
Behandlungspfad bei Patellainstabilität
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Die Patellainstabilität kann im Alltag zu Unsicherheiten, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten, führen und im weiteren Verlauf chronische Schmerzen verursachen. In der orthopädischen Praxis stellt dieses Krankheitsbild eine häufige und oftmals komplexe Herausforderung dar. Für eine erfolgreiche Therapie ist daher ein strukturierter Behandlungspfad unerlässlich. Dieser Beitrag erläutert den Aufbau einer differenzierten Diagnostik und Therapie und präsentiert praxisnahe Beispiele.
Keypoints
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Eine chirurgische Therapie wird bei wiederholten Patellaluxationen empfohlen, da konservative Behandlungen in der Regel nicht ausreichend wirken.
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Aufgrund der komplexen ursächlichen Pathologie erfordert die Patellainstabilität eine gründliche klinische und radiologische Untersuchung.
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Das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) spielt eine zentrale Rolle als passiver Stabilisator der Kniescheibe.
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Die Wahl der chirurgischen Intervention bei Patellainstabilität sollte auf Basis der durchgeführten Analyse individuell angepasst werden.
Die Luxation der Patella ist eine häufige Verletzung, die bei 2–3% aller Knieverletzungen auftritt.1 Die meisten dieser Verletzungen treten in der 2. Lebensdekade mit einer jährlichen Inzidenz von 108 pro 100000 auf, wobei das Risiko bei Mädchen zusätzlich erhöht ist.2 Die Frage der Behandlung einer solchen Luxation ist mit der Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines Fortbestehens der Instabilität verbunden, sodass eine Analyse der Auffälligkeiten des patellofemoralen Gelenkes essenziell ist. Hier sind neben der spezifischen Anamnese eine differenzierte klinische Analyse und Bildgebung erforderlich.
Ein gezieltes Erheben klinischer Zeichen der Patellainstabilität ermöglicht die Identifikation möglicher zugrunde liegender Ursachen. Zu diesen zählen unter anderem eine Insuffizienz des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL), Trochleadysplasien, Achsabweichungen sowie Torsionsanomalien der unteren Extremität und strukturelle Auffälligkeiten des Streckapparates.
Zur adäquaten Beurteilung der komplexen anatomischen Gegebenheiten wird ergänzend zur klinischen Untersuchung eine standardisierte bildgebende Diagnostik empfohlen. Diese sollte ein MRT des betroffenen Kniegelenks, eine streng seitliche Röntgenaufnahme des Knies, eine Patella-Tangentialaufnahme, eine Ganzbeinstandaufnahme sowie – bei entsprechendem klinischem Verdacht – eine Rotationsanalyse der unteren Extremität umfassen.
Die Wahrscheinlichkeit für eine persistierende Instabilität mit rezidivierenden Patellaluxationen nach einer Erstluxation wird in der Literatur mit etwa 23–42% angegeben.2,3 Sie ist jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig, die im Abschnitt „Therapieoptionen“ näher erläutert werden. Liegen zum Zeitpunkt der Erstvorstellung bereits multiple Luxationen vor, sind insbesondere die Häufigkeit der Luxationen sowie die jeweils auslösenden Begleitumstände von klinischer Relevanz.
Klinik
Zur dynamischen Beurteilung des Patellagleitwegs streckt der Patient das Knie aktiv aus einer 90°-Beugung heraus. Dabei wird die Bewegung der Patella in Relation zum Femur beobachtet. Im Normalfall verläuft sie geradlinig nach proximal, ohne laterale Abweichung. Kommt es jedoch kurz vor der vollständigen Streckung zu einem abrupten Ausweichen der Patella nach lateral, gilt das sogenannte „J-Zeichen“, – benannt nach dem typischen Verlauf, der einem umgedrehten Buchstaben J ähnelt, als positiv.7,8
Ein positives J-Zeichen bei aktiver Kniestreckung kann auf eine muskuläre Dysbalance im Quadrizeps hindeuten, insbesondere auf eine Insuffizienz des Vastus medialis obliquus (VMO). Zeigt sich das Zeichen jedoch auch bei passiver Bewegung, weist dies eher auf eine strukturelle Veränderung der Femurtrochlea, wie etwa eine Trochleadysplasie, hin. Bei stabilen, anatomisch unauffälligen Kniegelenken ist das J-Zeichen in der Regel nicht nachweisbar.
