
Adjuvante und neoadjuvante Therapie beim Melanom im Stadium II/III
Bericht:
Hanna Gabriel, MSc
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Es gibt wohl kaum einen dermatologischen Bereich, in dem Leitlinien so rasant altern wie in der Melanomtherapie. Umso wichtiger ist es, sich laufend auf dem neuesten Stand zu halten. Wie dieser aktuell für adjuvante und neoadjuvante Therapien aussieht, wurde bei der ÖGDV-Tagung zusammengefasst. Inklusive der wichtigsten Studien.
Das vergangene Jahr brachte auf dem Gebiet der Melanomtherapie neben neuen Substanzen auch erweiterte Zulassungen. Etwa für den PD-1-Antikörper Pembrolizumab, der zur adjuvanten Therapie beim resezierten Stadium-II-Melanom zugelassen wurde, oder für die Kombination Nivolumab plus Relatlimab. Wie sich die Behandlungsoptionen in den letzten Jahren veränderten, wurde auf der Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) thematisiert. Im Fokus: adjuvante und neoadjuvante Therapien, vorgestellt von a.o. Univ.-Prof. Dr. Christoph Höller von der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien und Univ.-Prof. Dr. Roland Kaufmann, Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Goethe-Universität Frankfurt.
Adjuvante Optionen
„Bei der adjuvanten und neoadjuvanten Therapie sprechen wir von zwei unterschiedlichen Ideen“, eröffnet Höller seinen Vortrag. Die eine verfolgt den Ansatz, im Anschluss an eine Operation verbliebene einzelne Tumorzellen an ihrem Wachstum zu hindern. Das ist die adjuvante Seite. Die andere Idee besteht darin, einen Tumor präoperativ mitsamt seinem sogenannten „microenvironment“ zu behandeln. Dadurch soll einerseits der Tumor in seiner Größe reduziert und seine Operabilität gesteigert werden. Andererseits soll sich die Immunantwort verbessern. Diesen Ansatz verfolgt das neoadjuvante Prinzip, dazu aber später mehr.
Angefangen hat die adjuvante Therapie mit dem Einsatz von Interferon α, worauf später wirkungsvollere Therapieoptionen folgten. „Bei Interferon α lag die relative Reduktion des Rezidivrisikos bei etwa zwanzig Prozent. Das würde heutzutage für eine Zulassung höchstwahrscheinlich nicht mehr reichen“, so Höller. In den nächsten Jahren folgten Studien zu CTLA-4-Antikörpern (AK), PD-1-AK, BRAF- und MEK-Inhibitoren sowie kombinierten Immuntherapien.
Im Stadium III
Zu den moderneren adjuvanten Therapien ist eine Reihe von Phase-III-Studien zur Behandlung des Melanoms im Stadium III bekannt. Sie liefern den Grundstein aktueller Entwicklungen: die gegen Placebo geführte COMBI-AD-Studie zu Dabrafenib plus Trametinib (bei Patient*innen mit BRAFV600-Mutation)1 oder die (ebenfalls gegen Placebo geführte) KEYNOTE-054-Studie zu Pembrolizumab2. Auch CheckMate 238, bei der Nivolumab mit Ipilimumab verglichen wurde, reiht sich in diese Liste ein.3
„Mittlerweile kennen wir zu den Wirkstoffen auch langfristige Daten“, erklärt Höller. „Sie zeigen, dass wir das Rückfallrisiko relativ um vierzig bis fünfzig Prozent senken können. Spannend ist, dass dieses Ergebnis für Immuncheckpoint-Inhibitoren und die Kombination aus BRAF- und MEK-Inhibitoren gleichermaßen gilt. Das bedeutet, dass wir für unsere Patient*innen aus mehreren Optionen wählen können.“
Aktuell zielen die Bestrebungen darauf ab, adjuvante Therapien bereits im Stadium II zum Einsatz zu bringen. Den Hintergrund liefern Untersuchungen, wonach Patient*innen mit einem Melanom im Stadium IIB/C ein hohes Rezidivrisiko aufweisen4 und außerdem ein vergleichbares Risiko, zu versterben, wie Patient*innen im Stadium IIIB.5
