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Reisemedizinische Beratung im Alltag
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Matthias Hoffmann
Medizinische Klinik, Infektiologie/Spitalhygiene Kantonsspital Olten<br/> E-Mail: matthias.hoffmann@spital.so.ch
Autor:
Dr. med. Roland Weibel
Tropen- und Reisemedizin Gruppenpraxis Neuhard, Olten<br/> E-Mail: roland.weibel@hin.ch
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
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<p class="article-intro">Die Reisetätigkeit nimmt stetig zu und es werden immer öfter exotische Fernziele bereist. So nehmen z. B. Reisen auf den afrikanischen Kontinent überproportional zu. Der gesellschaftliche Wandel bringt es auch mit sich, dass ältere Personen häufiger auf Reisen gehen. Gleichzeitig sind Informationen über mögliche medizinische Risiken am Ferienziel in der heutigen multimedial vernetzten Welt rasch und einfach verfügbar. Diese Entwicklungen stellen neue Herausforderungen an die Reiseberatung in der hausärztlichen Praxis dar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Auch die mediale Präsenz möglicher «exotischer» Gesundheitsrisiken verändert die Risikoperzeption. Daher muss die Informationsflut in einer Beratung gewichtet und geordnet werden. Eine Beratung sollte sich deshalb nicht ausschließß lich auf eine Impfberatung beschränken, sondern die weiteren medizinischen Risiken umfassend thematisieren. Die Erfassung der genaueren Reiseumstände ist für eine individuelle Reiseberatung entscheidend (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-tab1-2.jpg" alt="" width="1189" height="626" /></p> <h2>Häufiges ist häufig – und geht häufig vergessen</h2> <p>Ferien werden als Entspannung gesehen und bereits alltägliche Beschwerden werden als Einschränkung empfunden. Dabei geht vergessen, dass eine Reise einen raschen Wechsel des Klimas, der Essgewohnheiten, der Kultur und des persönlichen Umfeldes mit sich bringt. So gaben z. B. rund 80 % der befragten Reisenden an, dass sie an einer allgemeinen Müdigkeit und Lethargie gelitten hätten. Ein weiteres, sehr häufig angegebenes Beschwerdebild waren Kopfschmerzen.<sup>1, 2</sup> Auf diese Veränderungen kann hingewiesen und damit die Perzeption beeinflusst werden. Das wichtigste «Reisemedikament» ist eine ausreichende Wasserzufuhr, durch welche diese Beschwerden gelindert werden können.<br /> Das Risiko für einen Verkehrsunfall oder ein kardiovaskuläres Ereignis ist deutlich höher als das Risiko für eine durch eine Impfung vermeidbare Erkrankung (Tab. 2). Meist ist die Verkehrssituation an der Reisedestination ungewohnt, was zu Unsicherheiten und dementsprechend zu einem erhöhten Unfallrisiko führen kann.<sup>3</sup> Insbesondere kostengünstige Fortbewegungsmittel, wie motorisierte Zweiräder, bergen auch in den Ferien ein besonders hohes Risiko und auf die Wichtigkeit des Tragens eines Helmes sollte hingewiesen werden, selbst wenn in der Feriendestination keine Helmpflicht gilt.</p> <h2>Fokus Infektionsrisiken</h2> <p>Das Ziel der Reiseberatung ist die Verhinderung zwar zumeist relativ seltener, jedoch mit einer hohen Morbidität und Mortalität vergesellschafteter Infektionserkrankungen mittels medikamentöser Prophylaxe oder Impfungen (Abb. 1). Je nach Reisedestination gilt für die Einreise ein Impfobligatorium (Gelbfieber, Meningokokken).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-abb1.jpg" alt="" width="657" height="442" /></p> <p><strong>Gelbfieber</strong><br /> Gelbfieber («Yellow Fever»; YF) ist eine durch den YF-Virus aus der Familie der Flaviviren verursachte akute Erkrankung. