
Was tun, damit die Alopecia areata nicht über den Kopf wächst?
Autorin:
Dr. Barbara Gruber
Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten
Klinikum Wels-Grieskirchen
E-Mail: barbara.gruber@klinikum-wegr.at
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Die Alopecia areata ist eine häufige autoimmun vermittelte Haarausfall-Erkrankung. Neben variablen Verläufen und klinischen Erscheinungsformen wirken sich Komorbiditäten und psychosoziale Aspekte stark auf die Lebensqualität aus. Trotz genauer Diagnostik und Klassifizierung kommt es im Behandlungsverlauf oftmals zu Rückfällen. Erkenntnisse aus der Pathophysiologie ermöglichen nun bessere Therapieerfolge mit JAK-Inhibitoren.
Keypoints
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Die AA ist eine häufige, im Erscheinungsbild variable, immunvermittelte Haarausfall-Erkrankung. Die gesamte Körperbehaarung kann betroffen sein.
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Proinflammatorische Prozesse, vermittelt über den JAK/STAT-Signalweg, beeinträchtigen den natürlichen Regenerationsprozess des Haarzyklus, wodurch es zum Haarverlust kommt.
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Eine genaue Diagnostik und Klassifizierung sind für die Behandlung wichtig, dennoch kommt es im Verlauf oft zu Rückfällen.
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Die AA ist häufig mit anderen Erkrankungen assoziiert und kann die Lebensqualität stark einschränken.
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JAK-Inhibitoren zeigen in Studien eine positive Korrelation zwischen Kopfbehaarung und Verbesserung der Lebensqualität.
Alopecia areata (AA) ist eine häufige autoimmun vermittelte Haarausfall-Erkrankung mit einem unvorhersehbaren Krankheitsverlauf.1 Sie ist die zweithäufigste Form von nicht vernarbendem Haarausfall nach androgenetischer Alopezie.1 Der Haarausfall kann jeden behaarten Körperbereich betreffen, d.h. nicht nur Kopfhaare, sondern auch Wimpern und Augenbrauen.2
Charakteristisch für die AA ist ein akutes Einsetzen des Haarausfalls. Dieser präsentiert sich typischerweise als rundes oder ringförmiges, klar definiertes haarloses Areal.1,2 Das klinische Bild variiert von einem kleinen einzelnen haarlosen Areal bis zum vollständigen Verlust der Kopf- und Körperbehaarung im Rahmen einer multifokalen Erkrankung.1,2
Die AA führt deshalb auch zu einer starken psychosozialen Belastung für die Betroffenen. Angstzustände, Depressionen und massive Lebensqualitätseinschränkungen resultieren daraus.1
Epidemiologie
Die Lebenszeitinzidenz der AA beträgt 2%. Insgesamt sind weltweit ca. 2% der Bevölkerung von dieser Erkrankung betroffen.3 Die AA scheint dabei annähernd gleichmäßig zwischen beiden Geschlechtern verteilt zu sein.4 Sie kommt bei Kindern und Jugendlichen häufiger vor als bei Erwachsenen (1,83% vs. 1,64%).3
Interessant ist, dass bei 40% der Patienten ihre erste AA-Manifestation bis zum 20. Lebensjahr auftritt und bei 83–88% bis zum Alter von 40 Jahren.4 Neuere Studien berichten über eine signifikante Variation der Prävalenz zwischen Nordamerika, Südamerika, Europa, Asien und Afrika. In der afrikanischen oder afroamerikanischen Population tritt die AA häufiger auf als bei asiatischen und kaukasischen Menschen.3
Pathophysiologie
