhängigkeit
Die gesundheitliche Beeinträchtigung durch Alkoholkonsum wird häufig bagatellisiert. Alkoholkonsum und Folgekrankheiten erzeugen individuelle, familiäre und psychosoziale Tragödien, basierend auf der schädigenden Wirkung von Alkohol auf alle Organsysteme, allen voran das zentrale und periphere Nervensystem, den Gastrointestinaltrakt (häufigste Ursache einer Leberzirrhose weltweit) aber auch das Herz-Kreislauf-System. Die WHO unterscheidet eine Harmlosigkeitsgrenze (16g bzw. 24g Alkohol pro Tag für Frauen bzw. Männer) von einer Gefährdungsgrenze (>40g bzw. 60g pro Tag), jedoch gibt es keinen gesunden Konsum, auch wenn die Mär vom gesunden Glas Rotwein, die auf Studienfehlinterpretationen beruhte, noch weit verbreitet ist.4 Rezente Metaanalysen zeigen, dass selbst der regelmäßige Konsum niedriger Mengen (12–24g/d) mit einem statistisch höheren Risiko für Leberzirrhose bei Frauen verbunden ist.5 Auch wenn das Suchtpotenzial von Alkohol zwar im Unterschied zu Heroin, Kokain oder Nikotin relativ niedrig ist (viele Gebraucher im Vergleich zu Abhängigen), führt Alkoholkonsum zu relevanten medizinischen, gesundheitsökonomischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen. Dabei wirken die breite Verfügbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz eskalierend. 14% der Österreicher (19% der Männer und 9% der Frauen) konsumieren Alkohol bereits in einem Ausmaß, das längerfristig als gesundheitsschädlich betrachtet wird. 16–39% der erwachsenen Bevölkerung sind alkoholgefährdet (d.h. praktizieren einen schädlich wirkenden Gebrauch über der Gefährdungsgrenze) und 2,2–4% sind alkoholabhängig.6 Österreich liegt in der Weltrangliste der Alkoholabhängigen im Spitzenfeld. Bei der Definition einer Abhängigkeit laut International Classification of Disease (ICD-10) gilt der Kontrollverlust als relevantes Element (Menge, Beginn/Beendigung des Konsums), wie auch Toleranzentwicklung (größere Mengen werden „vertragen“), Craving (unstillbares Verlangen, das Suchtmittel zu sich zu nehmen), Entzugserscheinungen (körperliche Symptome, sobald der Alkoholspiegel einen Wert unterschreitet), die fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen sowie ein fortgesetzter Alkoholkonsum trotz schädlicher Folgen (physisch, psychisch, sozial). Liegen 3 oder mehr Kriterien vor, spricht man von einer Abhängigkeit.4 Zur Diagnosestellung bedarf es jedoch spezieller Expertise, da Hintergründe/Motivatoren und Indizien zumeist nicht offensichtlich sind und die Thematik hochgradig schambesetzt ist. Feinfühligkeit/Sensibilität sowie Wertschätzung ist im sprachlichen Umgang mit Betroffenen gefragt.
Gesteigerte Awareness, insbesondere unter Medizinern, kann dem Behandlungsverzug von durchschnittlich 10 Jahren entgegenwirken. Hierbei fällt vor allem der Blickdiagnose diverser (allerdings überwiegend unspezifischer) Hautveränderungen eine spezielle Rolle, da sie häufig bereits zu einem Zeitpunkt diagnostiziert werden können, zu dem Schädigungen an inneren Organen noch nicht „augenscheinlich“ geworden sind. Dadurch wird dem Dermatologen eine wesentliche Rolle zuteil, Indikatoren für Suchtverhalten zu diagnostizieren und eine professionelle Betreuung Betroffener einzuleiten.
Hautveränderungen durch Leberschädigung
Neben direkten Hautläsionen durch Alkohol und sein Abbauprodukt Acetaldehyd führen insbesondere alkoholinduzierte Organschäden an der Leber (Fettleber, Leberzirrhose) indirekt zu einem breiten Spektrum an Hautveränderungen.
