
Impressionen aus Malawi
Autorin:
OÄ Dr. Marlies Wruhs
Dermatologische Abteilung,
Klinik Hietzing, Wien
E-Mail: office@hautarzt-wruhs.at
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Im Südosten Afrikas, weit entfernt von touristischer Erschließung, liegt Malawi – ein Binnenstaat, knapp größer als Österreich, mit etwa 19 Millionen Einwohner:innen. Das Land ist geprägt von hohen Bergen, weiten Ebenen und vor allem dem mächtigen Malawisee. Es ist das drittärmste Land der Welt und die Menschen leben vorwiegend von Landwirtschaft und Fischerei. Trotz der bitteren Armut wird Malawi am Kontinent als „the warm heart of Africa“ bezeichnet, was angesichts der außergewöhnlichen Höflichkeit und Freude der Einwohner:innen mehr als passend erscheint.
In der Hauptstadt Lilongwe befindet sich das Universitätsspital „Kamuzu Central Hospital“. Es ist ein maximalversorgendes Krankenhaus mit etwa 700 Betten, welche jedoch durchgehend fast doppelt überbelegt sind. Das Krankenhaus verfügt auch über eine dermatologische Abteilung in Form einer Ambulanz. Hier arbeitet Dr. Esther Mzumara, eine von zwei Dermatologinnen des Landes und ehemalige Stipendiatin der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie (ÖGDV). Dr. Mzumara betreut die dermatologische Ambulanz zusammen mit sogenannten „Assistant Medical Officers“, die zum Teil auch ein Diplom in Dermatologie und Venerologie erworben haben.Vor zwei Jahren hat Dr. Rosemarie Moser (Gründerin des Vereins Tumaini) dankenswerterweise den Kontakt zu Dr. Mzumara hergestellt. Schon während meines ersten Aufenthaltes hat mich die Herzlichkeit der Menschen berührt und zu weiterem Engagement veranlasst. Seither bin ich viermal nach Malawi gereist. In der Zusammenarbeit mit der dortigen dermatologischen Ambulanz konnte ich sowohl Wissen weitergeben als auch viele mir bis dahin nur aus dem Lehrbuch bekannte Dermatosen sehen und diagnostizieren.
Der Alltag und seine Tücken
Bereits frühmorgens sammeln sich Dutzende Patient:innen im Wartebereich der Ambulanz. Die Konsultationen reichen von banalen Arthropodenreaktionen und Akne über Ekzeme und Psoriasis bis hin zu ausgeprägten Mykosen, Lymphomen, Lepra, Tuberkulose oder Erbkrankheiten.
Die größte Herausforderung war es für mich, ohne diagnostische Hilfsmittel – wie Labor, Dermatoskop oder Mikroskop – nur auf Basis klinischer Kriterien eine Diagnose zu stellen. Nur wenn Patient:innen sie selbst bezahlen können, werden histologische Untersuchungen durchgeführt (Kosten pro Präparat €12). Auch therapeutische Maßnahmen sind leider nur in sehr eingeschränkter Form möglich und beschränken sich meist auf topische Kortikosteroide und einzelne antimikrobielle Therapien. Dank Spenden aus Österreich konnten zuletzt immerhin systemisch antimikrobielle und antimykotische Behandlungen durchgeführt und topische Imiquimodtherapien (z.B. für Menschen mit Albinismus) eingesetzt werden.
Den gewohnten dermatologischen Algorithmus neu zu gestalten habe ich als besonders lehrreich empfunden. Erwähnenswert ist hier beispielsweise das Erythem, das unzureichend oder gar nicht zu beurteilen ist, oder Hypo- und Hyperpigmentierungen, die einen hohen Stellenwert in der klinischen Beurteilung haben. Hilfreich ist auch die Kenntnis über die Prävalenz einzelner Erkrankungen auf dunkler Haut, hier gibt es einige Differenzen. Die Betreuung von Menschen mit Albinismus ist neben HIV/Aids eine der größten dermatologischen Herausforderungen. Malawi hat eine der höchsten Prävalenzen weltweit und hat die Versorgung dieser Menschen lange Zeit vernachlässigt.
Albinismus: eine medizinische, soziale und politische Aufgabe
Der österreichische Verein Tumaini der beiden Dermatologen Dr. Rosemarie Moser und Doz. Dr. Georg Klein begann bereits vor etlichen Jahren, sich des Problems der mangelnden dermatologischen Versorgung von Menschen mit Albinismus anzunehmen. In Lilongwe ermöglichte der Verein Tumaini die Einrichtung einer Albinismusspezialambulanz, die einmal wöchentlich im Kamuzu Central Hospital stattfindet. Hier werden Menschen mit Albinismus untersucht, über ihre Erkrankung informiert und erhalten Sonnencremen sowie -hüte, -brillen und -bekleidung. Dr. Mzumara leitet diese Ambulanz und setzt sich auch außerhalb der Klinik stark für Menschen mit Albinismus ein, denn diese sind in Afrika nicht nur durch die Sonne gefährdet. Sie sind sozial ausgegrenzt, aufgrund mangelnden Zugangs zu Schulbildung oft verarmt und einer steten Angst vor Verfolgung ausgesetzt. So ist die Ambulanz für viele auch eine wichtige soziale Institution – zum Kennenlernen und Austauschen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist deutlich spürbar.