Der Haarfollikel ist ein einzigartiges Miniorgan, das einen kontinuierlichen, lebenslangen zyklischen Regenerationsprozess durchläuft. Der untere Teil des anagenen Haarfollikels (HF, bestehend aus Wulst und Bulbus) genießt ein relatives Immunprivileg (IP), das den Haarfollikel vor Entzündungsprozessen schützt und die Immuntoleranz fördert.5–9
Jedes Haar durchläuft einen Lebenszyklus mit drei Phasen. Bis zu 90% aller Kopfhaare befinden sich in der Anagen- oder auch Wachstumsphase. In der aktiven Wachstumsphase werden die Haare im Follikel in der Kopfhaut gebildet und sie werden länger und dicker. Diese Phase dauert 2–6 Jahre. Dann folgt die Katagen- oder auch Übergangsphase, in der das Haar einen Umbauprozess durchläuft. Die Zellteilung kommt zum Erliegen und die Haarwurzel schrumpft. Diese Phase dauert 2–4 Wochen und betrifft 1–2% der Haare. Dann folgt die Ruhe- oder Telogenphase, in der sich die Stoffwechselaktivität des Haarfollikels einstellt und das Haar letztendlich verkümmert und ausfällt. Etwa 10% der Kopfhaare sind ca. 2–3 Monate in dieser Phase. Danach bildet die Haarmatrix ein neues Haar, welches das alte Haar aus dem Follikel schiebt. Dies wird als Ausfalls- oder Exogenphase bezeichnet.10–13
Während des normalen Haarwachstumszyklus finden sich einzelne verstreute Immunzellen um den Haarbulbus und sehr vereinzelt auch innerhalb eines anagenen HF.14
Bei der AA kommt es zu einer Überexpression proinflammatorischer Zytokine, die über ihre Rezeptoren durch den JAK/STAT-Signalweg signalisiert werden. Dies führt zu einer JAK-vermittelten IFN-γ-und IL-15-Produktion, die die entzündliche Rückkoppelungsschleife fördert und weiter zur lokalen Entzündung beiträgt.
Das Aufflammen einer AA führt zu einer deutlich verkürzten Anagenphase des Haarwachstumszyklus. Histologisch zeigt sich um den HF-Bulbus ein charakteristisches, dichtes peri- und intrafollikuläres Entzündungsinfiltrat, das zur Unterbrechung der regelmäßigen Wachstumsaktivität und zur Dystrophie führt.15
Auch wenn die genaue Ätiologie noch nicht vollständig geklärt ist, so wird allgemein davon ausgegangen, dass der Kollaps des HF-IP eine entscheidende Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung spielt.15
Der Produktion von IFN-γ und Substanz P, die zu einem Anstieg proinflammatorischer Faktoren und zu einer signifikanten Verringerung der IP-Wächter führt, kommt nachweislich eine wichtige Rolle bei der Auslösung des HF-IP-Kollapses zu. Bei der AA setzen aktivierte T-Zellen IFN-γ frei, das an HF-Zellen bindet, was zu einem vorzeitigen Übergang in die Katagenphase und zur Produktion von IL-15 führt, ausgelöst durch JAK-1 und JAK-2.1,15
IL-15 bindet dann an seinen Rezeptor auf CD8+ T-Zellen und induziert die JAK-1- und JAK-3-vermittelte IFN-γ-Produktion, was die rückgekoppelte Entzündungsschleife weiter verstärkt.
Nach dem Ausfall treten Haarfollikel in die Kenogen- oder leere Telogenphase ein, wo sie inaktiv bleiben und nicht erneut in das anagene Wachstum eintreten.16
Die kontinuierliche IFN-γ-Produktion wird über eine positive Feedbackschleife erleichtert, an der IFN-γ und IL-15-Signalübertragungen beteiligt sind.1,10-12,15-18
JAK-Inhibitoren greifen in diesen Weg ein, indem sie die enzymatische Aktivierung der JAK und damit die nachfolgende STAT-Aktivierung blockieren. Dann klingt die aktuelle Entzündung schließlich ab, da der Entzündungszyklus unterbrochen ist.
