Bronchialkarzinom: Neues für die Praxis
Autor:
OA Dr. Maximilian Hochmair
Leiter der pneumo-onkologischen Ambulanz und Tagesklinik
Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie
Karl Landsteiner Institut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie
Klinik Floridsdorf, Wien
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Am diesjährigen European Lung Cancer Congress (ELCC) in Prag wurden wieder spannende Daten präsentiert. Normalerweise liegt der Fokus dieses Kongresses auf der Fort- und Weiterbildung, doch es wurden auch klinisch relevante Daten vorgestellt. Auf einige meiner persönlichen Highlights möchte ich hier eingehen.
Ein wichtiges Thema war die subkutane (s.c.) Immuntherapie. Vorteil dieser Applikationsart ist, dass es zu Beginn zu einer Depotbildung kommt und im Verlauf zu einer langsameren Abnahme der Wirkstoffspiegel als bei der intravenösen (i.v.) Gabe. Der erste verfügbare Wirkstoff zur s.c. Injektion, Atezolizumab, hatte bereits in der Studie IMscin001 gezeigt, dass hinsichtlich der Wirksamkeit keine Unterschiede zwischen der s.c. und der i.v. Gabe bestehen.1
In der Cross-over-Studie IMscin002 wurden nun die Präferenzen der Patient:innen untersucht. Dazu wurden 179 Patient:innen in zwei Gruppen randomisiert und erhielten drei Zyklen Atezolizumab s.c. oder i.v. Für die nächsten drei Zyklen wurde die Applikationsform zwischen den beiden Gruppen getauscht. Anschließend konnten die Teilnehmenden entscheiden, wie sie weiterbehandelt werden wollten: Fast 80% entschieden sich für die s.c. Therapie. Bezüglich der Nebenwirkungen wurden keine Unterschiede zwischen der s.c. und der i.v. Gabe festgestellt.2 Dies zeigt ganz klar, dass wir im Sinne der Zufriedenheit unserer Patient:innen die s.c. Gabe bevorzugen sollten. Wir haben dies seit Anfang März schon in unserer Abteilung umgesetzt und sehr positive Erfahrungen damit gemacht. Derzeit laufen bereits Studien mit weiteren Wirkstoffen wie Nivolumab, Pembrolizumab und Durvalumab. Auf deren Ausgang dürfen wir gespannt sein.
Interessante Daten zur „targetedtherapy“
Am ELCC wurde ein Update zur LIBRETTO-001-Studie mit Selpercatinib präsentiert. Selpercatinib ist ein hochselektiver RET-Kinase-Inhibitor, der für die Behandlung des RET-Fusions-positiven nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) zugelassen ist. LIBRETTO-001 war eine große Studie mit 362 Patient:innen, die in der Erst- oder Zweitlinie Selpercatinib bekamen. Primärer Endpunkt war die objektive Ansprechrate (ORR) nach RECIST-Kriterien. Zu den sekundären Endpunkten gehörten Ansprechdauer (DoR), progressionsfreies Überleben (PFS), Gesamtüberleben (OS) und Sicherheit. Aktuell wurden die finalen Daten nach einem medianen Follow-up von 41,2 Monaten bei vorbehandelten und 40 Monaten bei den therapienaiven Patient:innen gezeigt. In beiden Gruppen betrug das mediane PFS mehr als 20 Monate (Erstlinie: 22 Mon., Zweitlinie: 26,2 Mon.) Auch das Gesamtüberleben ist beeindruckend: Nach einem medianen Follow-up von rund 42 Monaten (therapienaiv) und fast 45 Monaten (vorbehandelt) liegt das OS bei Letzteren bei 47,6 Monaten, während es in der therapienaiven Gruppe noch nicht erreicht wurde.
In beiden Gruppen hatten insgesamt 26 Patient:innen zu Studienbeginn ZNS-Metastasen. Sie wiesen nach einem medianen Follow-up von rund 26 Monaten eine ORR von 85% auf, wobei 27% eine komplette und 57% eine teilweise Remission hatten.
