
Bösartiges Eiweiß: Tumor oder Pseudotumor?
Autor:
Dr. Christian Geltner, MSc MBA
Chefarzt Innere Medizin V – Pneumologie
Donau Isar Klinikum Deggendorf-Dingolfing-Landau
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Fallbericht einer 58-jährigen Patientin nach einer definitiven Radiochemotherapie aufgrund eines Analkarzinoms (HPV-high-risk-positiv). Eine nachfolgende Tumornachsorge zeigte einen pathologischen Befund in der Lunge mit dem primären Verdacht auf eine pulmonale Metastase.
Fallpräsentation
Die 58-jährige Patientin präsentierte sich im März 2022 nach definitiver Radiochemotherapie aufgrund eines Analkarzinoms mit HPV-high-risk-Positivität. Die Tumornachsorge im September 2022 zeigte pathologische Befunde in der Lunge mit einem Malignom-verdächtigen Rundherd im rechten Oberlappen.
In der CT zeigte sich ein T1a-Tumor im rechten Oberlappen. Zur Unterscheidung zwischen einer Metastase des vorbekannten kolorektalen Adenokarzinoms und einem eventuellen Zweitkarzinom erfolgte eine bronchoskopische Untersuchung. Hierbei konnte der Herd im rechten Oberlappen mittels peripherer Ultraschallsonde detektiert und biopsiert werden. Zugleich zeigten sich endobronchiale Tumorauflagerungen und im Bereich des linken Hauptbronchus eine polypartig wachsende Malignomstruktur, die sich per continuitatem in die Lymphknotenregion 7 verbreitete. Hier führten wir eine EBUS-KRYO-TBNA (ultraschallgezielte Kryobiopsie von mediastinalen Lymphknoten) durch, die eine Fistelung ins Mediastinum zeigte (Abb. 1 und 2).
Die histologische Untersuchung ergab eine AL-Amyloidose in allen Lokalisationen mit einem Amyloidtumor im rechten Oberlappen. Alle gewonnenen histologischen Proben zeigten das idente Bild (Abb. 3). Zur weiteren Differenzierung und zur Gewinnung von mehr Probenmaterial für die Referenzpathologie an der Universitätsklinik in Kiel führen wir 14 Tage später eine neuerliche starre Bronchoskopie durch, die letzten Endes die Befunde bestätigte. Ein Teil der endobronchialen Tumoren wurde interventionell abgetragen (Kryoabtragung, Kryotherapie).
Abb. 3: Histologische Aufarbeitung der Proben mit dem Befund einer AL-Amyloidose (1. Bronchialknorpel und zartrot das Amyloid in der Umgebung; 2. dasselbe Bild mit Kongorot gefärbt zeigt deutlich das knallrot bis lila gefärbte Amyloid; 3. dasselbe Bild im Polarisationslicht, in dem das Amyloid hell leuchtend ist, da doppelbrechend)
Radiologisch fand sich kein Korrelat für die endobronchialen Befunde. In der LK-Station 7 wurde nur Weichteil beschrieben, kein umgrenzter Lymphknoten und keine solide Raumforderung; die Fistelung und die endobronchialen Auflagerungen waren nur retrospektiv zu erkennen.
Diagnose 12/2022
Systemische AL-Amyloidose
Amyloidtumor rechter Oberlappen (RB1-Amyloidose mit Mediastinalfistel im linken Hauptbronchus und multiple Herde endobronchial rechter Oberlappen, linker Hauptbronchus) ED 12/22
Z. n. Radiochemotherapie eines Analkarzinoms, HPV-high-risk-Positivität 03/2022
Z. n. Myokardinfarkt (03/2021)
Z.n. Nikotinkonsum
Die Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, bei der sich fehlgefaltete Proteine als unlösliche fibrilläre Aggregate ablagern. In diesem Fall wurde die Amyloidose als systemisch mit pulmonaler Beteiligung identifiziert. Die Herausforderung besteht darin, sowohl die systemischen Amyloidablagerungen als auch das Adenokarzinom effektiv zu behandeln. Die Entscheidung für eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender allogener Stammzelltransplantation (SCT) wurde getroffen, wobei jedoch Bedenken hinsichtlich des Abstands zum soliden Tumor (kolorektales Karzinom) und des ungewöhnlichen Verlaufs des pulmonalen Amyloidherdes im rechten Oberlappen bestanden.