Vaskuläre Läsionen sind eines der prominentesten Stigmata bei chronischem Alkoholabusus. Das multiple Auftreten von sogenannten Spider-Naevi (auch Naevus araneus oder stellatus), wo ein zentrales Gefäßknötchen von dünnen, spinnenartigen Ausläufern umgeben ist, weist eine 95%ige Spezifität für eine chronische (zumeist alkoholassoziierte) Hepatotoxizität auf. Die Verteilung dieser arteriellen Gefäßneubildung entspricht dem Verlauf der superioren Vena cava (oberer Thorax, Arme, Hals, Gesicht).7 Bei einer unilateralen Verteilung von dicht stehenden Teleangiektasien entlang von Dermatomen (oft thorakal C3–C4) spricht man auch von einem naevoiden Teleangiektasie-Syndrom.8
Auch weitere vaskuläre Läsionen, wie faziale persistierende Teleangiektasien (Rubeosis faciei), basieren auf einer Kombination eines direkten vasodilatatorischen Effekts des Alkohols mit hormonellen Einflüssen – insbesondere dem Hyperöstrogenismus durch gestörten Hormonmetabolismus bei Leberinsuffizienz. Zusätzlich spielen auch angiogenetische Prozesse, ausgelöst durch erhöhte Wachstumsfaktoren im Serum eine pathogenetische Rolle (z.B. werden VEGF und FGF bei Gewebshypoxie während des hepatalen Ethanolabbaus verstärkt sezerniert) (Abb. 1).9

Abb. 1: Häufig unspezifische, diskrete Veränderungen fazial. Eine 65-jährige Frau mit chronischem C2-Abusus zeigt feine Teleangiektasien an den Wangen, verstärkte faziale Lanugobehaarung (bei Malnutrition), einen fahlen grau-roten Gesichtsteint und eine bilaterale Parotisschwellung
Ein Hyperöstrogenismus entsteht bei gehemmtem hepatalen Androgenabbau mit konsekutiv vermehrter peripherer Umwandlung in Östrogene. Dadurch wird die Entwicklung eines weiblichen Behaarungsmusters bei männlichen Alkoholkranken, induziert, mit Verlust von axillären, pektoralen und genitalen Haaren. Weitere Einflüsse (z.B. eine assoziierte Malnutrition) können das Haarwachstum am gesamten Körper beeinträchtigen. Hormone führen bei Männern zudem zu einer Gynäkomastie sowie Hodenatrophie und begünstigen bei beiden Geschlechtern die Entwicklung einer Lipomatose (atypische Fettverteilung), bei der eine schulterbetonte (pseudoathletische) Ausprägung überwiegt, sich aber auch nacken-/halsbetonte (Madelung-Fetthals – ggf. mit laryngealer/trachealer Kompression) oder abdominal-betonte Varianten (Bierbauch) entwickeln können. Alkoholinduzierte Muskelatrophie führt dabei gleichzeitig zu dünnen („Storchen“-)Beinen.8,10
Auch bei der Genese symmetrischer palmarer Erytheme (oft gemeinsam mit Hyperhidrose), vor allem an Thenar, Hypothenar und Beugeflächen der Endphalangen, sind hormonelle Faktoren relevant, wie auch ein gestörter hepataler Metabolismus von Bradykinin und weiteren vasoaktiven Substanzen. Palmoplantare Erytheme können aber auch hereditär (autosomal dominant), in der Schwangerschaft, paraneoplastisch oder bei anderen metabolischen Störungen sowie bei rheumatoider Arthritis, juveniler Dermatomyositis, Lupus erythematodes, Nikotinabusus und bei viralen Infektionen (Hepatitis B, C und HIV) auftreten.11,12
Eine portale Hypertension ist das Resultat einer fortgeschrittenen Leberschädigung mit Erhöhung des intrahepatischen Perfusionswiderstandes auf über 10mmHg aufgrund einer signifikanten venösen Abflussbehinderung aus dem Darm. Dadurch entstehen portokavale Anastomosen – charakteristisch ist das Caput medusae durch periumbilikale Venen.9
Ein Gerinnungsfaktormangel bei manifester Leberinsuffizienz kann sich mit hämorrhagischen Hautveränderungen an den Extremitäten manifestieren, wie Petechien, Ekchymosen oder flächenhafte Gewebsblutungen (Sugillationen). Störungen des Lipidstoffwechsels und Hypertriglyzeridämie führen zum Auftreten eruptiver Xanthome. Diese bis zu 0,5cm großen, asymptomatischen oder leicht juckenden gelb-roten Papeln mit teils erythematösem Randsaum treten vor allem an Extremitätenstreckseiten, in der Glutealregion sowie am Rücken auf.