Menschen mit Albinismus leben in steter Gefahr vor Verfolgung. Es existiert ein reger Handel mit Knochen von Menschen mit Albinismus, welche von traditionellen Heilern um viel Geld verkauft werden. Diesen Knochen werden außergewöhnliche Eigenschaften nachgesagt und nicht selten werden sogar eigene Familienmitglieder verraten und verkauft. Der Aberglaube an „witchcraft“, welche an den Knochen von Menschen mit Albinismus haften würde, zieht sich durch alle Gesellschafts- und Sozialschichten und gipfelte 2020 in einem geschätzten Höchststand von 150 Morden in Malawi.
Einen Lichtblick stellt der nun jährlich stattfindende „Albinism Awareness Day“ dar, den 2021 sogar der Präsident des Landes, Dr. Lazarus Chakwera, besucht hat. Er hat sich dabei umfassend informieren lassen und kündigte umfassende rechtliche und soziale Maßnahmen an, um das Problem der Albinismusverfolgung zu bewältigen. Eine tiefgreifende Aufarbeitung des Themas wird notwendig sein, um die Ursache und die Ausbreitung dieses Aberglaubens bekämpfen zu können.
Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet Dr. Mzumara auch durch regelmäßige Informationsabende über Albinismus für die Lehrer:innenschaft, die großen Anklang finden.
Hilfe vor Ort und aus Österreich
Durch die Covid-19-Pandemie sind Menschen in aller Welt massiven Einschnitten in der Versorgung mannigfaltiger Krankheiten ausgesetzt. Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern führte die Pandemie zu einer Abnahme der Möglichkeiten und der Qualität der Versorgung auf allen Ebenen.
In Lilongwe reduzierte die chirurgische Abteilung des Kamuzu Central Hospital, welche bislang die operative Versorgung der dermatologischen Patient:innen übernommen hatte, ihre Arbeit, sodass seit Beginn der Pandemie keine dermatologischen Operationen mehr stattgefunden haben. Das habe ich zum Anlass genommen, gemeinsam mit Dr. Mzumara einen Ambulanzraum in einen operativen Eingriffsraum umzufunktionieren. Dadurch konnte ich während meiner Aufenthalte dermatochirurgische Eingriffe durchführen.
Im Vordergrund steht selbstverständlich auch die Weitergabe operativer Kenntnisse, damit Ärzte neben Exzisionen und Exzisionsbiopsien in Zukunft auch kleine Lappenplastiken durchführen können. Die durch den Verein Tumaini zur Verfügung gestellte Kryotherapie findet großen Einsatz. Im Februar 2022 konnten wir dankenswerterweise durch eine Spende der Dermatologin Dr. Eva Mühlbacher einen Sterilisator nach Malawi senden, sodass ab nun die Operationsbestecke vor Ort aufbereitet werden können. Besonders Menschen mit Albinismus profitieren von diesen „surgical weeks“, weil trotz guter Betreuung und Prophylaxe dennoch unzählige Patient:innen an verschiedenen Formen des Hautkrebses erkranken. An erster Stelle stehen ausgeprägte Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome, oftmals in entstellender und leider zu oft palliativer Situation.
Aufgrund der diagnostischen Limitationen und der Brandbreite an Differenzialdiagnosen war jeder Aufenthalt in Malawi eine Herausforderung, doch dank der klinischen Erfahrung meiner Kolleg:innen vor Ort konnte ich mein dermatologisches Wissen, aber allen voran meine Erfahrungen in Tropendermatologie wesentlich erweitern.Die ÖGDV hat eine Ausnahmerolle in der finanziellen Unterstützung unter den Gesellschaften anderer Fachdisziplinen und dafür sei großer Dank gesagt. Weiters wäre diese Arbeit ohne die tatkräftige Unterstützung von privaten Spendern niemals möglich. Und das wissen auch die Patient:innen von Dr. Mzumara. Im Übrigen ist sie bereits dabei, Termine mit Patient:innen aus ganz Malawi für die nächsten „surgical weeks“ 2022 zu vereinbaren.
Wir sind dankbar für jede Spende!
Bitte helfen Sie mit!
Unterstützen Sie die Versorgung von Menschen mit Albinismus in Afrika durch eine Spende an:
Verein Tumaini Hilfe für Menschen mit Albinismus in Afrika
Österreichische Ärzte- und Apothekerbank AG
IBAN: AT16 1813 0830 8835 0000 BIC: BWFBATW1
Nähere Informationen finden Sie unter: www.help-albinism.at
Literatur:
• Emily Z Ma et al.: Oculocutaneous albinism: epidemiology, genetics, skin manifestation, and psychosocial issues. Arch Dermatol Res 2022; online ahead of print • Samson KK et al.: Histological review of skin cancers in African Albinos: a 10-year retrospective review. BMC Cancer 2014; 14: article number 157
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