
„Innovation and Diversity“ als Stärken der Dermatologie
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie
Medizinische Universität Graz
Das Interview führte
Dr. Gabriele Senti
Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf hat im Dezember die Präsidentschaft der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) übernommen. In den nächsten zwei Jahren warten auf ihn und die ÖGDV viele spannende Projekte, aber auch Herausforderungen. Welche das sind, erfuhren wir im Interview.
Sie stehen am Beginn Ihrer Präsidentschaft, aber befassen wir uns in der ersten Frage gleich einmal mit dem Ende: Woran werden Sie in zwei Jahren Ihren Erfolg messen?
P. Wolf: Wir arbeiten in der ÖGDV an einigen Projekten, für die noch keine finale Entscheidung getroffen wurde. Mein Ziel ist es, basierend auf dem Konsens mit meinen Kolleg*innen diese Projekte in die Umsetzungsphase zu bringen, oder eine fundierte gemeinsame Entscheidung gegen eine Durchführung zu treffen.
Eines dieser Projekte ist die Gründung eines eigenen Open-Access-Journals für Dermatologie, für das es in Österreich und darüber hinaus sicherlich Bedarf geben würde. Ein weiteres Bestreben der ÖGDV ist es, die Öffentlichkeitsarbeit zu forcieren, beispielsweise durch die Neugestaltung der Homepage. Diese soll zukünftig auch einen öffentlich zugänglichen Informationsbereich für Patienten und Interessierte umfassen. Eine so umfassende Plattform muss aber sorgfältig geplant und umgesetzt werden – auch das braucht Zeit. Ein letzter Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Versorgungsforschung in Österreich. Die ÖGDV möchte eine Professur zur Versorgungsforschung an einer österreichischen Universität unterstützen.
Wie sieht die Zukunft der Dermatologie in Österreich aus?
P. Wolf: Der Zustrom zur ÖGDV ist groß. Wir hatten die Möglichkeit, uns im Zuge der Jahrestagung einen Überblick über die Teilnehmer und Mitgliederstruktur zu verschaffen, und sind sehr zufrieden. Wir sehen, dass die ÖGDV sowohl für niedergelassene Dermatologen als auch Kliniker attraktiv sind.
Wir bemerken aber auch, dass uns ein Generationenwechsel bevorsteht. Die junge Generation ist bereits am Start und sehr motiviert. Das sieht man beispielsweise, wenn man sich die exzellenten Beiträge der Ärzt*innen in Facharztausbildung für die „Diakliniken“ bei der ÖGDV-Jahrestagung ansieht, ein Format, das auch immer gut besucht ist. Wir haben in der Dermatologie erfreulicherweise einen wirklich guten Zulauf – das unterscheidet uns von vielen anderen Disziplinen.
Wie wird sich die Arbeitswelt der Dermatolog*innen in der Zukunft ändern – worauf muss sich die junge Generation einstellen?
P. Wolf: Es wird vieles anders werden. Neue Arbeitsmodelle sind gefragt. Es zieht sich durch alle Sparten und Berufe und wir merken es auch an den Kliniken: Die Teilzeitbeschäftigung wird mehr gefordert. Das wird einen Umbruch bringen und es wird in Zukunft gemischte Arbeitsmodelle geben müssen, wie sie zum Teil jetzt schon in anderen Ländern wie beispielsweise in Australien Realität sind.
Zudem sehen wir einen Trend zu dualen Arbeitsverhältnissen, also parallelen Tätigkeiten in einer Klinik und einer Arztpraxis. Viele wollen die Verbindung zur Klinik und den damit verbundenen fachlichen Austausch und Input aus der Wissenschaft aufrechterhalten.
Welche Entwicklungen in der Dermatologie bereiten Ihnen Sorgen?