Indolente bilaterale Sialadenose (Speicheldrüsenhypertrophie) der Parotis mit sichtbarer Vergrößerung der Drüsen und Mundtrockenheit ist ein weiteres Indiz für (alkoholinduzierte) Leberzirrhose. Die zugrunde liegende Azinusschwellung sowie regressive Veränderungen der Myoepithelien basieren in erster Linie auf vergesellschafteten Nährstoffdefizite sowie einer Störung der vegetativen Innervation der Speicheldrüsen.
Alkoholassoziierte Leberschädigung geht auch mit diversen Nagelveränderungen am Nagelbett und an der Nagelplatte einher. Mehr als 80% aller Zirrhosepatienten weisen „Terry-Nägel“ auf, wobei beinahe das gesamte Nagelbett weiß/milchglastrüb ist und sich zumeist bilateral an den distalen Nägeln ein pink-braunes, horizontales Band (meist 1–2mm Durchmesser) zeigt. Diese Nagelveränderungen treten allerdings auch bei bis zu 25% aller hospitalisierten Patienten auf (Abb. 2).13 Half-and-half-Nägel, typisch für Niereninsuffizienz, können auch bei hepatischer Hypoalbuminämie vorkommen, wie auch Muehrcke-Bänder/Nägel (horizontale, weiße, bei Druck verschwindende Querbänder über die Nagelplatte durch vaskuläre Veränderungen im Nagelbett). Häufig werden trommelschlegelartige Verbreiterungen der Finger/Zehen mit hypertropher Osteoarthropathie durch chronischen Alkoholabusus induziert, basierend auf Störungen im Prostaglandin-Metabolismus mit erhöhten PGE1-Spiegel bei Alkoholkranken.8,14,15
Ein generalisierter cholestatischer Prurigo simplex ist ein Symptom des Endstadiums einer Leberschädigung. Initial wird er schwerpunktmäßig an den Extremitäten (palmoplantar) beschrieben, mit Ausbreitung auf den ganzen Körper. Das Jucken zeigt häufig einen zirkadianen Rhythmus, mit Aggravation abends und in den frühen Nachtstunden. Sämtliche Pruritogene, inklusive Gallesalze, endogene Opioide, Histamin, Serotoin, Progesteron-Metaboliten und Lysophosphatidsäure (LPA) werden diskutiert, eine Rolle in der Pathogenese des hepatischen Juckreizes zu spielen. Klinisch sind keine primären Hautveränderungen mit dem Juckreiz assoziiert, lediglich sekundäre, unspezifische Exkoriationen, seltener Prurigoknoten durch häufiges Kratzen.16
Hautveränderungen durch weitere Organschäden
Alkoholkonsum ist in ca. 35% für eine akute und in ca. 80% für eine chronische Pankreatitis (bei jeweils 5% aller Alkoholikranken) mit progredientem Verlust der exo- und endokrinen Pankreasfunktion verantwortlich. Beide Formen können mit einem Ikterus (Kompression des Ductus hepatocholedochus) einhergehen (Serumbilirubinkonzentration >2–2,5mg/dl) und den Ikterus durch eine etwaige Leberdekompensation verstärken. Auch gilt Ikterus als wichtiges Zeichen einer alkoholischen Fettleberhepatitis, er tritt dabei bei mehr als der Hälfte der Patienten auf. Die Gelbfärbung manifestiert sich initial an elastinreichen Geweben (z.B. Skleren) aufgrund der stärkeren Affinität von Bilirubin gegenüber Elastin, bevor sie auch an der Haut deutlicher erkennbar wird. Bei Alkoholkranken tritt auch das Zieve-Syndrom gehäuft auf, eine Bezeichnung für das gemeinsame Vorkommen von Ikterus mit Hyperlipidämie und hämolytischer Anämie. Gelegentlich entwickeln sich bei diesem Syndrom auch asymptomatische, bizarr konfigurierte Erytheme mit zentrifugalem Wachstum (ähnlich zu Erythema necroticans migrans).17 Eine seltene Komplikation der akuten oder chronischen Pankreasentzündung ist die pankreatische Pannikulitis oder noduläre kutane Adiponekrose, infolge einer nekrotisierenden, neutrophilendominanten Gewebsreaktion nach systemischer Freisetzung pankreatischer Enzyme. Die lobuläre Pannikulitis korreliert dabei nicht mit dem Schweregrad der pankreatischen Pathologie und kann klinisch in bis zu 45% noch vor der Pankreaserkrankung in Erscheinung treten.