Klinische Manifestationen
Die Alopecia areata zeigt ein breites, auch beim einzelnen Individuum wechselndes klinisches Erscheinungsbild. Der Krankheitsverlauf kann rezidivieren und remittierend sein und die Patientenkönnen wiederholte, unvorhersehbare Episoden von Haarausfall und Haarwachstum erleben.4,19
Die Größe und die Anzahl der haarlosen Areale sind sehr variabel.4,19 Sie können entweder isoliert auftreten oder mit anderen Läsionen zu einem größeren haarlosen Bereich zusammenwachsen. Je nach Krankheitsaktivität kann eine Läsion stabil bleiben, eine spontane Remission zeigen oder in einen vollständigen Verlust der Behaarung (Kopf- und auch Körperhaare) übergehen. Haarlose Areale treten am häufigsten am Capillitium auf, können sich aber überall dort entwickeln, wo Haare wachsen, wie Augenbrauen, Wimpern, Gesichts- und Körperbehaarung.11
Die Alopecia areata der Kopfhaut kann in Mustern auftreten und lässt sich daher in klinischen Varianten beschreiben. Die umschriebene AA kann in einen vollständigen Haarausfall der Kopfhaut (Alopecia totalis) oder vollständigen Verlust aller Körperhaare (Alopecia universalis) übergehen. Sind die Haare der okzipitalen und temporalen Kopfhaut betroffen, spricht man vom Ophiasis-Typ. Der inverse Ophiasis-Typ hat den Haarverlust im Oberkopfbereich, die seitliche und hintere Kopfhaut ist nicht betroffen, ähnlich der androgenetischen Alopezie. Eine diffuse AA oder AA incognita sind seltene, nicht umschriebene Unterformen der Alopecia areata, die häufig fehl- oder verzögert diagnostiziert werden. Neben der Kopfhaut können aber auch Bart, Wimpern, Scham- oder Achselhaar betroffen sein. Dies kann im Verlauf der Krankheit oder auch isoliert auftreten. Ein isoliertes Auftreten im Bartbereich wird als Alopecia barbae bezeichnet und betrifft meist Männer im mittleren Alter. Nagelveränderungen können einem AA-induzierten Haarausfall vorausgehen oder lange nach einem Haarausfall auftreten und lange nachher bestehen bleiben. Typischerweise zeigen sich Tüpfelnägel, in schweren Fällen Trachyonychie (Aufrauung der Nagelplatte). Gelegentlich treten Längsrillen, Onychomadesis (Abstoßung des Nagels), Onycholyse und Onychorrhexis (Brüchigkeit bzw. Aufsplittern der Nagelplatte) und eine rote Lunula auf, die sich in einer akuten Phase einer schweren AA zeigt.
Diagnostik
Zur Diagnosestellung und Beurteilung des Schweregrades und auch zur Therapiefindung bzw. Therapieentscheidung sind eine ausführliche medizinische und familiäre Anamnese und körperliche Untersuchung (Gesicht, Kopf, Körper und Nägel) indiziert.
Die Anamnese sollte das Alter bei Erstmanifestation, den Krankheitsverlauf, frühere Schübe, die Dauer der Erkrankung und die Familienanamnese betreffend AA einschließen. Weiters sollten andere Autoimmun- oder Entzündungserkrankungen wie Atopie, Schilddrüsenerkrankungen, Vitiligo oder chronische Darmerkrankungen erfasst und rezidivierende Infektionen oder Entzündungsherde erfragt werden.
Bei der körperlichen Untersuchung sollte die Kopfhaut makroskopisch und ggf. dermatoskopisch inspiziert werden. Das gesamte Integument sollte v.a. zur Beurteilung von Differenzialdiagnosen angeschaut werden, weiters müssen immer auch die Nägel begutachtet werden. Damit können die Ausdehnung der AA und Haarausfallmuster beurteilt werden. Die Dermatoskopie der Kopfhaut und der Haarschäfte hilft bei der Unterscheidung zwischen vernarbenden und nicht vernarbenden Haarerkrankungen sowie der Diagnosefindung bei AA und Bewertung der Krankheitsaktivität. Die häufigsten dermatoskopischen Befunde bei AA sind „yellow dots“. Diese zeigen die erweiterten, aber intakten Haarfollikelöffnungen, die mit Talg oder Überresten von Keratinozyten gefüllt sind. Weiters finden sich „black dots“ (Überreste von im Haarkanal abgebrochenen Haarschäften), abgebrochene Haare, Ausrufezeichenhaare (kurze, abgebrochene Haare, die sich zu ihrem proximalen Ende hin verjüngen) und Vellushaare (dünne, unpigmentierte Flaumhaare).20,21
Für die Diffenzialdiagnose und zur Bestimmung der Krankheitsaktivität ist ein Haarzupftest hilfreich. Ein Büschel von Haaren wird kopfhautnah fest erfasst und mäßig in Wuchsrichtung gezogen, am Rand der Läsionen und auf der kontralateralen klinisch nicht betroffenen Seite.22
Ein positiver Haarzupftest mit Epilation von ≥10% der erfassten Haare weist auf eine aktive Erkrankung hin, während ein negativer Test eine stabile oder abklingende AA anzeigt. Ein positiver Zupftest an einer klinisch unauffälligen Stelle kann auf eine fortschreitende Erkrankung mit diffusem Verlauf hinweisen. Kann eine vernarbende Alopezie klinisch nicht sicher ausgeschlossen werden, ist eine Kopfhautbiopsie notwendig. Diese sollte im Randbereich entnommen werden.
