
Raynaud-Phänomen bei Kindern und Jugendlichen
Autor:
Dr. Ivan Foeldvari
Schön Klinik Eilbek, Hamburg
Hamburger Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie
Kompetenz-Zentrum für Sklerodermie im Kindesalter
Kompetenz-Zentrum für autoimmune Uveitis im Kindesalter
Lehrbereich des Asklepios-Campus der Semmelweis-Universität, Budapest
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Das Raynaud-Phänomen (RP) ist durch ein symmetrisches Erblassen der Finger oder Zehen gekennzeichnet – es wird zwischen primärer und sekundärer Form unterschieden. Vom sekundären RP Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, eine Kollagenose zu entwickeln. Daher spielt die Früherkennung eines RP gerade auch bei Kindern eine wichtige Rolle.
Keypoints
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Daten zur Prävalenz des RP bei Kindern sind spärlich – man schätzt, dass es in der 2. Lebensdekade bei bis zu 20% vorkommt.
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Das primäre RP zeigt keine pathologischen Veränderungen in der Nagelfalzkapillaroskopie (NF) und normale ANA-Titer.
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Das sekundäre RP ist durch eine verminderte Anzahl an Kapillaren in der NF gekennzeichnet und geht mit erhöhten ANA-Titern einher.
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Erhöhte ANA-Titer und Blutungen in der NF sind die stärksten Prädiktoren für die Entwicklung einer Kollagenose.
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Eine regelmäßige Verlaufskontrolle wird empfohlen.
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Die medikamentöse Therapie des RP bei Kindern beruht auf den Daten von Erwachsenen.
Charakteristisch für ein Raynaud-Syndrom/Raynaud-Phänomen (RP) ist ein anfallsweises Erblassen der Finger oder Zehen aufgrund von Verengungen der Blutgefäße. Dies kann symmetrisch sein oder auch nur einzelne Finger betreffen. Der klassische Verlauf ist triphasisch. Es tritt zuerst ein Vasospasmus auf, der zu einem „Weißwerden“ der Finger führt, gefolgt von einer Dilatation der Kapillaren und einer venösen Stauung, die wiederum zu einer Zyanose führen. Darauf folgt eine Dilatation der Arterien und Arteriolen, die eine Rötung verursachen.
Prävalenz bei Kindern
Zur Prävalenz im Kindesalter gibt es wenige Daten. Eine Studie mit Umfrageergebnissen von 720 Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren aus Großbritannien zeigte, dass 18% der Mädchen und 12% der Jungen eine Farbveränderung der Finger mit einem Taubheitsgefühl oder Stechen mindestens 1x im Monat beobachtet haben.1 Die Häufigkeit nahm mit dem Alter zu. In einer prospektiven Studie bei einer sehr kleinen Anzahl von Patienten in den ersten zwei Lebensdekaden wurde eine Prävalenz von 2% in der ersten Lebensdekade und 20% in der 2. Lebensdekade festgestellt.2
Formen des Raynaud-Phänomens
Es wird zwischen primärem RP und sekundärem RP unterschieden. Das primäre RP geht ohne pathologische Veränderungen in der Nagelfalzkapillaroskopie (NF) einher (Abb. 1) und ohne signifikant erhöhten ANA-Titer (niedriger als 1:640). Auch gesunde Kinder können morphologisch abnormale Kapillaren haben.3,4 Beim sekundären RP ist die Anzahl der Kapillaren bei der NF vermindert und es sind vermehrt „abnormale“ Kapillaren, Giant-Kapillaren, Blutungen und avaskuläre Bereiche sichtbar (Abb. 2). Das sekundäre RP geht häufig mit einer ANA-Titer-Erhöhung von über 1:640 einher.
