
Tipps und Tricks aus der Praxis für die Praxis
Wenn man sich die Statistik der Dermatologen in Österreich ansieht, zeigt sich, dass etwa 20% im Krankenhaus arbeiten und etwa 80% in der Praxis. Das bedeutet, dass 4 von 5 Ausbildungsassistenten langfristig einmal eine Praxis betreiben werden. Man sollte sich, außer man entscheidet sich schon während der Ausbildung für eine Karriere im Krankenhaus, schon früh mit dem Thema „Niederlassung“ auseinandersetzen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dies zu tun. In der Ausbildungszeit kann man beispielsweise in einer Praxis hospitieren. Dabei kann man sich die Arbeit in der niedergelassenen Ordination ansehen und überlegen, ob man sich das für die Zukunft vorstellen kann. In weiterer Folge kann man einen Teil der Ausbildung in einer Lehrpraxis absolvieren. Währenddessen bekommt man einen tiefen Einblick in die Arbeit des niedergelassenen Dermatologen. Die Ausbildungszeit wird vollständig angerechnet und man muss zudem keine Nachtdienste machen. Als Facharzt hat man die Möglichkeit, Kollegen in der Praxis zu vertreten. Auch gibt es mittlerweile Jobsharing-Modelle, bei denen man zeitlich begrenzt in einer Praxis voll mitarbeiten kann.
Wenn man eine dermatologische Ordination übernehmen möchte, besteht für den Praxisbetreiber die Möglichkeit, vor der Pensionierung eine Übergabepraxis anzumelden. In der Übergabepraxis können der die Praxis Übergebende und der Nachfolger dann eine Zeit lang gemeinsam arbeiten. Die Patienten lernen kontinuierlich den Nachfolger kennen und der Übergang erfolgt fließend.
Kollegen, die sich für eine Wahlarztpraxis interessieren, können sich zunächst in einer bestehenden Praxis einmieten. In der Regel sind Arztpraxen nicht durchgehend besetzt und bei gegenseitigem Einvernehmen können die Wahlärzte auf die Räume, die Einrichtung, die EDV und das Personal des Vermieters zurückgreifen. Das minimiert erste Investitionskosten und bei guter Auslastung ist damit der Schritt in eine eigene Praxis berechenbar.
Angehenden Praxisinhabern empfehle ich, sich mit dem Thema „Praxisgründung“ intensiv auseinanderzusetzen. Die Ärztekammern bieten sehr gute Seminare dazu an. Bei diesen Veranstaltungen geben Wahl- oder Kassenärzte, die schon länger selbstständig arbeiten, ihr Wissen an die jüngeren Kollegen weiter.
Der Arzt als Unternehmer
Man muss sich zudem darüber im Klaren sein, dass man ab der Praxisgründung Unternehmer ist. Als Unternehmer muss man sich mit dem eigenen Betrieb wesentlich intensiver beschäftigen als in einem Angestelltenverhältnis.
Das Unternehmertum beinhaltet Vor- und Nachteile im Vergleich zu einer Anstellung: In der eigenen Praxis kann man den Urlaub nach seinen Wünschen planen, und man kann seine eigenen individuellen medizinischen Schwerpunkte setzten. Zugleich muss man, wenn man selbstständig ist, zunächst einmal Geld investieren, und man übernimmt das betriebswirtschaftliche Risiko für die getätigten Investitionen. Die Basisinvestitionen sind Versicherungen (Krankenversicherung, Haftpflicht, Rechtsschutz und evtl. Berufsunterbrechung), eine Telefonleitung mit Anlage, die Praxis-EDV, ein Elektrokauter, ein Mikroskop, ein Auflichtmikroskop und eine kryochirurgische Ausstattung.
Bei einer eigenen Praxis ist das Praxispersonal ein wichtiges Thema. Die Assistentinnen sind das Aushängeschild einer Praxis. Wenn bei der Anmeldung oder am Telefon etwas schiefgeht, kann man das beim Patientenkontakt kaum mehr gutmachen.
Bei Gehaltsverhandlungen soll man sich zunächst am Kollektivvertrag orientieren. Dieser ist nicht sehr hoch angesetzt. Wenn alles gut läuft, kann man das Gehalt nach oben anpassen. In jedem Fall muss man sich auf Gehaltsverhandlungen vorbereiten. Es kommen manchmal Bewerberinnen mit völlig überzogenen Vorstellungen. Wenn man dem gleich nachgibt, kann man in ein betriebswirtschaftliches Problem schlittern. Bei einer Erstbewerberin hat man auch nicht die Garantie, dass das Dienstverhältnis vorstellungsgemäß läuft.
Wichtig für ein Dienstverhältnis ist ein respektvoller Umgang miteinander. Wenn man einmal einen schlechten Tag hat, darf man das nicht an den Mitarbeiterinnen auslassen. Dies gilt selbstverständlich auch umgekehrt. Ebenso wichtig sind regelmäßige Teambesprechungen, bei denen allen Mitarbeitern die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, interne Probleme offen zu kommunizieren. An deren Lösung muss dann von allen Seiten aktiv gearbeitet werden. Auch eigene Fehler können auftreten. Da man in keinem hierarchischen Verhältnis arbeitet, in dem dies von Vorgesetzten besprochen wird, muss man sich mit diesen Fehlern selbstkritisch auseinandersetzen und Maßnahmen setzen, damit derartiges nicht mehr passiert. Bewährt haben sich bei uns auch regelmäßige Veranstaltungen, wie Teambesprechungen in einem Lokal oder Betriebsausflüge. Die Bezahlung des Ordinationsassistentinnenkurses für Mitarbeiterinnen, die den Kurs noch nicht absolviert haben, als Teil der Entlohnung bzw. des Gehaltes wird von Mitarbeiterinnen ebenfalls positiv aufgenommen. Bei fachlichen oder zwischenmenschlichen Problemen, die sich trotz beiderseitigen Bemühens nicht lösen lassen, sollte das Dienstverhältnis rasch beendet werden.