Klassifizierung und Schweregrad
Eine Klassifizierung ist für die Behandlung der Patienten sehr wichtig. Diese ist außerdem zum Feststellen des Schweregrads, der Aktivität und der Prognose erforderlich. Weiters haben wir damit Tools zur Entscheidungsfindung für den Arzt hinsichtlich der Therapieoptionen und der Beurteilung des Therapieansprechens.
Der sogenannte SALT Score – Severity of Alopecia Tool – bietet uns ein gutes Maß für die Einschätzung der Ausdehnung in der klinischen Praxis. Die Kopfhaut wird in vier Quadranten unterteilt, die linke und rechte Seite mit jeweils 18%, die Oberseite mit 40% und die Rückseite mit 24%. Der Haarausfall wird in jedem Quadranten geschätzt und addiert, das Maximum sind 100%. Anhand des geschätzten SALT-Scores lassen sich fünf Schweregrade des Haarverlustes unterscheiden: S0=kein Haarausfall, S1<25% Haarausfall, S2=25–49% Haarausfall, S3=50–74% Haarausfall, S4=75–99% Haarausfall, S5=100% Haarausfall.23,24
Allerdings sind mit dem SALT Score andere anatomische Bereiche wie Bart und Nägel nicht erfasst, was aber zur Beurteilung der Schwere der Erkrankung erforderlich ist. Deshalb gibt es weitere Messmethoden wie den ClinRO Measure for Eyebrowund for Eyelash Hair Loss25 (Tab. 1).
Tab. 1: Der ClinRO Measure for Eyebrow und Eyelash Hair Loss (nach Wyrwich et al., 2020)25 dient der Einschätzung des Schweregrades bei Haarausfall in bestimmten anatomischen Bereichen
Komorbiditäten und assoziierte Autoimmunerkrankungen
Die AA kann mit verschiedenen anderen Erkrankungen auftreten. Folgende Autoimmunerkrankungen wurden mit der AA in Verbindung gebracht: Vitiligo, Lupus erythematodes, Psoriasis und rheumatoide Arthritis. AA-Patientenhaben ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (SD), positive SD-Autoantikörper, abnorme Ergebnisse bei SD-Funktionstests und SD-Funktionsstörungen. Bei AA-Patienten wurden häufiger eine atopische Diathese, eine manifeste atopische Dermatitis, allergische Rhinitis, Konjunktivitis und Asthma beobachtet. Vitamin-D-Mangel, Eisenmangel, metabolisches Syndrom und Helicobacter-pylori-Infektion werden auch öfter gesehen. Psychiatrische Störungen sind häufig mit AA assoziiert, wobei Depressionen und Angststörung vorherrschen.26–28
Psychosoziale Aspekte
Die Auswirkungen der AA im psychosozialen Bereich sind angesichts der Sichtbarkeit, des unvorhersehbaren klinischen Verlaufs und des bisherigen Mangels an therapeutischen Optionen schwer. Die Lebenszeitprävalenz von psychiatrischen Erkrankungen beträgt bis zu 70%. Bei 12,8% der AA-Patientenwurden Suizidgedanken berichtet. Die AA kann eine negative Wirkung auf persönliche Beziehungen haben, zu Stigmatisierung, Mobbing, sozialer Isolation und Scham führen. Patienten mit AA können die Erkrankung als lebensveränderndes Ereignis wahrnehmen. Die AA kann sich zudem negativ auf das Selbstvertrauen, die Selbstwahrnehmung, das Selbstwertgefühl und den Beschäftigungsstatus auswirken.1,4,19,29–33
Therapeutische Optionen
Bisher wurden Therapien eingesetzt, die v.a. auf Immunsuppression und Immunmodulation abgezielt haben. Aber gerade bei schweren Verläufen waren die Ergebnisse unbefriedigend und es gab hohe Rückfallquoten. Neue Erkenntnisse über die pathophysiologischen Mechanismen der AA haben zur Entwicklung gezielterer therapeutischer Ansätze geführt.
