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Inverse Korrelation mit Vitiligo – viel Kaffee trinken – Nivolumab auch in der Adjuvanz
Jatros
Autor:
Dr. Susanne Kammerer
30
Min. Lesezeit
24.05.2018
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<p class="article-intro">Zahlreiche Sessions und neu vorgestellte Studien am AAD beschäftigten sich mit dem malignen Melanom, dessen Häufigkeit in Europa weiter dramatisch steigt. Nachfolgend lesen Sie eine Auswahl der interessantesten präsentierten Daten. </p>
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<p class="article-content"><p>Geringeres Melanomrisikobei Vitiligo</p> <p>Schon länger ist bekannt, dass Patienten mit der Autoimmunerkrankung Vitiligo ein reduziertes Risiko für Melanome aufweisen. In einer retrospektiven Kohortenstudie stellte man fest, dass Patienten mit Vitiligo ein um den Faktor 3 geringeres Risiko für ein Melanom aufweisen.<sup>1</sup> Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine amerikanische Studie.<sup>2</sup> Dies deutet darauf hin, dass es gemeinsame genetische Variationen gibt, durch welche eine Beziehung zwischen diesen beiden Erkrankungen hergestellt wird: So ist die Vitiligo mit zwei Major-Allelen im Tyrosinase-Gen assoziiert, während das maligne Melanom (MM) mit zwei Minor-Allelen am gleichen Ort assoziiert ist. Beide Genvarianten spielen bei der Synthese des Pigments Melanin eine Rolle.<br />Um diesen Zusammenhang näher zu beleuchten, wurden die wichtigsten Melanompolymorphismen in einer Genom­assoziationsstudie von 500 000 britischen Patienten (UK Biobank) untersucht.<sup>3</sup> Insgesamt wurden 34 Genvarianten identifiziert, die mit einem geringeren Risiko für Vitiligo assoziiert sind, jedoch das Risiko für ein Melanom erhöhen. Nach Ausführung von Dr. Nikolai Klebanov, Forscher an der Tufts University School of Medicine, Boston (USA), könnten die Erkenntnisse aus Genomassoziationsstudien künftig wertvolle Anreize für die Entwicklung von Medikamenten gegen MM bieten.</p> <h2>Melanominzidenz: Anstieg in Europa</h2> <p>Eine Studie zur Inzidenz des MM in 46 Ländern, die beim diesjährigen AAD als Late Breaker präsentiert wurde, zeigte, dass die Inzidenz für Melanome zwar nach wie vor in Australien und Neuseeland am höchsten ist, die Zuwächse jedoch vor allem in Europa zu verzeichnen sind.<sup>4</sup> Am häufigsten ist das Melanom mit einer Inzidenz von 35,8/100 000 Einwohner in Neuseeland, gefolgt von Australien (34,9/100 000 Einwohner), der Schweiz (20,3/100 000 Einwohner), den Niederlanden (19,4/100 000 Einwohner) und Dänemark (19,2/100 000 Einwohner). In 23 von 46 Ländern ist das MM bei Frauen häufiger als bei Männern, vor allem in Europa liegen die Frauen diesbezüglich an erster Stelle (in 21 von 27 Ländern). Werteten die Forscher die Melanommortalität (ebenfalls pro 100 000 Einwohner) aus, so ergab sich ein etwas unterschiedliches Bild: Zwar lagen auch hier Neuseeland und Australien an der Spitze (mit 4,7 bzw. 4,0), doch dann folgten Norwegen (3,6), Slowenien (3,1) und Schweden (2,8). <br />In den meisten Ländern war die Mortalität bei Männern höher, einschließlich aller Länder in Europa.<br />Aufschlussreich war auch der Anstieg der Zahl der Melanome im Zeitraum 2000 bis 2012: Sie nahm fast überall zu, doch ein Anstieg um mehr als 100 % fand sich bei Männern und Frauen in Italien und Großbritannien, bei Frauen in Japan und bei Männern in Spanien und in der Schweiz. Eine Abnahme der Melanomhäufigkeit in diesem Zeitraum zeigte sich lediglich bei den Frauen in Österreich, Australien und Neuseeland sowie den Männern in Brasilien. Insgesamt stabilisiert sich also die Lage in den am stärksten betroffenen Ländern, die Melanominzidenz steigt jedoch ungebrochen in vielen europäischen und asiatischen Ländern sowie in Nordamerika, so der Schluss der Studienautoren. „Obwohl die Krankheitslast des Melanoms am größten in Neuseeland und Australien ist, scheint sich die Erkrankung dort auf hohem Niveau zu stabilisieren, wozu vermutlich Public-Health-Kampagnen zum Thema Sonnenschutz und Melanomfrüherkennung beigetragen haben“, so das Fazit von Medizinstudentin Emily Dando, University of Pittsburgh School of Medicine (USA), bei der Vorstellung der Daten.