Zur Beurteilung der medialen und lateralen Verschieblichkeit der Patella dient der Patella-Glide-Test. Er wird in Rückenlage mit gestrecktem oder leicht gebeugtem Knie durchgeführt. Bei entspannter Oberschenkelmuskulatur erfolgt eine manuelle Verschiebung der Patella nach medial und lateral. Eine laterale Verschiebung um etwa drei Viertel der Patellabreite weist auf eine partielle, eine darüber hinausgehende auf eine komplette Insuffizienz der medialen Stabilisatoren hin.7,9
Eine verminderte Verschiebbarkeit nach medial weist zudem auf eine Kontraktur der lateralen Stabilisatoren hin. Zusätzlich kann die Verschiebung der Patella nach lateral bei bestehender Patellainstabilität von Patienten als sehr unangenehm wahrgenommen werden (Apprehension-Zeichen). Dieser Test wurde sowohl in 20°-Beugung als auch in vollständiger Kniestreckung durchgeführt. In der Streckung ist der knöcherne Kontakt zwischen Patella und Trochlea weniger ausgeprägt, wodurch der Test als empfindlicher für die Beurteilung der passiven Weichteilstabilisatoren gilt. Ein positives Apprehension-Zeichen bei leichter Beugung kann zusätzlich auf eine Trochleadysplasie hinweisen.10
Krepitationen im femoropatellaren Gleitlager treten häufig bei Patienten mit vorderen Knieschmerzen auf und können auf eine Chondropathie oder eine Synovialitis hindeuten.11,12 Dem klassischen Patella-Kompressionstest (Zohlen-Zeichen) wird aufgrund seiner niedrigen Spezifität heutzutage nur noch geringe Bedeutung beigemessen.
Bildgebung
Die Röntgenuntersuchung sollte eine anteroposteriore (a.p.) Aufnahme, eine streng laterale Aufnahme sowie eine tangentiale Bildgebung umfassen, um in der akuten Phase mögliche Frakturen oder osteochondrale Fragmente zu identifizieren. Für die Entscheidung, ob eine chirurgische Intervention notwendig ist, sind zusätzlich ein MRT des Kniegelenks, ein Ganzbeinröntgen im Stand und gegebenenfalls eine Rotationsmessung der unteren Extremität von Bedeutung.
Das laterale Röntgenbild sollte für die Vermessung nur bei einer strengen lateralen Aufnahme verwendet werden. Da diese Anforderung nicht immer erfüllt ist, empfiehlt es sich, auf eine bildwandlergeführte Aufnahme zurückzugreifen. Zur Beurteilung der Patellahöhe stehen verschiedene Indizes zur Verfügung, wie der Caton-Deschamps-, der Blackburne-Peel- und der Insall-Salvati-Index.4 Mit den ersten beiden Indizes können auch Veränderungen der Patellahöhe nach Osteotomien an der Tuberositas tibiae erfasst werden, da das Tibiaplateau als Referenzpunkt dient.
Die Klassifikation der Trochleadysplasie kann nach dem von Dejour vorgeschlagen System erfolgen.5,14,15 Basierend auf dem streng seitlichen Knieröntgen werden in Kombination mit der axialen Schichtbildgebung (MRT oder CT) vier Typen von Trochleadysplasien unterschieden (Tab.1).
Die a.p. Röntgenaufnahme spielt eine untergeordnete Rolle bei der Therapieplanung, ist jedoch insbesondere für die Beurteilung einer Arthrose in den medialen und lateralen Kniegelenkskompartimenten von Bedeutung.