Chronischer (auch moderater) Alkoholmissbrauch erhöht das Risiko für Schleimhauttumoren in der Mundhöhle (wie auch [Hypo-]Pharynx und Ösophagus, Larynx), wobei das Risiko mit steigender Dosis zunimmt.
Periphere Polyneuropathie (PNP) durch Axondegeneration und segmentale Demyelinisierung ist eine häufige Komplikation bei chronischem Alkoholabusus, vermutlich durch den unmittelbar toxischen Effekt des Alkohols auf Nerven in Kombination mit Fehlernährung bzw. Thiaminmangel verursacht. Neben neurologischen Störungen (Parästhesien, brennende Dysästhesien, Extremitätenschwäche) sind trophische Veränderungen an der Haut (mit Hyperhidrose im Unterschied zur diabetischen Polyneuropathie), Ödeme wie auch Hyperpigmentierung oder schmerzlose Ulzera v.a. an Druckstellen bis hin zu Destruktionen des Knochengerüsts und Spontanfrakturen (v.a. an den Fußsohlen) (Acroosteopathia ulcero-mutilans non-familiaris) Anzeichen für eine PNP.

Abb. 2: Trübe weiße Nägel (bis auf einen distalen Saum), nicht abgrenzbare Lunulae und unregelmäßiges Nagelwachstum bei einer 72-jährigen Patientin mit äthyltoxischer Leberzirrhose, Malnutrition sowie rezidivierenden Ekzemen bei multipler Kontaktsensibilisierung
Hautveränderung durch Alkohol-assoziierte Malnutrition
Alkoholismus-assoziierte Malnutrition ist eine häufige Komplikation, insbesondere bei fortgeschrittener Erkrankung sowie Leberinsuffizienz. Neben unzureichender Zufuhr nährstoffreicher Lebensmittel (einseitige Ernährung, Appetitlosigkeit) liegt die Ursache auch bei intestinalen Resorptionsstörungen sowie verstärktem renalem Verlust. Hochprävalent ist eine Unterversorgung mit Vitamin Thiamin (B1), Riboflavin (B2), Niacin (B3), Pyridoxin (B6), Cobalamin (B12), Ascorbinsäure und Folsäure sowie den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K. Sämtliche Dermatosen, die ansonsten durch den hohen Lebensstandard bereits rar geworden sind, manifestieren sich in der Population Alkoholkranker gehäuft, wie (Prä-)Skorbut durch Vitamin-C-Mangel, Glossitis/Cheilitis („Lacklippen, Lackzunge“) durch Riboflavinmangel, Pellagra (Demenz, Diarrhö, Dermatitis) durch Niacin- oder Tryptophan-Mangel und follikuläre Hyperkeratosen mit Xerosis cutis bei Vitamin-A-Mangel. Auch Mineralstoff- und Spurenelementmangel (Kalzium, Magnesium, Zink, Selen und Kalium) sind häufig. Zinkmangel führt beispielsweise zu einem der Acrodermatitis enteropathica ähnlichen Krankheitsbild mit erhöhter Infektneigung, aber auch verstärkter toxischer Wirkung des Alkohols, da u.a. die Alkoholdehydrogenase (alkoholabbauendes Enzym) zinkabhängig ist. Eine Verschlechterung des Immunsystems durch Malnutrition sowie begleitende Vernachlässigung der Hygiene kann sich zudem mit gehäuften mykotischen/bakteriellen Infektionen äußern.18
Weitere Hautveränderungen durch Alkohol
Xerosis cutis bei Alkoholkranken ist nicht nur auf eine Malnutrition zurückzuführen, sondern auch auf die alkoholinduzierte Stoffwechselstörung in Bezug auf essenzielle Fettsäuren, wodurch es zu einer Reduktion an Oberflächenlipiden kommt. Auch die diuretische Wirkung des Alkohols durch verringerte Ausschüttung von antidiuretischem Hormon im Hypothalamus aggraviert eine Xerosis und begünstigt das Auftreten von ichthyosiformen oder nummulären Ekzemen, wobei sich fazial paradoxerweise auch ein seborrhoisches Ekzem manifestieren kann.19 Eine Assoziation von Alkohol mit atopischer Dermatitis (AD) scheint möglich, aber die derzeitige Studienlage erlaubt noch keine definitiven Rückschlüsse (Abb.3). Bewiesen wurde ein Zusammenhang von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft und der Entstehung von AD bei den Nachkommen (OR: 1,16; 95% CI: 1,09–1,24).20