Abb. 2: Bild von Giants, deutlich verminderte Kapillarzahl, avaskuläre Bereiche passend zu systemischer Sklerodermie
Es ist ganz wichtig, zu definieren, was ein „normaler“ Nagelfalzkapillaroskopie-Befund bei Kindern bedeutet. Es gibt zwei große Studien, welche sich dieser Fragestellung angenommen haben.3–5 Die Kapillarenzahl per mm sollte mindestens 6 sein. Beim Auftreten von Giant-Kapillaren, also Kapillaren, deren Diameter mehr als 4x so groß wie der normale Diameter ist, und beim Auftreten von avaskulären Bereichen, wie bei einer Kapillarenzahl unter 6/mm, liegt ein eindeutig pathologischer Befund vor, welcher auf ein potenzielles Risiko für eine sich entwickelnde Kollagenose hinweist.3, 6
In einer Studie, in der Kinder mit primärem und sekundärem RP verglichen wurden, hatten Kinder mit sekundärem RP deutlich häufiger eine Verminderung der Kapillarenzahl unter 6/mm und deutlich häufiger einen erhöhten ANA- und ENA-Titer.6 Eine andere Publikation hat sämtliche Studien bis 2021 ausgewertet, in denen NF-Befunde in Korrelation mit autoimmunen Erkrankungen und gesunde Kontrollen beschrieben wurden.7 Höchste Risiken für eine autoimmune Erkrankung waren das Auftreten von Blutungen (OD 5,34), gefolgt von einer verminderten Kapillarenzahl (<7/mm; OD 3,79), gefolgt von Kapillarabnormalitäten (OD 3,16). Kürzlich ist eine sehr gute Übersichtsarbeit über NF bei Kindern erschienen, die praktische Tipps beinhaltet.8
Risiko für die Entwicklung einer Kollagenose
Eine der wichtigsten Fragen für Patienten, Eltern und betreuende Kollegen ist, welcher Patient eine Kollagenose entwickeln wird. Nigrovic hat eine retroprospektive Studie durchgeführt, um zu sehen, welche von den eingeschlossenen 123 Patienten ein sekundäres RP oder eine Kollagenose entwickeln werden.9 Patienten mit sekundärem RP hatten einen deutlich höheren ANA-Titer. 10% der Patienten haben über den Beobachtungszeitraum von zwei Jahren eine Kollagenose entwickelt. In einer anderen retrospektiven Studie haben über einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren von 94 Patienten mit RP 8,5% eine Kollagenose entwickelt. ANA-Positivität und das Vorhandensein von Blutungen in der NF waren die stärksten Prädiktoren dafür.10 In einer prospektiven Studie mit 115 Kindern gab es eine signifikante Korrelation zwischen ANA-Negativität und dem Nichtvorhandensein von Skleroderma-Pattern bei NF.11
Im Rahmen einer systemischen Suche nach veröffentlichten Fällen von Mischkollagenosen bei Kindern konnte man zeigen, dass das RP das am meisten berichtete Symptom bei Erkrankungsbeginn bei 70% der 215 Patienten war.12 In der Kohorte mitjuveniler systemischer Sklerodermie ( www.juvenile-scleroderma.com ) haben nach 2,4 Jahren Erkrankungsdauer von 150 Patienten 90% ein RP gezeigt.13 Bei diesen Patienten korreliert das RP signifikant häufiger mit NF-Veränderungen als mit anamnestischen Ulzerationen.
Verlaufskontrolle
Es gibt Empfehlungen, wie man Patienten mit RP betreuen soll. In der „Single Hub and Access point for paediatric Rheumatology in Europe“(SHARE)-Empfehlung für juvenile systemische Sklerodermie werden für alle Patienten mit RP ein NF und eine ANA-Bestimmung empfohlen.14 In der Empfehlung der Hamburger Konsensus-Gruppe wird bezüglich Verlaufsbeobachtung bei auffälliger NF alle 6 Monate, bei auffälliger NF mit spezifischer ENA-Positivität alle 3 Monate eine Verlaufskontrolle empfohlen. Wenn NF oder ANA positiv sind, dann wird alle 6 Monate eine Verlaufskontrolle empfohlen.