MRT
Das MRT spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik der Patellainstabilität. Es ermöglicht die Identifikation von chondralen und osteochondralen Verletzungen sowie Knochenmarksödemen, die durch Patellaluxationen hervorgerufen werden können. Zudem lassen sich Strukturen, die für einen normalen Patellalauf entscheidend sind, detailliert untersuchen:
Abb. 1: Darstellung der Messung des Abstands (schwarzer Doppelpfeil) zwischen dem tiefsten Punkt der Trochlea (blau) und der Tuberositas tibiae (rot). Die beiden Markierungspunkte werden senkrecht auf die Linie der dorsalen Femurkondylen (grau) projiziert
Abb. 2: MRT einer jungen Patientin mit wiederkehrenden Patellaluxationen: Zu sehen sind zwei axiale Schnittebenen etwa 3cm oberhalb des medialen Gelenksspalts (a). Bei lateral verlagerter Patella zeigt sich in der proximalen Schicht eine ausgeprägte Trochleadysplasie mit vollständig konvexer Kontur (weiße Pfeile, b). Klinisch präsentierten sich ein deutlich positives passives J-Zeichen sowie ein positives Apprehension-Zeichen. Die Therapie erfolgte durch eine Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Bandes mittels Grazilissehne in Kombination mit einer Trochleaplastik
Das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) stellt den wichtigsten passiven Weichteilstabilisator der Patella dar. Bei einer lateralen Patellaluxation kommt es bei einem funktionstüchtigen MPFL zu einer Ruptur, wobei verschiedene Ausrissformen an der femoralen oder tibialen Insertion sowie interligamentäre Rupturen unterschieden werden können. Im Fall einer chronischen Instabilität kann der Verdacht auf eine Insuffizienz des MPFL durch das MRT in Kombination mit der klinischen Untersuchung untermauert werden.
Der Abstand zwischen der Mitte der Trochlearinne und der Tuberositas tibiae (TTTG) gibt Aufschluss über die lateralisierenden Kräfte auf die Patella bei aktiver Kniestreckung. Diese Messung wird in der axialen Schichtung des MRT oder CT durchgeführt.5 Ein Wert bis zu 15mm gilt als physiologisch. Bei hochgradiger Trochleadysplasie kann die Bestimmung des tiefsten Punkts der Trochlearinne problematisch sein, da der proximale Abschnitt der Trochlea konvex geformt sein kann. In solchen Fällen wurde der Abstand zum medialen Rand des tibialen Ansatzes des hinteren Kreuzbandes als alternative Messgröße vorgeschlagen (TTPCL: Normwert <24mm)6 (Abb. 1).
Das MRT wird auch zur Analyse der Trochleaform in axialen Schichten herangezogen. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass je nach gewählter Schnittebene innerhalb desselben Kniegelenks unterschiedliche Ausprägungen der Trochlea sichtbar werden können. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurden verschiedene standardisierte Referenzebenen vorgeschlagen – etwa eine axiale Schicht 3cm oberhalb des medialen tibiofemoralen Gelenkspalts (Abb.2).
Ganzbeinröntgen
Die Ganzbeinaufnahme unter Belastung dient der Beurteilung von Achsabweichungen der unteren Extremität. Dabei sind sowohl eine exakte Analyse der vorliegenden Beinachse und Winkel erforderlich als auch – bei pathologischer Stellung – die Bestimmung des Zentrums der Rotations- und Angulationsfehlstellung (CORA).7 Für die Stabilität der Patella ist insbesondere eine valgische Beinachse ungünstig. Liegt die Deformität gelenknah am Knie, geht sie häufig mit einem reduzierten mechanischen lateralen distalen Femurwinkel (mLDFA) einher.8 Auf Basis dieser Befunde kann ab einer Abweichung von etwa 4 bis 5 Grad eine Indikation zur Beinachsenkorrektur erwogen werden.
