
Nagelveränderungen bei Kindern
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: gabriele.ginter@klinikum-graz.at
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Nagelveränderungen finden sich in Bezug auf ihre Häufigkeit im Erwachsenenalter bei Kindern selten und werden vom Hausarzt, Kinderarzt wie auch dem Dermatologen oft nicht erkannt bzw. übersehen. In der Literatur finden sich keine exakten Angaben zur Prävalenz von Nagelveränderungen im Kindesalter – schätzungsweise liegt sie zwischen 3 und 11 Prozent. Onychopathien bei Kindern können konnatal – zumeist genetisch determiniert –, monosymptomatisch sowie im Rahmen eines Syndroms auftreten oder sich im Laufe der Kindheit und Adoleszenz manifestieren.
Betreffend die Ätiologie und das klinische Erscheinungsbild lassen Nagelveränderungen im Kindesalter in vielerlei Hinsicht Parallelen zu denen im Erwachsenenalter erkennen – auch bei Kindern ist die Ursache vieler Nagelveränderungen nach wie vor unbekannt, wie auch das klinische Erscheinungsbild sich bis auf wenige Ausnahmen ebenfalls nicht von dem bei Erwachsenen unterscheidet. Während das therapeutische Ansprechen fakultativ bei distinkten Nagelveränderungen im Kindesalter eine bessere Prognose bis hin zur kompletten Remission erwarten lassen kann, können bestimmte Onychopathien wie bei Erwachsenen auch lebenslang persistieren. Im Gegensatz zum bei Kindern subjektiv meist fehlenden oder nur mitigiert exprimierten Leidensdruck sind Eltern durch Nagelveränderungen bei ihren Kindern durchaus betroffen bzw. belastet.
Einteilung der Nagelveränderungen nach dem Zeitpunkt des Auftretens
Nagelveränderungen bei Kindern können nach dem Zeitpunkt des Auftretens in verschiedenen Abschnitten des Kindesalters in physiologische und pathologische Veränderungen eingeteilt werden.1
Physiologische Veränderungen wie die Koilonychie oder eine punktförmige Leukonychie (von der proximalen Matrix ausgehend) sind bei Neugeborenen wie auch Kleinkindern traumatisch bedingt und in aller Regel harmlos, da reversibel. Dasselbe gilt für Beau-Reil-Querfurchen sowie für das Auftreten von kleinen punktförmigen Impressionen („pitting“) an der Nageloberfläche. Zu den zumeist genetisch bedingten pathologischen Nagelveränderungen zählen das Nagel-Patella-Syndrom sowie ektodermale Dysplasien – ein Formenkreis von kongenitalen Veränderungen mit 170–200 möglichen Syndromen mit einer abnormen Entwicklung von zwei oder mehreren ektodermalen Strukturen (Haare, Nägel, Zähne, Schweißdrüsen). Als weitere hereditäre Erkrankungen sind die Pachyonychia congenita wie auch die Dyskeratosis congenita und die Epidermolysis bullosa (EB) zu nennen, bei der die Nagelveränderungen üblicherweise Prodrome der Blasenbildung an der Haut darstellen. Bei der kongenitalen Großzehennagel-Dystrophie (Abb.1) zeigen die Großzehennägel infolge einer Lateraldeviation der Matrix dystrophische Veränderungen unter dem Bild einer Onychogryphose sowie periunguale Entzündungen (Paronychie). Falls sich bis zum zweiten Lebensjahr keine Besserung zeigt, bleiben die Großzehennägel verdickt mit austernartigem „shedding“ und schwerer Onycholyse. Diese aggravierenden Veränderungen erfordern einen rechtzeitigen chirurgischen Eingriff. Das partielle oder komplette Fehlen der Nagelplatte (Anonychie und Mikronychie) kann isoliert oder im Rahmen von verschiedenen Syndromen mit kongenitalem autosomalem oder rezessivem Erbmodus beobachtet werden – diese Veränderungen sind in aller Regel therapierefraktär. Das Bild der Onychomadese (= Verlust sämtlicher Finger- und Zehennägel) wird am häufigsten ein bis zwei Monate nach dem Auftreten einer Hand-, Mund-, Fußkrankheit beobachtet, wobei der Nagelverlust in aller Regel schmerzlos und ohne Entzündungszeichen unter dem Aspekt transversaler Rillenbildung als Folge einer infektionsbedingten Matrixalteration erfolgt. Die Ursache dieser Onychomadese ist unbekannt, das Geschehen reversibel und selbstlimitiert – eine spezifische Behandlung ist nicht erforderlich.
