© Hautklinik Innsbruck

150 Jahre Hautklinik Innsbruck

„Wir stehen erst am Beginn“

Es ist das Jahr 1873: Eine österreichisch-ungarische Expedition entdeckt das heutige Franz-Joseph-Land. Aus aller Welt reisen Interessierte zur Weltausstellung nach Wien. Und in Innsbruck öffnet die „Hautklinik“ erstmals ihre Tore. Wie sich die Universitätsklinik in den 150 Jahren seither gewandelt hat und was die Zukunft bringt, erzählen Klinikleiter Univ.-Prof. Dr. Matthias Schmuth und der Leiter des Expertisezentrums für Genodermatosen, PD Dr. Robert W. Gruber.

Prof. Schmuth, 150 Jahre sind ein stolzes Jubiläum. Wie wird man das in Innsbruck feiern?

M. Schmuth: Wir wollen die Zukunft der Dermatologie und auch unserer Klinik thematisieren. Denn die Möglichkeiten, die sich uns derzeit in der Dermatologie bieten, sind wirklich fantastisch. Das zeigt sich zum Beispiel an den vielen Medikamenten, die uns neu zur Verfügung stehen und mit denen zuvor unbehandelbare Krankheiten plötzlich behandelbar werden. Einen zweiten Fokus möchten wir auf die Geschichte unserer Klinik legen. Dazu haben wir Menschen interviewt, die an der Hautklinik tätig waren, und ihre Erinnerungen in Zeitzeugenvideos festgehalten. Am weitesten zurück reicht eine Aufnahme mit Frau Dr. Annamaria Pretner, die ab 1960 hier an der Klinik gearbeitet hat.

Was können Sie uns über die Geschichte der Dermatologie und speziell der Hautklinik Innsbruck erzählen?

M. Schmuth: In dieser langen Zeit hat sich die Tätigkeit der Ärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten grundlegend gewandelt. Begonnen hat die Disziplin mit den Geschlechtskrankheiten, für die es damals trotz der vielen Patientinnen und Patienten keine Spezialisten gab. Stattdessen wurden die Patienten auf der Inneren Medizin oder Chirurgie behandelt, wo sich Ärzte vermehrt mit dieser Erkrankungsgruppe befassten. In Innsbruck war das Prof. Dr. Eduard Lang, ein Schüler von Theodor Billroth. Er arbeitete auf der Chirurgie, wurde dann zum eigenständigen Professor für – damals noch umgekehrt – Geschlechts- und Hautkrankheiten ernannt und gründete vor 150 Jahren unsere Abteilung.

Doz. Gruber, wie beurteilen Sie die Entwicklungen in der jüngeren Zeit?

R. W. Gruber: Ich selbst habe 2006 mit der klinischen Arbeit an der Hautklinik begonnen. Im Vergleich ist das ein kurzer Zeitraum, aber selbst in diesen 17 Jahren hat sich die Dermatologie enorm entwickelt. Zu Beginn meiner Tätigkeit wurden Patienten mit chronischen Hauterkrankungen wie atopischer Dermatitis oder Psoriasis noch stationär aufgenommen. Solche Behandlungen haben sich heute in den ambulanten Bereich verlagert. Deshalb ist es aktuell so wichtig, die ambulanten Strukturen auszubauen. Auch für uns in Innsbruck ist das ein wesentlicher Teil künftiger Entwicklungen.

Im letzten Herbst wurde eine Petition zum Erhalt der Einheit der Hautklinik veröffentlicht. Was waren die Hintergründe dafür?

M. Schmuth: Ich denke, es ist eine Tatsache, dass die Medizin nicht nur regulierter und juristischer wird, sondern auch immer mehr von ökonomischen Faktoren geprägt ist. Durch deren Dominanz werden die konkreten Notwendigkeiten für eine gute klinische und wissenschaftliche Arbeit manchmal nicht ausreichend berücksichtigt. Im Fall der Hautklinik betrifft das Planungen, durch welche Ambulanzen, Stationen und Labore der Hautklinik auf mehrere Standorte am Campus aufgeteilt werden sollen. Mit der Petition haben die Unterzeichnenden sich dafür ausgesprochen, diese Pläne zu überdenken.

Wieso stünde die Umstrukturierung einer guten Arbeit im Wege?

M. Schmuth: Das liegt daran, dass für den Fortschritt heute und auch in Zukunft die sogenannte Translation enorm wichtig ist, also die Übertragung von Ergebnissen vom Krankenbett ins Labor und wieder zurück. Dazu braucht es den Kontakt zwischen der Laborforschung und dem medizinischen Personal. Im besten Fall arbeiten sie eng zusammen.

R. W. Gruber: Derzeit ist bei uns im Haus die Ambulanz im Erdgeschoss untergebracht, die Labore im Keller und die Stationen in den oberen Stockwerken. So sind die Wege kurz und die Assistenten, die auch klinisch forschen, haben alles in unmittelbarer Umgebung.