Therapie des Raynaud-Phänomens
Bezüglich der Therapie des RP bei Kindern gibt es keine kontrollierten Studien. Es wurde kürzlich eine „best clinical practice“ für die Behandlung der juvenilen systemischen Sklerodermie publiziert, in welcher insbesondere die Selbstfürsorge betont wird, wie z.B. die Vermeidung von und der Schutz vor Kälteexposition und Triggerfaktoren.16 Zusätzlich spielen natürlich auch die medikamentösen Therapien eine Rolle. Die Erstlinie der medikamentösen Therapie sind – basierend auf Daten von Erwachsenen mit RP – die Kalzium-Antagonisten, bei schweren Verläufen kommen Endothelin-Antagonisten, PDE-5-Blocker, Iloprost und andere Medikamente zur Anwendung.16
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine ANA-Positivität und auffällige NF-Befunde Prädiktoren für eine mögliche Kollagenose sind. Diese Patienten sollten nach den „Hamburger Empfehlungen“ beobachtet werden. Die Früherkennung einer sich anbahnenden Kollagenose kann Schäden verhindern und Lebensqualität sichern.
Literatur:
1 Jones GT et al.: Occurrence of Raynaud’s phenomenon in children ages 12-15 years: prevalence and association with other common symptoms. Arthritis Rheum 2003; 48(12): 3518-21 2 Planchon B et al.: Primary Raynaud’s phenomenon. Age of onset and pathogenesis in a prospective study of 424 patients. Angiology 1994; 45(8): 677-86 3 Piotto DP et al.: Nailfold videocapillaroscopy in healthy children and adolescents: description of normal patterns. Clin Exp Rheumatol 2016; 34 Suppl 100(5): 193-9 4 Melsens K et al.: Standardised nailfold capillaroscopy in children with rheumatic diseases: a worldwide study. Rheumatology (Oxford) 2023; 62(4): 1605-15 5 Terreri MT et al.: Nail fold capillaroscopy: normal findings in children and adolescents. Semin Arthritis Rheum 1999; 29(1): 36-42 6 Farenhorst CA et al.: Capillary microscopy is a potential screening method for connective tissue disease in children with Raynaud’s phenomenon. Pediatr Rheumatol Online J 2022; 20(1): 11 7 Li AR et al.: Association between nailfold capillaroscopy abnormalities and autoimmune disease in pediatric populations. Pediatr Dermatol 2022; 39(2): 197-204 8 Schonenberg-Meinema D et al.: Capillaroscopy in the daily clinic of the pediatric rheumatologist. Best Pract Res Clin Rheumatol 2024; 38(3): 101978 9 Nigrovic PA et al.: Raynaud’s phenomenon in children: a retrospective review of 123 patients. Pediatrics 2003; 111(4 Pt 1): 715-21 10 Falcini F et al.: Anti-nuclear antibodies as predictor of outcome in a multi-center cohort of Italian children and adolescents with Raynaud’s phenomenon. Clin Rheumatol 2015; 34(1): 167-9 11 Torrente-Segarra V et al.: The importance of nailfold capillaroscopy in children with rheumatic diseases. Clin Exp Rheumatol 2021; 39 Suppl 128(1): 35 12 Terminiello A et al.: Childhood mixed connective tissue disease at disease onset: Evidence from a systematic review. Autoimmun Rev 2024; 23(4): 103513 13 Foeldvari I et al.: Differences sustained between diffuse and limited forms of juvenile systemic sclerosis in an expanded international cohort. Arthritis Care Res (Hoboken) 2022; 74(10): 1575-84 14 Foeldvari I et al.: Consensus-based recommendations for the management of juvenile systemic sclerosis. Rheumatology (Oxford) 2021; 60(4): 1651-8 15 Pain CE et al.: Raynaud’s syndrome in children: systematic review and development of recommendations for assessment and monitoring. Clin Exp Rheumatol 2016; 34 Suppl 100(5): 200-6 16 Foeldvari I et al.: Best clinical practice in the treatment of juvenile systemic sclerosis: expert panel guidance - the result of the International Hamburg Consensus Meeting December 2022. Expert Rev Clin Immunol 2024; 20(4): 387-404
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