P. Wolf: In den Kliniken stehen wir vor großen Herausforderungen durch den Arbeitskräftemangel im Pflegebereich. In der Steiermark sprechen wir da von 400 unbesetzten Positionen im Pflegebereich in der KAGES. Man versucht dem gegenzusteuern, aber trotzdem sagen die Prognosen für die nächsten 5–6 Jahre weitere Verschlechterungen voraus. Das hat mit Pensionierungen zu tun, mit unattraktiven Arbeitszeitmodellen und dem Trend zur Teilzeitarbeit.
Welches sind die größten Herausforderungen im niedergelassenen Bereich?
P. Wolf: Hier besteht großer Handlungsbedarf bei der Honorierung der Leistungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gestaltet ist. Man könnte viel mehr erreichen, wenn die Strukturen zur Honorierung der Leistungen einheitlich wären.
Das bringt mich automatisch auch zum Thema Wahlarzt. Ihre Leistungen werden anders honoriert und sie haben mehr Zeit für die Patienten. Dadurch können sie auch aufwendige, herausfordernde Erkrankungen behandeln. Diese politische Diskussion über die Relevanz der Wahlärzte kann ich nicht nachvollziehen. Viele von ihnen machen sehr solide und hervorragende Medizin, für die im Kassenbereich aufgrund der hohen Patientenzahlen einfach oft Ressourcen fehlen.
Womit wir beim Thema Terminvergabe und Wartezeiten wären.
P. Wolf: Genau! Patienten warten in der Steiermark bis zu neun Monate auf einen Termin bei einem Kassenarzt. Viele weichen daher auf Krankenhäuser aus, selbst wenn ihre Beschwerden von einem niedergelassenen Dermatologen versorgt werden könnten. Klar gehen dann viele in die (Notfall-)Ambulanz, weil hier die kürzeste Wartezeit ist. Das kann aber nicht sein – hier braucht es eine Änderung im System. Die Ambulanz im Krankenhaus sollte immer erst die letzte Instanz sein für komplexe Fälle.
In Graz konzentrieren wir uns seit mehreren Jahren ausschließlich auf jene Fälle, die nur an der Klinik adäquat behandelt werden können. Alle anderen verweisen wir auf den niedergelassenen Bereich.
Österreich bewirbt sich mit Deutschland und der Schweiz für den „World Congress of Dermatology 2027“. Können Sie uns ein Update zum Bewerbungsprozess geben?
P. Wolf: Deutschland, die Schweiz und Österreich haben ein „Bidding Committee“ gegründet, das sich bemüht, den Kongress in die DACH-Region zu holen. Als ÖGDV-Präsident bin ich in die entsprechenden Aktivitäten eingebunden. Dazu haben wir gemeinsam mit der DDG ein professionelles Bewerbungsvideo erstellt und sind bei allen großen Dermatologiekongressen persönlich vor Ort, um Werbung zu machen. Im Falle einer Zusage würde der Kongress in München stattfinden und von Satellitenveranstaltungen in der Schweiz und Österreich begleitet werden. Das wäre tatsächlich sehr attraktiv! Uns steht mit Mexiko jedoch ein starker Mitbewerber gegenüber. Aber das Rennen ist auf jeden Fall offen, und die Chancen sind da.
Hätte Deutschland die Bewerbung nicht auch alleine stemmen können?
P. Wolf: Ich denke schon, aber eine Bewerbung aus der DACH-Region erhöht die Chancen. Der Aspekt der Gemeinsamkeit stellt das Ganze auf eine andere Basis.
Der Slogan der Bewerbung lautet „Innovation and Diversity in Dermatology“. Worauf bezieht sich „Diversity“?
P. Wolf: Vielfalt spielt sich auf mannigfaltigen Ebenen ab: dem Miteinbeziehen der Meinung anderer, der Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Kulturen und natürlich auch auf der Ebene Geschlechter.
Aber auch die inhaltliche Ausrichtung fällt hierunter. Die Dermatologie ist ein Querschnittsfach, viele Erkrankungen spiegeln sich über die Haut hinaus in anderen Organen wider. Das macht die Dermatologie zu einem diversen Fach. Und diese Diversität, gemeinsam mit der Innovation, sind die Stärken der Dermatologie!
Wir danken für das Gespräch!
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