Im Stadium II
Diesem Gebiet widmen sich vier Phase-III-Studien: Die gegen Placebo geführten Studien KEYNOTE-716 (Pembrolizumab), CheckMate 76K (Nivolumab) und COLUMBUS-AD (Encorafenib plus Binimetinib). Außerdem NivoMela (Nivolumab), bei der zusätzlich zu den üblichen Staging-Kriterien diejenigen Patient*innen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Rückfall erleiden, mittels prognostischer Biomarker identifiziert werden. „Dadurch kann man Patient*innen die teils erheblichen Nebenwirkungen einer Therapie ersparen, die sie gar nicht brauchen“, so Höller. Wie schon zuvor beim Stadium III wurde auch für diese Studien eine Behandlungszeit von einem Jahr festgelegt. Dass es dafür aber keine Rationale gebe, bemängelt der Experte. „Auch den Versuch, die Dauer auf sechs Monate zu verkürzen, hat die FDA blockiert. Es bleibt zu hinterfragen, ob das im Sinne der Patient*innen ist.“
Von manchen der Studien sind bereits Ergebnisse bekannt. „Mit Pembrolizumab können wir die Rückfallwahrscheinlichkeit relativ um 36 Prozent senken. Auch für Nivolumab zeigt sich ein signifikanter Unterschied mit einer relativen Risikoreduktion um 56 Prozent“, zitiert Höller Daten, die beim ASCO- und SMR-Kongress im vergangenen Jahr präsentiert wurden.
„Die KEYNOTE-716-Studie zeigt außerdem, dass die erste Metastasierung bei einem wesentlichen Teil der Patienten bereits eine Fernmetastasierung ist, meist in die Lunge. Das spricht dagegen, mit therapeutischen Maßnahmen zuzuwarten.“
Zum Schluss geht Höller noch auf die Verträglichkeit adjuvanter Therapieoptionen ein. Der Anteil unerwünschter Wirkungen, die zum Abbruch der Studienteilnahme führen, lag in der Vergangenheit für Nivolumab bei 10%, für Pembrolizumab bei 13,8% und für Dabrafenib plus Trametinib bei 26%.6–9 „Allerdings wissen wir, dass die Immuntherapien eher zu anhaltenden unerwünschten Wirkungen wie Schilddrüsenentzündungen oder Hypophysitis führen können. Es gilt daher, klar abzuwägen und die Patient*innen umfänglich aufzuklären“, so Höller abschließend.
Neoadjuvante Optionen
„Die Idee, neoadjuvant zu behandeln, ist an sich nicht neu. Wir kennen sie bereits von der präoperativen Bestrahlung oder Chemotherapie“, führt Kaufmann in den zweiten Teil des Vortrags ein. Dennoch versteht der Experte die derzeitige Entwicklung als ein „neues Zeitalter“ der neoadjuvanten Therapie. Sie setzt ebenfalls auf Immuntherapien oder zielgerichtete Therapien, die präoperativ bei soliden Primärtumoren (inkl. BCC, SCC, MCC) eingesetzt werden. Das Ziel ist auch hier ein verlängertes rezidivfreies und fernmetastasenfreies Überleben („relapse-free survival“, RFS, und „distant metastasis free survival“, DMFS) sowie eine verbesserte Operabilität.
Gepoolte Daten von sechs klinischen Studien zu PD-1-AK und BRAF/MEK-Inhibitoren zeigen ein längeres rezidivfreies Überleben bei der Immuntherapie („2-year“ RFS 96%) als bei der zielgerichteten Therapie („2-year“ RFS 79%).10 Insgesamt wurden dafür Daten von 192 Patient*innen analysiert, von denen 141 Immuntherapien und 51 zielgerichtete Therapien erhielten. Das „overall survival“ (OS) lag unter den BRAF/MEK-therapierten Patient*innen bei 91%. In der Gruppe der Immuntherapie wurden zum Zeitpunkt der Publikation keine Sterbefälle verzeichnet.
