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Wenn sich Pflanzen wehren

Toxische und allergische Reaktionen durch Pflanzen

Pflanzen besitzen verschiedenste Abwehrmechanismen, mit denen sie üblicherweise Schädlingen und Fressfeinden begegnen. Sie reichen von der Freisetzung toxischer bzw. Allergie-auslösender Substanzen bis zu mechanischen Maßnahmen. Von Menschen werden diese Abwehrmechanismen meist durch Unkenntnis oder Sorglosigkeit ausgelöst. Daraus folgende Reaktionen müssen symptomatisch behandelt werden.

Kontakte mit Pflanzen führen nicht selten zu erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen. Viele dieser Pflanzen sind Teil der heimischen Flora, anderen begegnet der Mensch auf Reisen und wiederum andere sind als Neophyten seit Langem auch weit außerhalb ihrer ursprünglichen Herkunftsgebiete bei uns heimisch geworden. Sie gehören hier mittlerweile dauerhaft zu unserem Lebensalltag, sei es als Zier- oder Nutzpflanzen, aber auch als Schädlinge. Nutzpflanzen liefern Rohstoff für Bedarfsgegenstände oder dienen als Lebensmittel. Schädlinge breiten sich in unserer heimischen Flora oft unkontrolliert aus, weil ihnen hier einschränkende Wachstumsbedingungen oder Fressfeinde fehlen. Nicht selten verdrängen sie dabei die heimische Flora. Zu Wahrung der örtlichen Biodiversität müssen derartige Neophyten nicht selten nachhaltig bekämpft werden.

Wann werden Pflanzen gefährlich?

Auslösend für gesundheitliche Beschwerden kann bereits der äußerliche Kontakt von Pflanzen oder Pflanzenteilen mit menschlicher Haut oder den einsehbaren Schleimhäuten sein. Dies führt in bestimmten Fällen zu brennenden oder juckenden Hautrötungen, zu Quaddeln (Urticae) oder subkutanen Schwellungen (Angioödemen), zu trockenen oder nässenden Ekzemen, zu Bläschen oder Blasenbildungen und zu Wundheilungsstörungen mit oder ohne Nekrosen. Akzidenteller oder bewusster Verzehr von Pflanzen oder Pflanzenteilen löst bisweilen schwerwiegende systemische Reaktionen aus. Diese können sämtliche Organsysteme betreffen und in letzter Konsequenz sogar tödlich verlaufen. Verantwortlich ist eine Vielzahl toxisch und/oder allergisch wirksamer chemischer Verbindungen, die sich in pflanzlichen Geweben oft kombiniert finden mit verschiedensten Maßnahmen mechanischer Abwehr.

Abwehrmechanismen von Pflanzen

Die von Mensch und Tier zumeist durch Unkenntnis oder Sorglosigkeit provozierten pflanzlichen Reaktionen dienen der Pflanze primär jedoch zur Abwehr von Schädlingen oder Fressfeinden. Erst die Vermittlung wesentlicher Kenntnisse über die örtliche Flora im Reiseland und damit verbundene Verhaltensregeln gewährleisten dem reisenden Menschen vor Ort einen unbeschadeten Aufenthalt.

Typische Strukturen rein mechanischer Abwehr sind Dornen, wie bei der Gelbrindenakazie (Acacia xanthophloea), einer typischen Savannenpflanze Ostafrikas, und Stacheln (Montag A, 2023), wie bei den Stängeln der vermutlich aus Holland stammenden Gartenrose (Rosa x centifolia) (Gudin S, 2010) (Abb. 1a,b) oder irritativ wirksame Pflanzenhaare aus Silikat oder Calciumoxalat, die als widerhakenbewehrte, äußerst fragile Haarbüschel neben einer lockeren Aussaat von Dornen die Oberfläche des mexikanischen Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica) überziehen.

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Abb. 1: Gartenrose (Rosa x centifolia), Blüte (A) und Rosenstachel (B)

Während Dornen fest mit dem unterliegenden Pflanzengewebe verwachsen sind und spitz zulaufenden, stabilen Fortsätzen von Blättern, Sprossen, Zweigen oder Wurzeln entsprechen, entspringen Stacheln epidermalen Zellschichten und brechen deshalb auch viel leichter ab. Ein weltweit bekanntes Beispiel der Kombination aus mechanischer und chemischer pflanzlicher Abwehr sind die Brennhaare der Brennnessel (Urtica dioica). Kontakt mit der Brennnessel führt zum Abbrechen des Kügelchenverschlusses an der Spitze des Kieselsäure-verstärkten Brennhaares, zum Eindringen der kanülenspitzenartig geschliffenen Bruchstelle in das betroffene Gewebe und zur Einleitung des brennhaareigenen Toxingemisches aus Ameisensäure, Histamin und Acetylcholin. Die betroffene menschliche Haut reagiert im Kontaktareal mit der Ausbildung juckender Quaddeln.