Steuerliche und rechtliche Themen
Vor der Praxisgründung muss man eine Steuerberatungskanzlei konsultieren. Von dort aus werden die Lohnverrechnung und die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung durchgeführt. Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sollte monatlich oder quartalsmäßig überprüft werden. Wichtige Punkte sind der Umsatz, der Gewinn und das Verhältnis zwischen Umsatz und Gewinn. Das subjektive Empfinden der Arbeitsleistung entspricht nicht immer dem tatsächlichen Ergebnis und die Zahlen lügen nicht. Der Steuerberater kann auch einzelne Leistungen, wie etwa kosmetische Behandlungen, separat buchen. So hat man Übersicht über die Entwicklung in diesem Segment. Dies ist etwa bei Lasern wichtig, deren Anschaffung mit hohen Investitionskosten verbunden ist. Die Personalkosten sollten ein Drittel des Umsatzes nicht übersteigen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Patientenaufklärung. Wir haben für sämtliche Operationen, kosmetische Eingriffe und medizinische Verfahren vorgefertigte Bögen in der EDV, die als Gesprächsgrundlage für ein Aufklärungsgespräch dienen. Die unterschriebenen Bögen werden dann auch direkt in der EDV dokumentiert.
Ebenfalls ein wesentlicher Punkt in der Praxis ist die Bilddokumentation. Vor allem bei kosmetischen Leistungen ist für Rückfragen oder Reklamationen ein Bild des Ausgangsbefundes sehr hilfreich. Aber auch für medizinische Leistungen, wie Operationen im Gesichtsbereich und die Behandlung von Akne oder Onychomykose, hat sich die Bilddokumentation bewährt. Die Praxisprogramme bieten Zusatzmodule an, über die man Bilder sehr einfach in die Kartei einspeisen kann.
Gute medizinische Versorgung gewährleisten
Zu tun ist in den Praxen jedenfalls genug – die Ärztekammer Wien, Kurie niedergelassene Ärzte, hat von den Sozialversicherungsträgern die Anzahl der Patientenkontaktefür das Jahr 2021 erhoben. Es waren 1838104 Kontakte. Nicht angeführt wurden die Wahlarztkontakte, die laut Aussagen des Hauptverbandes etwa 7% des Honorarvolumens ausmachen. Diese Zahl ist sicherlich zu niedrig angesetzt, weil viele Patienten ihre Rechnungen gar nicht einreichen. So kommen die niedergelassenen Dermatologen österreichweit auf über 2 Millionen Patientenkontakte pro Jahr.
Zum Schluss möchte ich betonen, dass die Niederlassung sehr gute Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung der dermatologischen Tätigkeit bietet. Man kann die Bevölkerung auf hohem Niveau versorgen. Man entlastet die Spitäler. Bei guter Praxisorganisation hat man ein gutes Einkommen. Die Gefahr ist, dass die Politik dieses System übernimmt und zuungunsten der Ärzteschaft verändert. Ein Primärversorgungszentrum hat zwar den Vorteil, dass man sich um die Organisation der Praxis nicht mehr kümmern muss. Der Organisator der Praxis wird das aber auch nicht kostenlos machen. Also muss man diesem einen Teil des Verdienstes abtreten. Man ist in einem Angestelltenverhältnis und hat nicht die Freiheit der Selbstständigkeit. Auch können Primärversorgungszentren den Ärztemangel nicht beheben.
Der Schritt in eine Praxis ist in jedem Fall eine bedeutende Entscheidung für das weitere Leben. Je besser man diesen Schritt vorbereitet, umso zufriedener ist man dann damit. Mit den Landesfachgruppenhabe ich vereinbart, dass sie Hospitationen oder Lehrpraxen anbieten oder andere Kollegen dafür unkompliziert vermitteln. Diese zur Verfügung stehenden Angebote sollten angenommen werden. Auch für den laufenden Betrieb sind wir zu allfälligen Hilfestellungen bereit.
Herzlichst,
Ihr
Dr. Manfred Fiebiger
Obmann des Berufsverbandes österreichischer Dermatologen (BVÖD)
Das könnte Sie auch interessieren:
Long-Acting-Konzepte als Meilenstein in der HIV-Therapie
In den letzten vier Jahrzehnten erfuhr die HIV-Therapie eine enorme Entwicklung und die Optionen für Menschen mit HIV haben sich grundlegend verändert. Aktuell dominiert ein neues ...
Das Mikrobiomvon Wunden und was Probiotika für uns tun können
Unser Darm steht mit einer Vielzahl an Mikroorganismen über unterschiedlichste Funktionsachsen, wie jener zwischen Darm und Haut, mit dem gesamten Organismus in Verbindung. Das Mikrobiom ...
Sexuell übertragbare Infektionen bei Kindern und Jugendlichen
Seit 2019 berichten die World Health Organization (WHO) und die Centersfor Disease Control and Prevention (CDC; USA) regelmäßig über einen dramatischen Anstieg der sexuell übertragbaren ...