Topische Therapie
Bisher haben wir lokal Kortikosteroide verwendet, darunter Shampoos, Lösungen und Schaumpräparate. Clobetasolpropionathältige Lösungen, Schäume und Lotionen sind gut verträgliche Behandlungen. Minoxidil wurde auch lokal verwendet zur Förderung des Haarwachstums. Topische Sensibilisierungstherapien wie Diphenylcyclopropenon (DPCP) werden bei lang anhaltender AA empfohlen, wobei die Anwendung „off-label“ ist. Topische Reiztherapien mit Dithranol wurden wegen seiner geringen Nebenwirkungen als Alternative zu DPCP bei AA verwendet. Topisches Tacrolimus wird ebenfalls verwendet und JAK-Inhibitoren, lokal verabreicht, sind eine neue Alternative.
Systemische Therapie
Orale Kortikosteroide v.a. als Pulstherapie wurden bisher systemisch eingesetzt. Traditionelle Immunsuppressiva wie Methotrexat und Cyclosporin wurden mit mäßiger Wirkung eingesetzt. Durch die spontane Remission und auch die hohen Rückfallquoten sind die Therapien auch nicht immer gut beurteilbar, die Studienlage ist dazu mäßig. Orale JAK-Inhibitoren bringen in verschiedenen klinischen Studien jedoch vielversprechende Ergebnisse.
Injektionen und begleitende Maßnahmen
Intraläsionale Injektionen von Kortikosteroiden sind eine Erstlinienempfehlung für die Therapie der begrenzten, umschriebenen AA, allein oder in Kombination mit topischen Kortikosteroiden. Die Verwendung von thrombozytenreichem Plasma (PRP) zur Behandlung der AA wurde in einigen wenigen Studien mit fehlender eindeutiger Evidenz empfohlen. Camouflage, Perücken, Phototherapie, begleitende Psychotherapie und Laserbehandlungen stellen weitere mögliche unterstützende Therapieoptionen dar.34
Neue Behandlung mit JAK-Inhibitoren
In Anbetracht der entscheidenden Rolle des JAK-STAT-Signalwegs bei der Vermittlung der T-Zell-Reaktion, einer Hauptkomponente der AA-Pathogenese, ist es nicht überraschend, dass JAK-Inhibitoren einen neuen Behandlungsansatz für die AA darstellen. JAKi sind kleine Moleküle, die die JAK-Enzyme hemmen, in den JAK-STAT-Signalweg eingreifen und dadurch die nachgeschaltete Signalübertragung verschiedener Zytokine blockieren.35–37
In zwei Phase-III-Studien hat Baricitinib eine Wirksamkeit mit einem ausgewogenen Verträglichkeitsprofil bei der Behandlung von erwachsenen Patienten mit schwerer AA gezeigt.38
V.a. die positive Korrelation zwischen dem Nachwachsen der Kopfbehaarung und einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität konnte gezeigt werden. Patienten mit einem mindestens 80%igen Nachwachsen der Kopfbehaarung (SALT≤20-Ansprechen) erreichten in Woche 36 auch eine signifikante Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Baricitinib ist in der Europäischen Union seit Juni 2022 zur Behandlung von schwerer AA bei erwachsenen Patienten zugelassen und bietet eine gute Therapieoption für die Patienten.39
Ein ähnliches Ansprechen zeigte sich auch für Ritlecitinib, Deuruxolitinib und Brepocitinib. Die Verträglichkeit aller Präparate erwies sich als gut, häufig beobachtete Nebenwirkungen waren leicht bis moderat ausgeprägt. Die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit der Substanzen wird derzeit in weiteren Studien untersucht.40
Im Vergleich zu den oralen JAK-Inhibitoren ist die topische Applikation allerdings ziemlich ineffektiv. Ob eine heute verfügbare Therapie die langfristige Prognose der AA verbessern kann, bleibt vorerst unklar. Die Aussicht, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, kann jedoch den Einsatz neuer Arzneistoffe rechtfertigen, insbesondere für die Behandlung junger Patienten, die ein höheres Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf haben. Zu dieser Ansicht gelangen die Autoren, die in einem systematischen Review zwölf randomisierte kontrollierte Studien bezüglich neuer Substanzen für das Management der chronischen AA bei Erwachsenen untersuchten.40,41
Literatur:
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