Das Nebenwirkungsprofil entsprach den bereits bekannten Daten.3
Die Frage ist, was im Fall einer Krankheitsprogression (PD) unter Selpercatinib passiert. Dazu wurde wurde eine Post-hoc-Analyse der 80 Patient:innen vorgenommen, die nach der Progression die Therapie fortsetzten. Von diesen wiesen 57 eine Oligo-PD, definiert als bis zu fünf progrediente Läsionen, auf und 23 eine Multifokal-PD. Einige Patient:innen erhielten zusätzlich eine lokale Strahlentherapie, was durchaus in Kombination mit Selpercatinib möglich ist. Es zeigte sich, das Patient:innen mit Oligo-PD von der Fortführung der Therapie profitieren, wobei das Outcome umso besser war, je weniger progrediente Läsionen vorlagen. Patient:innen mit Multifokal-PD profitierten nicht von der weiteren Selpercatinib-Gabe.4
NSCLC im Frühstadium
Hier ist die Studie CheckMate 77T zu erwähnen. Hier wurden Patient:innen mit resezierbarem NSCLC in zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe erhielt neoadjuvant Nivolumab + Chemotherapie, wurde dann operiert und anschließend adjuvant mit Nivolumab weiterbehandelt. die andere Gruppe bekam eine neoadjuvante Chemotherapie und nach der Operation Placebo. Primärer Endpunkt war das eventfreie Überleben (EFS). Es zeigte sich ein statistisch signifikanter Vorteil zugunsten der neoadjvanten Chemoimmuntherapie (HR: 0,58, 97,36%-KI: 0,42–0,81; p=0,00025). Beim ELCC wurden nun die Ergebnisse in Abhängigkeit von den neoadjuvanten Therapiezyklen (4 vs. <4) vorgestellt.5
Von insgesamt 461 randomisierten Patient:innen erhielten im Nivolumab-Arm 17% und im Placebo-Arm 12% weniger als vier neoadjuvante Therapiezyklen. Es zeigte sich, das die histopathologische Ansprechrate („major pathologic response“, MPR) und die Rate des vollständigen pathologischen Ansprechens (pCR) in der Nivolumabgruppe sich nicht signifikant von jenen in der Gruppe mit den vollständig abgeschlossenen vier Zyklen unterschieden (Tab. 1). Beim EFS ist der Unterschied größer (76% vs. 62%), weshalb es ratsam ist, möglichst die vier neoadjuvanten Zyklen vollständig zu geben.5
Tab. 1: CheckMate 77T: Ansprechraten 4 versus <4 neoadjuvante Therapiezyklen
Chemoradiotherapie plus Immuntherapie enttäuschte
Überraschend waren die Resultate der PACIFIC-2-Studie. Das PACIFIC-Regime ist Standard bei inoperablen Tumoren. Die Betroffenen bekommen zunächst eine Chemoradiotherapie und bei positivem PD-L1-Status anschließend Durvalumab. Daher war der Ansatz, Durvalumab mit der Chemoradiotherapie zu verbinden, sehr spannend. Vom Gefühl her hätte diese Studie klar positiv ausfallen müssen. Das Gegenteil war der Fall: Beim PFS war zwar ein Unterschied erkennbar, doch er war statistisch nicht signifikant. Auch die Subgruppenanalysen zeigten keinen Vorteil der simultanen Gabe von Durvalumab zur Chemoradiotherapie, selbst bei einem PD-L1-Status >1 war kein Trend zugunsten dieses Regimes erkennbar. Eine Erklärung dafür gibt es derzeit nicht.
Darüber hinaus kam es unter der Kombinationstherapie zu mehr Todesfällen. Daher wird sich dieses Konzept in der Praxis nicht durchsetzen.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate
Die Phase-III-Studie TROPION-Lung01 untersuchte Dato-DXd, ein TROP2-gerichtetes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC), bei vorbehandelten Patient:innen mit fortgeschrittenem NSCLC. Der duale primäre Endpunkt: Das PFS war in der „Intent to treat“(ITT)-Population im Vergleich zu Docetaxel signifikant länger (HR: 0,74, 95%-KI: 0,62–0,91, p=0,004).