Kutane allergische Reaktionen (alkohol-assoziierte Dermatitis, Kontakturtikaria) aufgrund diverser Allergene in alkoholischen Getränken (u.A. Chrom, Nickel, Cobalt, Hefe, Duft-, Konservierungsstoffe) können sich lokalisiert bis systemisch (auch mit Anaphylaxie) manifestieren und eine allergologische Abklärung notwendig machen.21
Arcus corneae sowie Ohrläppchenfalten wurden in Studien als Indikatoren für ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie erhöhte Mortalität ausgemacht. Ein vermehrtes Auftreten bei Alkoholikern lässt ein verstärktes biologisches Altern vermuten.22 Faltige Gesichtshaut, Lidschwellung und Blepharochalasis wie auch Lidrandverdickung sind weitere faziale Indizien für einen erhöhten Alkoholkonsum.

Abb. 3: Massive Prurigoform einer atopischen Dermatitis (Erstmanifestation im Alter) bei einer 79-jährigen Frau mit chronischem C2-Abusus
Alkohol – Induktion und Verschlechterung (chronischer) Dermatosen
Alkohol ist ein bekannter Triggerfaktor für Psoriasis. Darüberhinaus zeigen Psoriatiker, die Alkohol konsumieren, nicht nur eine Verschlechterung der Symptomatik, sondern auch vermehrte Therapieresistenz, erklärbar durch vermehrte Expression proinflammatorischer Zytokine (wie IL-12, INF-α; IL-23 und IL-17A).8,23,24 Der Alkoholkonsum sollte daher im Management und in der Beratung dieser Patientengruppe berücksichtigt werden.
Eine direkte toxische Wirkung auf Epidermis und Talgdrüsen sowie hormonelle Dysbalance kann sich durch Verschlechterung bzw. Auftreten von Rosazea, Rhinophym und postadoleszenter Akne manifestieren.8 Eine epidemiologische Studie wies insbesondere bei Konsum von Weißwein und Spirituosen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Akne und Rosazea nach, während das Rhinophym fast ausschließlich bei Männern beobachtet wurde und eine Assoziation mit Alkohol nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte (Abb. 4).25,26

Abb. 4: Rhinophym bei einem 76-jährigen Mann mit mäßigem Alkoholkonsum. Während eine Assoziation von Alkohol mit Rosazea gültig ist, ist das Verhältnis von Alkohol und Rhinophym („Säufernase“) nicht eindeutig
Die Porphyria cutanea tarda ist klassischerweise mit Alkoholkonsum assoziiert. Sie wird durch eine quantitative oder funktionelle Insuffizienz der Uroporphyrinogen-III-Decarboxylase verursacht, wobei Alkohol aufgrund seiner hepatotoxischen Effekte (neben genetischer Prädisposition, Medikamentennebenwirkungen und Virushepatitiden) einen wesentlichen Kofaktor in der Pathogenese darstellt. Eine konsekutive Anreicherung von Porphyrinen in der Haut führt zu der typischen Klinik: Fragilität mit subepidermalen Blasen, aktinische Elastose (Falten), Milienbildung und Hypertrichose mit Betonung der lichtexponierten Areale.8
Alkohol und Medikamenteninteraktion
Alkohol und Medikamente vertragen sich zumeist nicht. Beispielsweise führt das Antibiotikum Metronidazol als Hemmer der Aldehyddehydrogenase-Aktivität bei gleichzeitiger Einnahme mit Alkohol zu einer starken Flushreaktion. Diese Reaktion lässt sich auch bei Alkohol in Kombination mit Histamin-freisetzenden Medikamenten wie Opiaten, Aspirin und NSAR festmachen. Auch die Leberschädigung selbst schränkt das Medikamentenspektrum ein – in Hinsicht auf dermatologische Zwecke sind davon insbesondere Methotrexat, Terbinafin oder Itrakonazol betroffen.