Aus diesem Grund wurde zunächst die allogene SCT abgelehnt und aufgrund eines Tumorprogresses im rechten Oberlappen wurde die Patientin zur neuerlichen Histologiegewinnung zugewiesen. Eine auswärtige PET-CT-Untersuchung zeigte nur eine flaue Anreicherung im rechten Oberlappen und in der Pleura rechts (SUV 3–4) (Abb. 4). Die neuerliche Evaluierung zeigte dann ein rasch progredientes bronchopulmonales Adenokarzinom im rechten Oberlappen und eine Pleurakarzinose rechts durch dasselbe Karzinom – somit Tumorstadium IV (T1cN2M1a). Bronchoskopisch konnte der Rundherd im rechten Oberlappen transbronchial nach sonografischer Darstellung und EBUS-TBNA in Station 2R (Primärtumor) biopsiert werden (Abb. 5). Aufgrund des unklaren einseitigen Pleuraergusses rechts führten wir eine medizinische Thorakoskopie in Sedierung und Lokalanästhesie durch (Abb. 6). In der Pleura fand sich kein Hinweis auf die Amyloidose, obwohl endobronchial die Amyloidose deutlich progredient war, jedoch das auch in RB1 beschriebene bronchopulmonale Adenokarzinom.
Abb. 4: Radiologischer Progress 03/2023 (a) und neuaufgetretener Pleuraerguss rechts (b)
Abb. 6: Medizinische Thorakoskopie zur Biopsie und Pleurodese (Histologie: TTF-1 pos., Pleurakarzinose durch ein Adenokarzinom der Lunge. Kein Hinweis auf Rektumkarzinom oder Amyloidose)
Überraschende Neudiagnose 03/2023
Bronchopulmonales Adenokarzinom im rechten Oberlappen: ED 04/2023; cT1c cN2 cM1a (PLE), PS1, EGFR-WT; ALK negativ; ROS1 negativ; RET-Fusion negativ; Exon14-Scip-Mutation negativ; NTRK1/2/3 negativ. PDL-1: TPS 60 %, IC 0 %
Pleuracarcinosis durch ein Lungenkarzinom, kein Hinweis auf Amyloidose
AL-Amyloidose pulmonal multipel, ED 12/22
Aufgrund dessen wurde die Stammzelltransplantation kontraindiziert;die Patientin befindet sich derzeit in einer Chemo-Immuntherapie mit Carboplatin, Pemetrexed und Pembrolizumab und zeigt unter Erhaltungstherapie mit Pembrolizumab eine Stabilisierung. Die Amyloidose wird endobronchial kontrolliert.
Ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Amyloidose und progredientem Lungenkarzinom besteht, kann nicht abschließend beurteilt werden. Insgesamt sind innerhalb weniger Monate bei der Patientin drei Malignome unterschiedlicher Provenienz und Dignität aufgetreten, die auf eine systemische Krebsneigung hinweisen.
Schlussfolgerung
Die simultane Diagnose einer AL-Amyloidose und eines bronchopulmonalen Adenokarzinoms stellt eine komplexe klinische Situation dar und ist extrem selten. Die multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Onkologen, Hämatologen und anderen Fachexperten ist entscheidend für eine optimale Diagnosestellung und Therapieplanung. Dieser Fall betont die Bedeutung einer individualisierten Behandlungsstrategie und eines kontinuierlichen Monitorings für Patienten mit synchronen Tumorerkrankungen.
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