Damit ist Dato-DXd das erste und bislang einzige ADC, das eine signifikante Verlängerung des PFS im Vergleich zu Docetaxel bewirken konnte. Das ist deshalb wichtig, weil wir von Taxotere wegkommen wollen. Es wurde vor 24 Jahren aufgrund von Daten einer Studie mit Gruppengrößen von 50 Personen zugelassen, während an TROPION-Lung01 600 Patient:innen teilnahmen.6
Die Interimsanalyse des Gesamtüberlebens (OS) war statistisch nicht signifikant, zeigte aber einen Trend zugunsten Dato-DXd. Ich bin jedoch sicher, dass mit zunehmender Reife der Daten auch das OS unter Dato-DXd signifikant länger sein wird als unter Docetaxel.
Vor allem Patient:innen mit nicht-plattenepithelialem (nsq) NSCLC, also mit Adenokarzinom, profitierten von der Therapie. Am ELCC wurden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Dato-DXd bei dieser Subgruppe präsentiert. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug rund 13 Monate.6 Von den 299 Patient:innen in der Dato-DXd-Gruppe und den 305 in der Docetaxelgruppe wiesen jeweils 234 ein Adenokarzinom auf. In dieser Subgruppe wurde unter Dato-DXd im Vergleich zu Docetaxel ein verlängertes PFS von 5,5 vs. 3,6 Monaten (HR: 0,63; 95% KI: 0,51–0,79) beobachtet (Tab. 2).
Tab. 2: Wirksamkeit von Dato-DXd vs. Docetaxel bei nichtkleinzelligen Adenokarzinomen der Lunge
Nebenwirkungen traten bei 88% der Patient:innen in beiden Armen auf. Nebenwirkungen Grad 3 oder mehr traten unter Dato-DXd seltener auf als unter Docetaxel (22% vs. 41%).6
Literatur:
1 Burotto M et al.: IMscin001 Part 2: a randomised phase III, open-label, multicentre study examining the pharmacokinetics, efficacy, immunogenicity, and safety of atezolizumab subcutaneous versus intravenous administration in previously treated locally advanced or metastatic non-small-cell lung cancer and pharmacokinetics comparison with other approved indications. Ann Oncol 2023; 34(8): 693-702 2 Cappuzzo F et al.: Primary results from IMscin002: a study to evaluate patient (pt)- and healthcare professional (HCP)-reported preferences for atezolizumab (atezo) subcutaneous (SC) vs intravenous (IV) for the treatment of NSCLC. ELCC 2024; Mini Oral Session #244MO 3 Gautschi O et al.: Final data from phase I/II LIBRETTO-001 trial of selpercatinib in RET fusion-positive non-small cell lung cancer (ID 57). ELCC 2024; Poster #35P 4 De Miguel Luken MJ et al.: Selpercatinib treatment beyond progression (PD) in RET fusion-positive NSCLC: association with pattern of PD (ID 58). ELCC 2024; Poster #36P 5 Awad M et al.: Clinical outcomes with perioperative nivolumab (NIVO) in patients (PTS) with resectable NSCLC from the phase III CheckMate 77T study (ID 525). ELCC 2024;Abstr. #LBA2 6 Bardley J et al.: Durvalumab in combination with chemoradiotherapy for patients with unresectable stage III NSCLC: final results from PACIFIC-2. ELCC 2024;Abstr. #LBA1 7 Girard N et al.: Datopotamab deruxtecan (Dato-DXd) in patients with previously treated advanced non-small cell lung cancer (NSCLC): Nonsquamous (NSQ) histology in the phase III TROPION-Lung01 trial (ID 81). ELCC 2024; Poster #59P
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