Literatur:
1 Musalek M.: Social aesthetics and the management of addiction. Curr Opin Psychiatry. 2010;23(6):530-5 2 Pompili M et al.: Suicidal behavior and alcohol abuse. Int J Environ Res Public Health 2010; 7(4):1392-1431 3 Mader R, Musalek M.: Alkoholkrankheit - State of the Art. CliniCum Neuropsy 2017; 2, 20-24 4 Saunders JB et al.: Alcohol Use Disorders in ICD-11: Past, Present, and Future. Alcohol Clin Exp Res. 2019;43(8):1617-31 5 Roerecke M et al.: Alcohol consumption and risk of liver cirrhosis: a systematic review and meta-analysis. Am J Gastroenterol 2019; 114(10): 1574-86 6 Bachmayer S et al.: Handbuch Alkohol – Österreich. Band 1 - Statistiken und Berechnungsgrundlagen 2020. ; Wien: 8. Aufl. Gesundheit Österreich 2021 7 Samant H, Kothadia JP: Spider angioma. StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing LLC., 2021 8 Loeffler H.: Hautveränderungen durch Alkohol, Drogen und Rauchen. In: Plewig G, Ruzicka T, Kaufmann R, Hertl M, editors. Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer Reference Medizin. Berlin, Heidelberg: Springer, 2018 9 Patel R, Mueller M: Alcoholic Liver disease. StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing LLC., 2021 10 Calarco R et al.: Fat deposits as manifestation of alcohol use disorder: Madelung‘s disease. Clin Gastroenterol Hepatol 2019; 17(10): A26 11 Guinard E et al.: Palmar erythema: inaugural manifestation of HIV infection. Eur J Dermatol 2017; 27(6): 668-9 12 Nautiyal A, Chopra KB: Liver palms (palmar erythema). Am J Med 2010; 123(7): 596-7 13 Witkowska AB et al.: Terry‘s Nails: A sign of systemic disease. Indian J Dermatol 2017; 62(3): 309-11 14 Alnimer Y et al.: Primary idiopathic osteoarthropathy: could it be related to alcoholism? Case Rep Rheumatol 2017; 2017:2583762 15 Ramachandran V, Sapra A: Muehrcke lines of the fingernails. StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing LLC., 2021 16 Langedijk J et al.: Cholestasis-associated pruritus and its pruritogens. Front Med (Lausanne) 2021; 8: 639674 17 Gotor Delso J et al.: Zieve‘s syndrome, an underdiagnosed entity. Gastroenterol Hepatol 2019; 42(7): 431-2 18 DiBaise M, Tarleton SM: Hair, nails, and skin: differentiating cutaneous manifestations of micronutrient deficiency. Nutrition in Clinical Practice 2019; 34(4): 490-503 19 Burg G, Kettelhack N: Haut und Alkohol. Dtsch Arztebl International 2002; 99(41): A-2712 20 Halling-Overgaard AS, Hamann CR: Atopic dermatitis and alcohol use - a meta-analysis and systematic review. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32(8): 1238-45 21 Hinton AN, Goldminz AM: Alcohol-Related Dermatitis: A Review. Dermatitis 2020; 31(3): 185-90 22 Schou AL et al.: Alcohol consumption, smoking and development of visible age-related signs: a prospective cohort study. J Epidemiol Community Health 2017; 71(12): 1177-84 23 Al-Jefri K et al.: High prevalence of alcohol use disorders in patients with inflammatory skin diseases. British journal of dermatology 2017; 177(3): 837-44 24 Vasseur P et al.: Chronic alcohol consumption exacerbates the severity of psoriasiform dermatitis in mice. Alcohol Clin Exp Res 2020; 44(9): 1728-33 25 Li S et al: Alcohol intake and risk of rosacea in US women. J Am Acad Dermatol 2017; 76(6): 1061-7.e1062 26 Second J et al.: Rhinophyma is associated with alcohol intake. J Am Acad Dermatol 2019; 81(1): 249-50