Abb. 2: Periunguale Warze im Kindesalter mit Ausdehnung unter die Nagelplatte (Courtesy B. Binder, Graz)
Manifestation von Infektionen am Nagelorgan
Wie bei Erwachsenen können auch im Kindesalter ein Unguis incarnatus oder eine Retronychie mit sekundär bakterieller Infektion in Erscheinung treten – beide Konditionen beruhen in erster Linie auf einer Traumatisierung des Nagelorgans. Weitaus größer ist das Spektrum bakteriell oder viral sowie myzetisch verursachter Infektionen am Nagelorgan, die dem behandelnden Arzt bekannt sein sollten.
Bei der akuten Paronychie handelt es sich um eine schmerzhafte bakterielle (Staphylococcus aureus oder ß-hämolysierende Streptokokken) oder virale Infektion des proximalen Nagelwalls infolge traumatischer Verletzung der Kutikula durch Dornen oder Fremdkörper.1 Der Nagelwall ist geschwollen, gerötet und schmerzhaft, im Weiteren kann sich eine putride Sekretion entwickeln. Bereits eine milde Paronychie kann zu einer permanenten Nageldystrophie führen. Aus einer akuten Paronychie kann sich eine chronische Nagelwallentzündung mit Verlust der Kutikula und äußerst therapierefraktärem Verlauf entwickeln.
Herpes simplex – Fingerherpes (1)
Der distale digitale Herpes simplex kann die Endphalanx als herpetisches Panaritium befallen oder als akute, sehr schmerzhafte Paronychie beginnen. Klinisch präsentiert sich der Fingerherpes unter dem Bild gruppierter Vesikel im Bereich des lateralen Nagelwalls, begleitet von schmerzhafter Schwellung und Rötung.
Unguale Warzen (Verrucae) (Abb. 2) sind durch humane Papillomaviren verursacht und treten sehr häufig bei Kindern nach dem 6. Lebensjahr auf, oft induziert durch Nagelbeißen. Klinisch zeigen sich hyperkeratotische Papeln, die durch Wachstum die Größe von 1 bis 2cm erreichen, eine schmerzhafte Fissurenbildung kann erfolgen. Die bevorzugte Lokalisation ist üblicherweise der proximale Nagelwall, eine Ausdehnung der Warzen ist unter die Nagelplatte unter dem Bild einer Onycholyse möglich.1 Die myzetische Infektion von Nägeln (Onychomykose) bekommt zunehmend den Stellenwert einer Zivilisationskrankheit mit weltweit steigender Inzidenz und wurde in der Vergangenheit weitgehend nur bei Erwachsenen beobachtet. In den letzten Jahren wird die Onychomykose zunehmend auch im Kindesalter mit einer geschätzten Prävalenz von 0 bis 2,6% beobachtet. Als Ursachen dieser Entwicklung wird neben dem globalen Anstieg der Nagelpilzinfektion bei Erwachsenen die diesbezüglich erhöhte Expositionsrate durch infizierte Familienmitglieder und auch vermehrt ausgeübte sportliche Tätigkeiten wie Schwimmbadbesuch und Besuch von Sportstätten diskutiert. Mit Ausnahme des Down-Syndroms ist bei Kindern mit einer Nagelpilzinfektion keine Prädisposition hierfür erkennbar. Weder das klinische Befallsmuster der Onychomykose noch der ursächliche Erreger unterscheiden sich von dem bei Erwachsenen – in aller Regel präsentiert sich die Nagelpilzinfektion als distal subunguale Onychomykose, verursacht in über 90% der Fälle durch Trichophyton rubrum. Wie bei Erwachsenen sind die Zehennägel häufiger betroffen. Zur Heilung der Onychomykose ist wie bei Erwachsenen auch im Kindesalter eine systemische antimyzetische Therapie unerlässlich und muss vom behandelnden Arzt im „off-label use“ verordnet werden. Die Heilungsraten bei Kindern liegen wohl infolge des schnelleren Nagelwachstums und der dünneren Nagelplatten im Vergleich zu mit Nagelpilz infizierten Erwachsenen bei 100%.2
Abb. 3: Trachyonychie der Fingernägel im Kindesalter. Die Fingernägel zeigen eine longitudinale regelmäßige Fissurierung mit opakem Glanz (sog. Sandpapiernägel)