</p> <h2>Täglicher Sonnenschutz als wichtigste Primärprävention …</h2> <p>Ein möglichst effizienter Sonnenschutz ist und bleibt nach Ausführung von Prof. Darell Rigel, New York School of Medicine (USA), die wichtigste Maßnahme zur Primärprävention eines MM, auch wenn diese Maßnahme bei Patienten äußerst unbeliebt ist.<sup>5</sup> Dies ist auch durch Studien gut dokumentiert: Das tägliche Auftragen eines Sonnenschutzes mit einem Lichtschutzfaktor von mindestens 15 auf Kopf und Arme im Vergleich zu einem Auftragen nach den Vorlieben der Probanden führte in einer australischen Studie mit 1621 Personen im Alter von 25 bis 75 Jahren dazu, dass sich nach 15 Jahren in der Gruppe, die den Sonnenschutz regelmäßig auftrug, 11 neue Melanome gebildet hatten, im Vergleich zu 22 Melanomen in der Gruppe, die den Sonnenschutz nach Belieben auftrug (p=0,0051). Das Auftreten invasiver Melanome konnte sogar um 73 % reduziert werden. Zudem kamen in der Gruppe mit regelmäßigem Sonnenschutz um 40 % weniger Plattenepithelkarzinome vor.<sup>6</sup></p> <h2>… und zusätzlich viel Kaffee trinken</h2> <p>Zwei aktuelle Metaanalysen bieten nach Ausführung von Prof. Rigel eine Möglichkeit zur Prävention, die bei Patienten deutlich besser ankommen dürfte: Ihnen zufolge schützt auch intensiver Kaffeekonsum vor der Entwicklung eines Melanoms.<sup>7, 8</sup> In einer Metaanalyse wurden zwei Fallkontroll- und fünf Kohortenstudien ausgewertet. Hier zeigte sich, dass die stärksten Kaffeetrinker ein um 19 % geringeres relatives Risiko für ein MM aufwiesen im Vergleich zu den Probanden, die am wenigsten Kaffee tranken. Die Autoren führen die Schutzwirkung auf chemopräventive Effekte von koffeinhaltigem Kaffee auf ein Melanom zurück.<sup>7</sup> In der Studie hatte koffeinfreier Kaffee keine Schutzwirkung. <br />In die zweite Metaanalyse gingen 23 Studien mit insgesamt 2 268 338 Teilnehmern ein.<sup>8</sup> Hier zeigte sich bei den Teilnehmern, die am meisten Kaffee tranken, eine Risikoreduktion ähnlichen Ausmaßes. In dieser Untersuchung senkte die koffeinhaltige Variante das Risiko um 15 % , der koffeinfreie Kaffee nur um 8 % . Zudem zeigte sich eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung: Pro Tasse Kaffee am Tag sank das Risiko für ein Melanom um 3 % unabhängig vom Koffeingehalt und sogar um 4 % , wenn nur koffeinhaltiger Kaffee getrunken wurde.<sup>8</sup></p> <h2>Aspirin nach der Melanomdiagnose</h2> <p>Nach Ausführungen von Prof. Rigel gibt es auch in der Sekundärprävention interessante Neuigkeiten: Einer retrospektiven Kohortenstudie zufolge leben Patienten, bei denen ein MM diagnostiziert wurde, länger, wenn sie Aspirin einnehmen.<sup>9</sup> An der Studie nahmen 1522 Patienten teil, bei denen zwischen 2000 und 2014 ein MM diagnostiziert worden war und die bis September 2016 nachverfolgt wurden. Die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) war bei Patienten, bei denen ein Melanom im Stadium II oder III diagnostiziert worden war, mit einem Überlebensvorteil verbunden. Dieser Zusammenhang bestand selbst dann, wenn bekannte Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Tumorstaging und die Behandlungsmethode in der Analyse berücksichtigt wurden. Zudem wurde bei Studienteilnehmern, die vor der MM-Diagnose ASS einnahmen, seltener ein Melanom im fortgeschrittenen Stadium III oder IV diagnostiziert.<sup>9</sup> Aufgrund dieser positiven Ergebnisse wird jetzt eine Studie durchgeführt, in der das Potenzial von ASS in der Sekundärprävention eines MM in prospektivem Design untersucht wird.</p> <h2>Adjuvante Therapie bald auch beim MM?</h2> <p>Dr. Allan Halpern, niedergelassener Dermatologe in New York (USA), gab in seinem Vortrag einen Überblick über neue Entwicklungen bei der Therapie des metastasierten Melanoms.