Besteht klinisch der Verdacht auf Torsionsfehlstellungen, sollte zur objektiven Beurteilung eine Rotationsanalyse der unteren Extremität durchgeführt werden. Diese kann entweder CT- oder MRT-basiert erfolgen – insbesondere bei jüngeren Patient:innen wird aufgrund der Strahlenexposition die MRT bevorzugt.9 Zu beachten ist, dass sich die Referenzwerte sowohl je nach Bildgebungsmethode als auch je nach verwendeter Messmethode deutlich unterscheiden können.10 So liegen die Normbereiche für die gängigen Verfahren nach Reikeras et al. und Murphy et al. bei 15°±11° bzw. 28°±13°. Eine erhöhte Femurantetorsion gilt als potenziell negativer Einflussfaktor für die Patellastabilität, wobei die Datenlage hierzu begrenzt ist. Bei deutlich pathologischen Werten (z.B. >30° nach Reikeras) und klinisch relevanter Innenrotation („knee squinting“) kann eine Derotationsosteotomie erwogen werden, wobei sie als alleinige Maßnahme nicht dem Standardvorgehen bei Patellainstabilität entspricht.
Therapieoptionen
Konservative Therapie
Eine konservative Behandlung kann bei Erstluxationen in Erwägung gezogen werden, sofern in der MRT keine therapiebedürftigen osteochondralen Fragmente nachweisbar sind und keine ausgeprägten Risikofaktoren für eine Reluxation vorliegen. Daher ist eine sorgfältige Analyse der rezidivbegünstigenden Faktoren essenziell. Zu diesen zählen eine ausgeprägte Trochleadysplasie mit abgeflachtem Sulcuswinkel, eine Patella alta, ein niedriges Alter beim Erstereignis sowie eine bestehende Instabilität der kontralateralen Seite.3 Grundsätzlich verschlechtert sich die Prognose einer konservativen Therapie bei Vorliegen mehrerer anatomischer Risikofaktoren (Tab.2a und b). Auch das Rupturmuster des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) kann das Therapieergebnis beeinflussen – mit tendenziell günstigeren Verläufen bei patellanahen Rupturen.11
Für die konservative Behandlung stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, wobei die Evidenzlage zu deren Wirksamkeit uneinheitlich ist.16 In der akuten Phase, gekennzeichnet durch Schwellung und Schmerzen, wird eine kurzzeitige Immobilisation über etwa 1 bis 2 Wochen empfohlen. Anschließend erfolgt eine funktionelle Stabilisierung mithilfe einer patellaführenden Orthese – meist für einen Zeitraum von 6 Wochen – unter gleichzeitiger Mobilisierung. Ergänzend ist eine strukturierte physiotherapeutische Behandlung entscheidend, insbesondere mit Fokus auf die Kräftigung des Vastus medialis obliquus (VMO), die Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle und das gezielte Training der Beinachsenstabilität.
Operative Therapie
Eine Naht des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) ist vor allem in der akuten Phase nach einer Erstluxation indiziert und kann, je nach Art der MPFL-Verletzung, als Alternative zur konservativen Therapie in Betracht gezogen werden.11 Bei wiederholten Patellaluxationen ist hingegen eine operative Therapie grundsätzlich angezeigt. Dieser Entscheidung muss stets eine gründliche Analyse aller beteiligten Faktoren zugrunde liegen (siehe oben), die zur Wahl des optimalen Verfahrens führt. In vielen Fällen kann eine Kombination verschiedener chirurgischer Maßnahmen innerhalb einer einzigen Operation sinnvoll und zielführend sein.