Abb. 4: Nagelpsoriasis im Kindesalter mit ausgeprägter Hypertrophie der Großzehennägel bei einem 9-jährigen Knaben (Courtesy W. Weger, Graz)
Nagelveränderungen bei Kindern in Analogie zum Erwachsenenalter
Bei der Trachyonychie („twenty-nail dystrophy“, TND) im Kindesalter handelt es sich um eine gutartige Nagelaffektion infolge Entzündung der proximalen Nagelmatrix.1 Während die Trachyonychie bei Erwachsenen in jedem Lebensalter auftreten kann, wird sie bei Kindern bevorzugt im Alter zwischen 2 und 7 Jahren beobachtet. Die Trachyonychie lässt sich klinisch in zwei Gruppen unterteilen: idiopathische TND sowie TND in Assoziation mit Dermatosen wie Alopecia areata, Lichen planus, atopischer Dermatitis, Psoriasis sowie Immunglobulin-A-Mangel. Die Phänotypie der TND äußert sich als diffuse Rauheit der Nageloberfläche mit longitudinaler regelmäßiger Fissurierung und einem opaken Glanz, was den Begriff „Sandpapiernägel“ geprägt hat (Abb. 3). Die Prognose der idiopathischen Trachyonychie im Kindesalter ist gut – mit einer spontanen Remission ist im Laufe der Zeit zu rechnen.
Nagelpsoriasis im Kindesalter
Irreguläre Tüpfelung der Nagelplatte, lachsfarbene durch die Nagelplatte durchscheinende Flecken im Bereich des Nagelbetts und auch mit einem erythematösen Randsaum begrenzte Onycholysen sind die klinischen Leitsymptome für das Vorliegen einer Nagelpsoriasis. Im Vergleich zur Psoriasis bei Erwachsenen, bei denen ungefähr bei der Hälfte das Nagelorgan involviert ist, ist die Nagelpsoriasis im Kindesalter eine eigene Entität. In der Literatur finden sich nur spärliche Angaben – in einer Studie aus Kuwait wird eine Prävalenz der psoriatischen Nagelbeteiligung von 38% im Kindesalter beschrieben, wobei Knaben häufiger betroffen sind.3 Die klinischen Veränderungen sind in Analogie zum Erwachsenenalter gleichartig, wobei die Nagelpsoriasis eine Onychomykose vice versa imitieren kann. Als häufigste Manifestation der Nagelpsoriasis (Abb.4) wurden Tüpfelnägel („pitting“) gefunden (61,84%), gefolgt von einer Onycholyse mit einem bei der Psoriasis typischen erythematösen Randsaum(30,26%), subungualen Hyperkeratosen (13,16%) und Dyskoloration (7,90%).
Lichen planus der Nägel
Der Lichen planus ist eine gutartige entzündliche Erkrankung ungeklärter Ätiologie, welche die Haut, die Schleimhaut, das Capillitium wie auch das Nagelorgan (1–10%) betreffen kann. Wie bei der Psoriasis kann auch bei Kindern beim Lichen ruber nur das Nagelorgan betroffen sein und er wird erfahrungsgemäß diagnostisch häufig verkannt. Wie bei Erwachsenen kann der Lichen planus der Nägel als Folge des Matrixbefalls zur Verdünnung der Nagelplatten mit longitudinaler Fissurierung und distaler Aufsplitterung der Nagelplatte führen oder sich bei schwerem Verlauf als dorsales Pterygium oder als sog. idiopathische Atrophie der Nägel präsentieren. Das klinische Erscheinungsbild einer Trachyonychie kann bei Kindern unter Umständen als Präkursor eines Nagellichens in Erscheinung treten – diesbezüglich sind Verlaufskontrollen angezeigt.
Literatur:
1 Starace M et al.: Nail disorders in children. Skin Appendage Disord 2018; 4(4): 217-29
2 Ginter-Hanselmayer G et al.: Onychomycosis - a new emerging infectious disease in childhood population and adolescents. Report on treatment experience with terbinafine and itraconazole in 36 patients. J Eur Acad Dermatol Venereol 2008; 22(4): 470-5
3 Nawaf Al-Mutain et al.: Nail changes in childhood psoriasis: a study from Kuwait. Pediatr Dermatol 2007; 24(1): 7-10
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