Typische Pflanzen mit einer für Menschen gesundheitsgefährdenden, rein toxisch wirksamen chemischen Abwehr finden sich weltweit unter den Euphorbiaceae; in Ostafrika weit verbreitet ist der kakteenartig aussehende Kandelaberbaum (Euphorbia ingens), dessen haut- und schleimhautreizender Milchsaft von indigenen Heilern für eine Vielzahl medizinischer Zwecke Verwendung findet, im traditionellen Brauchtum aber auch für die Herstellung von Schmucknarben genutzt wird. Reisende erleiden Hautirritationen insbesondere beim Kontakt des latexartigen Pflanzensaftes mit vorbestehenden Hautirritationen oder Wunden. Verantwortlich für die Reizwirkung sind v.a. toxisch wirksame Steroidsaponine. Furocumarine hingegen sind verantwortlich für die phototoxische Wirkung des Pflanzensaftes von Doldenblütlern (Apiaceae), wie dem Riesenbärenklau bzw. der Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum) (Abb. 2a), einer aus dem Kaukasus stammenden, in Mitteleuropa invasiv wachsenden, hochaufragenden Pflanze. Wenige Stunden nach Kontakt von Haut oder Schleimhäuten mit den Furocumarinen des Pflanzensaftes und Exposition der betroffenen Haut gegenüber dem UV-A-Licht der Sonne kommt es zu brennenden Rötungen im Kontaktareal, später auch zu schmerzenden, bisweilen großvolumigen Blasenbildungen (Abb. 2b). Postinflammatorische Hyperpigmentierungen sind nicht selten, Narbenbildungen häufig. Ähnliche Reaktionen ereignen sich nach Hautkontakt mit dem Saft vieler Zitrusfrüchte (Citrus); auch der Saft von Zitronen (Citrus x limon) enthält hohe Mengen phototoxisch wirksamer Furocumarine (Montag A, 2023).

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Abb. 2: Herkulesstaude (Riesenbärenklau, Heracleum mantegazzianum), Größenvergleich (A) und phototoxische Kontaktdermatitis (B)

Obligate Kontaktallergene vom Spättyp finden sich in weitverbreiteten Kriechpflanzen Nordamerikas, aufgrund ihrer namensgebenden Laubblattform bekannt als Giftefeu bzw. „poison ivy“ (Toxicodendron radicans) und als Gifteiche bzw. „poison oak“ (Rhus toxicodendron). Verantwortlich sind Urushiole, chemische Verbindungen im Pflanzensaft, die sich vom Brenzkatechin ableiten (Montag A, 2023). Bis zu 50 Millionen Fälle einer Urushiol-induzierten Kontaktdermatitis ereignen sich jedes Jahr allein in den Vereinigten Staaten (Armstrong WP et al., 1995). Potente Kontaktallergene finden sich auch in zahlreichen tropischen Hölzern. Alkyl-Chinone, wie das Dalbergion im Ostindischen Palisander (Dalbergia latifolia) oder das Desoxylapachol im Holz des Teakbaums (Tectona grandis) (Sandermann W und Simatupang MH, 1963) lösen bei sensibilisierten Patienten Kontaktallergien mit flächigen Rötungen und papulovesikulösen Ekzemen aus (Montag A, 2023). Das in Nordamerika heimische Beifußblättrige Traubenkraut, landläufig bekannt als Ambrosia (Ambrosiaartemisiifolia), ist seit dem 19. Jh. als Neophyt in Europa heimisch und sein Pollen ist nicht selten Auslöser massiver aerogener Soforttypallergien (Traidl-Hoffmann C, 2018). Die IgE-vermittelten Reaktionen führen zu wässrig sezernierender Rhinokonjunktivitis, zu Hustenreiz und ggf. zu Asthma bronchiale allergicum. Die Therapie toxischer oder allergischer Reaktionen durch Kontakt mit Pflanzen ist symptomatisch.

Armstrong WP, Epstein WL: Poison oak: more than just scratching the surface. Herbalgram (American Botanical Council) 1995; 34: 36-42 Gudin S: Rose: genetics and breeding. Plant Breed Rev 2010; 17: 159-89 Montag A: Pflanzen und Haut. Heidelberg: Springer Verlag, 2023; (ca. 1100 Seiten, in Druck) Sandermann W, Simatupang MH: Über Inhaltsstoffe aus Teak (Tectona grandis L.), I. Isolierung und Konstitution eines toxischen Teakchinons. Chemische Berichte 1963; 96(8): 2182-5 Traidl-Hoffmann C: Pollenallergie gegen Ambrosia: Belastungen, Merkmale und Umgang mit einem importierten Allergieverursacher in Europa. Kompass Dermatologie 2018; 6(4): 206-7

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