MPFL-Plastik
Das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) spielt eine zentrale Rolle als passiver Stabilisator der Patella. Eine Verletzung des MPFL ist bei einer lateralen Patellaluxation nahezu immer anzutreffen. Während bei einer Erstluxation noch von einer potenziellen Heilung des Ligamentes ausgegangen werden kann, ist bei wiederholten Luxationen von einer Insuffizienz des MPFL auszugehen. Daher ist die Rekonstruktion des MPFL von entscheidender Bedeutung. Verschiedene operative Techniken wurden beschrieben, wobei Ersatzplastiken aus Grazilis-, Semitendinosus- oder Quadrizepssehnen zur Anwendung kommen. Bei der häufig genutzten Technik mit Grazilissehne wird diese zunächst entnommen und anschließend an der medialen Patella in der proximalen Region mit Ankern oder Schrauben im Knochen fixiert. Die Sehne wird dann in einer epikapsulären Schicht zum isometrischen Insertionspunkt geführt und dort in einem femoralen Bohrkanal fixiert. Schöttle beschrieb ein Schema zur Bestimmung des isometrischen Insertionspunkts im strikt seitlichen Strahlengang (Abb.3).17 Es wird jedoch empfohlen, intraoperativ die Korrektheit des Punkts durch eine Beweglichkeitsprüfung zu verifizieren. Neben der präzisen Technik bei der Platzierung der MPFL-Plastik ist eine adäquate Spannung der Sehne entscheidend. Diese darf nicht zu hoch eingestellt werden, um postoperative Schmerzen und Bewegungseinschränkungen zu vermeiden.
Bei Patienten im Kindes- und Jugendalter stellt die Erhaltung der Wachstumsfugen eine besondere Herausforderung dar. Dies betrifft insbesondere den femoralen Insertionspunkt des MPFL sowie den Bohrkanal für die Sehne. Es ist sicherzustellen, dass diese Strukturen distal der Wachstumsfuge positioniert werden, um potenzielle Wachstumsstörungen oder Beeinträchtigungen des knöchernen Wachstums zu vermeiden.
Ein frühzeitig initiiertes Beweglichkeitstraining ist entscheidend für den Erfolg der MPFL-Rekonstruktion. Dieses kann durch den Einsatz einer passiven Bewegungs- oder Motorschiene (CPM-Schiene) unterstützt werden. Die Mobilisation erfolgt in der Regel teilentlastend, wobei eine Schiene, die die Beugung für etwa sechs Wochen limitiert, zum Einsatz kommt. Um den Erfolg der MPFL-Rekonstruktion nicht durch begleitende Pathologien zu gefährden, wird sie oft mit weiteren chirurgischen Eingriffen kombiniert.18 Dazu gehören die Trochleaplastik bei ausgeprägter Trochleadysplasie, der Versatz der Tuberositas tibiae bei erhöhten TTTG-Werten sowie die Korrektur der Beinachse bei Genu valgum.
Trochleaplastik
Bei hochgradiger Trochleadysplasie ist eine Trochleaplastik in Kombination mit der MPFL-Rekonstruktion erforderlich. Indikationen für die Durchführung einer Trochleaplastik umfassen eine signifikante Trochleadysplasie mit vermindertem Sulcuswinkel, Dejour-Typ B bis D, ein positives J-Sign, insbesondere in passiver Bewegung, sowie ein positives Apprehension-Zeichen bei Beugung von mehr als 30°. Kontraindikationen stellen eine Arthrose des femoropatellaren Gelenks und ausgeprägte Chondropathien dar. Es gibt unterschiedliche Techniken für die Trochleaplastik, wobei die von Bereiter und Gautier beschriebene Technik eine trochleavertiefende Methode darstellt.19
Abb. 4: Trochleaplastik – Fixation der osteochondral mobilisierten Trochlea in der darunterliegenden modellierten Rinne mit resorbierbarem Band und Knochenankern
Die Trochleaplastik wird über einen lateralen, parapatellaren Zugang mit einer lateralen Arthrotomie durchgeführt. Dabei wird die Gelenkfläche der Trochlea femoris von laterokranial mit Meißeln oder einer speziellen Fräse mobilisiert, wobei der Übergang in die femorale Notch erreicht werden muss. Die subchondrale Knochenschicht muss dabei intakt bleiben. Im nächsten Schritt wird mit Meißeln und Fräsen eine Führungsrinne im spongiösen Knochen des Femurs erstellt, in die die konturierte Gelenkfläche vorsichtig eingesetzt wird. Gegebenenfalls muss der subchondrale Knochen bis auf etwa 2mm ausgedünnt werden. Die Fixierung erfolgt mit Ankern und einem resorbierbaren Band (Abb.4). Bei einem kontraktierten lateralen Retinaculum kann eine zusätzliche Verlängerung desselben erwogen werden. Die postoperative Nachsorge entspricht der einer MPFL-Rekonstruktion, wobei einige Autoren eine Begrenzung der Extension auf 30° empfehlen.