<sup>10</sup> Eine adjuvante Therapie hat sich beim fortgeschrittenen Melanom bisher international nicht durchgesetzt. Ipilimumab ist zwar in den USA in dieser Indikation zugelassen, wird jedoch wegen der schlechten Verträglichkeit nur selten adjuvant eingesetzt. Dies könnte sich jedoch durch die Ergebnisse der CheckMate-238-Studie ändern, in der der Anti-PD-1-Blocker Nivolumab mit Ipilimumab im adjuvanten Setting verglichen wurde.<sup>11</sup> An der Studie nahmen 906 Patienten nach einer kompletten Resektion von Melanomen in den Stadien IIIB, IIIC oder IV teil. Postoperativ erhielten sie über ein Jahr regelmäßig Infusionen mit Nivolumab in einer Dosis von 3mg pro kg Körpergewicht oder Ipilimumab in einer Dosis von 10mg pro kg Körpergewicht. Nach einer Zwischenauswertung wurde die Studie aufgrund der höheren Effektivität von Nivolumab vorzeitig abgebrochen: In der Nivolumab-Gruppe ereigneten sich signifikant weniger Rückfälle/Todesfälle im Vergleich zum Ipilimumab-Arm (34 % versus 45,5 % ; p<0,0001). Auch hinsichtlich der Verträglichkeit war Nivolumab signifikant überlegen: Während in der Ipilimumab-Gruppe 45,9 % der Patienten Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 erlitten, waren es in der Nivolumab-Gruppe nur 14,4 % . Die Rate der Therapieabbrecher war in der Ipilimumab-Gruppe mit 42,6 % gegenüber 9,7 % in der Nivolumab-Gruppe ebenfalls deutlich höher. Diese Studie gab den Ausschlag dafür, dass Nivolumab im Dezember 2017 von der FDA die Zulassung für Patienten mit MM und Lymphknotenbeteiligung oder metastasierter Erkrankung erhielt, bei welchen eine vollständige Resektion durchgeführt wurde.<sup>12</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: AAD, 16.–20. Februar 2018, San Diego, Kalifornien, USA
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Teulings HE et al.: Decreased risk of melanoma and nonmelanoma skin cancer in patients with vitiligo: a survey among 1307 patients and their partners. Br J Dermatol 2013; 168: 162-71 <strong>2</strong> Paradisi A et al.: Markedly reduced incidence of melanoma and nonmelanoma skin cancer in a nonconcurrent cohort of 10,040 patients with vitiligo. J Am Acad Dermatol 2014; 71: 1110-6 <strong>3</strong> Klebanov N: Inverse genetic risk between vitiligo and cutaneous melanoma. 76<sup>th</sup> AAD Annual Meeting, Feb 16-20 2018, San Diego, USA; Abstract Nr. 6660 <strong>4</strong> Dando E: The growing burden of melanoma: The incidence and mortality of melanoma in 45 countries. 76<sup>th</sup> AAD Annual Meeting, Feb 16-20 2018, San Diego, USA; Abstract Nr. 6671 <strong>5</strong> Rigel D: Vortrag „Do primary and secondary melanoma prevention efforts make a difference?“, Symposium S021 – Dilemmas and challenges in skin cancer therapies and management. 76<sup>th</sup> AAD Annual Meeting, Feb 16-20 2018, San Diego, USA <strong>6</strong> Green AC et al.: Reduced melanoma after regular sunscreen use: randomized trial follow-up. J Clin Oncol 2011; 29(3): 257-63 <strong>7</strong> Liu J et al.: Higher caffeinated coffee intake is associated with reduced malignant melanoma risk: A meta-analysis study. PLoS one 2016; 11: e0147056 <strong>8</strong> Wang J et al.: Coffee consumption and the risk of cutaneous melanoma: a meta-analysis. Eur J Nutr 2016; 55: 1317-29 <strong>9</strong> Rachidi S et al.: Postdiagnosis aspirin use and overall survival in patients with melanoma. J Am Acad Dermatol 2018; [Epub ahead of print]. <strong>10</strong> Halpern A: Oral presentation S048 “Hot Topics/Melanoma Update 2018”. 76<sup>th</sup> AAD Annual Meeting, Feb 16-20 2018, San Diego, USA <strong>11</strong> Weber J et al.: Adjuvant nivolumab versus ipilimumab in resected stage III or IV melanoma. N Engl J Med 2017: 377: 1824-35 <strong>12</strong> https://www.fda.gov/Drugs/InformationOnDrugs/ApprovedDrugs/ucm590004.htm, last accessed March 12.</p>
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