Neoadjuvante Therapien zielen darauf ab, einen Tumor mitsamt seinem „microenvironment“ präoperativ zu behandeln
Für den Vergleich der neoadjuvanten mit der adjuvanten Therapie verweist Kaufmann auf die randomisierte Phase-II-Studie SWOG S1801.11 Darin wurde die adjuvante Therapie operabler Melanome im Stadium III–IV mit Pembrolizumab mit einer zusätzlichen neoadjuvanten Applikation verglichen. Während im adjuvanten Studienarm (AT) 18 Zyklen postoperativ durchgeführt wurden, teilte man diese im zweiten Arm (NAT) auf drei neoadjuvante und 15 adjuvante Behandlungen auf. Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben, das in der AT-Gruppe signifikant höher lag als in der NAT („one-sided log-rank“ p=0,0015; Cox Hazard-Ratio (HR): 0,59; 95% Konfidenzintervall (CI): 0,40–0,86). Die OS HR war 0,63 (95% CI: 0,32–1,24, „one-sided“ p=0,091). Weder eine Zusatztoxizität noch ein Einfluss auf perioperative Ereignisse wurden festgestellt.
Ein zweites aktuelles Beispiel aus dem Bereich der neoadjuvanten Therapie liefert die PRADO-Studie12 (als Verlängerung von OpACIN-neo). Darin wurde die Entscheidung für Operation und adjuvante Therapie bei Hochrisikomelanomen im Stadium III personalisiert getroffen, je nachdem, wie die Patient*innen auf ein neoadjuvantes Therapieschema mit Ipilimumab und Nivolumab ansprachen. Lag nach der neoadjuvanten Phase kein Ansprechen vor (pNR, >50% vitale Tumorzellen), kam es zur Resektion inkl. adjuvanter Therapie. Bei partiellem Ansprechen (pPR, >10 bis ≤50% vitale Tumorzellen) wurde die Resektion ohne anschließende adjuvante Therapie durchgeführt. Bei Patienten, bei denen nach der neoadjuvanten Therapie ≤10% vitale Tumorzellen nachweisbar waren (MPR), wurden keine weiteren therapeutischen Interventionen gesetzt. Nach 12 Monaten wiesen 95% der MPR keine Rezidive auf, 81% der pNR und 73% der pPR. Nach 24 Monaten verdeutlichte sich dieses Bild mit 93% für MPR, 71% für pNR und 64% für pPR. „Das spricht auf der einen Seite stark für das neoadjuvante Therapieschema. Eine zweite Schlussfolgerung ist aber auf der anderen Seite, dass der Vergleich der partiellen und der Non-Responder die Wertigkeit der adjuvanten Therapie hervorstreicht“, so Kaufmann. Ob daraus ein neuer Therapiestandard entstehen wird, bleibt abzuwarten.
Quelle:
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV), 1.–3. Dezember 2022, Wien
Literatur:
1 Dummer R et al.: N Engl J Med 2020; 383(12): 1139-48 2 Eggermont AMM et al.: J Clin Oncol 2020; 38(33): 3925-36 3 Ascierto PA et al.: Lancet Oncol 2020; 21(11): 1465-77 [published correction in Lancet Oncol 2021; 22(10): e428] 4 Garbe C et al.: J Clin Oncol 2022; 40(32): 3741-9 5 Kanaki T et al: Eur J Cancer 2019; 119: 18-29 6 Weber J et al.: N Engl J Med 2017; 377(19): 1824-35 7 Eggermont AM et al.: N Engl J Med 2016; 375(19): 1845-55 [published correction in N Engl J Med 2018; 379(22): 2185] 8 Eggermont AMM et al.: N Engl J Med 2018; 378(19): 1789-801 9 Long GV et al.: N Engl J Med 2017; 377(19): 1813-23 10 Menzies AM et al.: Nat Med 2021; 27(2): 301-9 11 Patel S et al.: Ann Oncol 2022; 33(Suppl 7): 1408 12 Reijers ILM et al.: Nat Med 2022; 28(6): 1178-88
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