Tuberositas-tibiae-Transfer
Bei Patienten mit einem erhöhten TTTG-Abstand von über 15mm kann eine medialisierende Osteotomie der Tuberositas tibiae indiziert sein. Zusätzlich kann eine Distalisierung bei Patella alta erwogen werden. Verschiedene Techniken für den Transfer der Tuberositas tibiae wurden beschrieben.20 Die Osteotomie wird lateral begonnen, nach Durchtrennung des Periosts wird die Ebene der Osteotomie unter Bildwandlerkontrolle im streng seitlichen Strahlengang überprüft, um eine unbeabsichtigte Ventralisierung oder Dorsalisierung des Fragmentes zu vermeiden. Falls auf eine Distalisierung verzichtet werden kann, wird das Periost entlang der medialen Tuberositas und weiter nach distal erhalten.21 Nach der Mobilisation des Fragmentes erfolgt die Medialisierung, wobei eine Überkorrektur durch intraoperatives Testen des Patellalaufs ausgeschlossen werden sollte. Die Fixierung des Fragmentes erfolgt üblicherweise mit mindestens zwei Schrauben. In der postoperativen Phase ist eine strikte Reduktion der Belastung erforderlich, um Frakturen oder Dislokationen des Fragmentes zu vermeiden; hier kann eine Orthese zur Begrenzung der Kniebeugung eingesetzt werden.
Bei Kindern und Jugendlichen mit offenen Wachstumsfugen sollte eine knöcherne Korrektur der Tuberositas tibiae vermieden werden. Bei diesen Patienten wurde die modifizierte Grammont-Technik vorgeschlagen.22
Beinachsenkorrektur und Rotationskorrektur
Abb. 5: Bei einer Patientin mit wiederkehrenden Patellaluxationen und stark ausgeprägtem Genu valgum zeigt der mechanische laterale distale Femurwinkel (mLDFA, gelb), der den Winkel zwischen der mechanischen Femurachse und der femoralen Gelenkslinie beschreibt, einen stark verminderten Wert von 80° (links). Zur Korrektur des Genu valgum wurde eine lateral aufklappende Osteotomie am distalen Femur in Kombination mit einer MPFL-Plastik durchgeführt (rechts)
Valgische Fehlstellungen in der Nähe des Kniegelenks begünstigen eine Patellainstabilität und haben häufig ihren Ursprung in der Form des distalen Femurs, besonders bei einer Hypoplasie des lateralen Femurkondyls. Zur Korrektur dieser Fehlstellungen werden häufig lateral aufklappende oder medial zuklappende Osteotomien des distalen Femurs angewendet. Die Vor- und Nachteile der beiden Verfahren sind jedoch umstritten. Wenn eine Korrekturosteotomie mit einer MPFL-Plastik kombiniert wird, ist es wichtig, die Bohrkanäle für die MPFL-Plastik, die Ebene der Osteotomie und die Schraubenlöcher für die Osteosynthese exakt aufeinander abzustimmen. Es sollte beachtet werden, dass bereits eingelegtes Osteosynthesematerial die genaue Bestimmung des femoralen Insertionspunktes des MPFL erschweren kann. Daher sollte die Bestimmung des Insertionspunkts vorzugsweise vor der Korrekturosteotomie erfolgen (Abb.5). Bei Patienten im Wachstumsalter kann eine Korrektur von Beinachsdeformitäten durch Wachstumslenkung mittels temporärer Hemiepiphyseodese in minimalinvasiver Technik erfolgen.23
Literatur:
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