M. Schmuth: Dieser Umstand trägt wesentlich zu unserem Erfolg bei und wird künftig von großer Bedeutung sein. Aber weil es sich dabei nicht um unmittelbar ökonomische Faktoren handelt, die sich in den Leistungszahlen des Spitals nachweisen lassen, findet das wenig Berücksichtigung. Bisher gibt es leider keine Antwort auf die Petition und auch noch keine Lösung für das Problem.

Daran zeigt sich auch das Gewicht der Wissenschaft für die Medizin.

M. Schmuth: Ja, das stimmt, diese Entwicklung kann man in unseren Zeitzeugenvideos schön nachvollziehen. Es gab in Innsbruck in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine sehr positive Bewegung hin zur wissenschaftlichen Methode und eine geradezu vollständige Wandlung des Faches in Richtung einer wissenschaftlichen Dermatologie.

Worauf hat man sich davor gestützt?

M. Schmuth: In erster Linie auf Erfahrungswerte. In den 1960ern zum Beispiel wurde oft mit desinfizierenden Farbstoffen gearbeitet, weshalb viele Patienten auf den Stationen bunt angemalt waren. Mittlerweile können wir ein breites Repertoire an Wirkstoffen nutzen. Außerdem stellt sich heute heraus, dass wir Medikamente krankheitsübergreifend einsetzen können. Je mehr wir also über die Muster krankheitsauslösender Faktoren wissen, desto gezielter und sinnvoller können wir Medikamente vorauswählen.

R. W. Gruber: In Zukunft werden wir vermehrt auf zielgerichtete Therapien setzen, die sich anhand von Immunprofilen erstellen lassen. Beispielsweise zeigen sich bei meinem Schwerpunkt, den Ichthyosen, Ähnlichkeiten mit den Immunprofilen der Psoriasis. Deshalb versuchen wir, Biologika auch für Ichthyosen einzusetzen. Das sind spannende Entwicklungen und genau dafür ist eine Universitätsklinik in meinen Augen da. Solche Forschungsansätze sollten wir in der Dermatologie forcieren.

Die Erforschung seltener Erkrankungen scheitert oft an geringen Fallzahlen. Wie begegnen Sie diesem Problem?

R. W. Gruber: Durch internationale Zusammenarbeit. Unser Zentrum für Genodermatosen mit dem Schwerpunkt Verhornungsstörungen ist seit Kurzem Teil des Europäischen Referenznetzwerks „ERN-Skin“. Ziel dieses Netzwerks ist es, multizentrische Studien durchzuführen, um so die nötigen Fallzahlen zu erreichen. Durch solche Projekte wollen wir die Erforschung seltener Erkrankungen vorantreiben.

Was ließe sich an der Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Medizin verbessern?

R. W. Gruber: Wichtig, wenn auch herausfordernd, ist der Transfer von wissenschaftlichem und technischem Fortschritt in den Klinikalltag. Technologien wie die konfokale Laserscanmikroskopie oder die optische Kohärenztomografie könnten unsere Arbeit maßgeblich bereichern und bis zu vierzig Prozent der Biopsien einsparen, wenn wir sie in unserem Alltag etablieren. Sie so früh wie möglich einzuführen, wäre besonders für die jungen Assistent*innen wichtig.

Was zeichnet die Hautklinik Innsbruck besonders aus?

M. Schmuth: Ich denke, wir haben ein einzigartiges Arbeitsklima, das für mich persönlich auch etwas sehr Herzerwärmendes hat. Es ist etwas ganz Besonderes, mitzuerleben, wie die vielen Mitarbeiter und Berufsgruppen nicht nur gut zusammenarbeiten, sondern auch wertschätzende Beziehungen zueinander pflegen.

Welche Berufsgruppen werden die Kliniken der Zukunft prägen?

R. W. Gruber: Die Zusammenarbeit zwischen der Pflege und dem ärztlichen Personal wird natürlich nach wie vor wesentlich sein. Daneben wird die pharmazeutische Unterstützung immer wichtiger, etwa durch klinische Pharmakologen. Außerdem schließen viele junge Ärzte heute mit einem PhD ab und haben dadurch große Wertschätzung für die Leistungen der Wissenschaft. Das alles stimmt mich positiv für die Zukunft.

Gewähren Sie uns zum Schluss noch eine Prognose: Für welche Indikation erwarten Sie in den kommenden Jahren besondere Durchbrüche?

R. W. Gruber: Wir erleben gerade so viele Erfolge, dass es schwer ist, sich auf eine einzelne Indikation festzulegen. Ich hoffe aber, dass wir beim metastasierten Melanom schon bald wieder Durchbrüche erzielen.

M. Schmuth: Ich denke, das wird bei sehr vielen Indikationen der Fall sein. Wir stehen eigentlich erst am Beginn.

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