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 6 Tage. Milde Verlaufsformen sind bei der einheimischen Bevölkerung in Endemiegebieten häufig. Touristen oder Einwanderer erkranken öfter an einer ernsteren Form. Bei rund 15−20 % der Personen kommt es zu einem schweren Verlauf mit Ikterus, Blutungen und Organversagen. In diesen Fällen liegt die Mortalität bei 30−60 %.<sup>4</sup> Der Erreger wird hauptsächlich durch die Aedes- Mücke übertragen, welche im Gegensatz zur Anopheles-Mücke, dem Überträger der Malaria, auch tagaktiv ist. 2018/19 kam es zu einer Zunahme der Gelbfieberfälle in Brasilien, weshalb die Impfempfehlungen für Reisen nach Südamerika angepasst wurden (Abb. 2).<br /> Bei der Gelbfieberimpfung handelt es sich um einen attenuierten Lebendimpfstoff. Für viele Länder in Ost-, Zentral- und Westafrika besteht ein Impfobligatorium. Der Grenzübertritt von einem Land in Südamerika in ein anderes ist häufig nur mit einem gültigen Gelbfieber-Impfnachweis möglich. Die Impfung kann ab einem Alter von 9 Monaten verabreicht werden. Bei älteren Personen > 65 Jahre ist die Nebenwirkungsrate erhöht, wobei schwere Nebenwirkungen sehr selten sind. Dennoch ist bei älteren Reisenden eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung angezeigt. In der Schweiz ist die Impfung speziellen Gelbfieberimpfstellen vorbehalten. Eine einmalige Impfung bietet gemäss WHO (neue Empfehlungen seit 2016) einen lebenslangen Schutz. Einige Länder haben diese neue Bestimmung der WHO noch nicht übernommen und verlangen auch jetzt noch nach 10 Jahren eine erneute Impfung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-abb2.jpg" alt="" width="661" height="552" /></p> <p><strong>Dengue, Chikungunya und Zika</strong><br /> Neben Gelbfieber gibt es weitere Viren, welche durch Aedes-Mücken übertragen werden. Die wichtigsten reisemedizinischen Erkrankungen sind Dengue, Chikungunya und Zika, wobei letztere in den vergangenen Jahren häufig in den Schlagzeilen zu finden war. Die Diagnose wird durch die Kozirkulation verschiedener Flaviviren erschwert. Klinisch sind sie nur schwer zu unterscheiden (Tab. 3). Dengue wie auch Chikungunya verursachen ein meist in zwei Schüben verlaufendes Fieber. Häufig treten ein generalisiertes Exanthem sowie starke Kopf- und Gliederschmerzen auf. Typischerweise werden bei Dengue frontale und retroaurikuläre Kopfschmerzen beobachtet. Eine Chikungunya-Infektion kann mit wochenlang andauernden Gliederschmerzen ähnlich entzündlicher rheumatischer Beschwerden vergesellschaftet sein. Eine Impfung gegen diese Erkrankungen ist nicht verfügbar (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-abb3.jpg" alt="" width="661" height="836" /><br /> Im Gegensatz zu Dengue und Chikungunya handelt es sich bei Zika um ein neurotropes Flavivirus. Die meisten Infektionen verlaufen oligo- oder asymptomatisch mit unspezifischen Symptomen (siehe Tab. 3). Selten werden neurologische Komplikationen beobachtet. In der Schwangerschaft kann es beim Ungeborenen zu einer Mikrozephalie, zu Augenfehlbildungen oder zu einer Hörminderung führen. Daneben kann es zu Fehlgeburten, Frühgeburten und intrauteriner Wachstumsretardierung kommen.<sup>5</sup> Aktuell werden nur noch sporadisch Infektionen beobachtet. Vor 2015/16 zirkulierte das Zikavirus in Amerika nicht, sodass das Virus auf eine nicht immune Population traf und sich dadurch rasch ausbreiten konnte. Daraus entstand eine zunehmende Herdenimmunität, was dem Virus den Replikationswirtepool entzog. Daher ist die Inzidenz der Infektion gesunken und das Thema aus der Tagespresse verschwunden. Mit der reduzierten Inzidenz sinkt auch das Risiko für Reisende, sich mit dem Virus zu infizieren. Bei einer geplanten Schwangerschaft soll aber bei Reisen in ein Gebiet mit Zika-Übertragung auf die Gefahr für das Ungeborene hingewiesen werden. Es empfiehlt sich, bis 6 Monate nach der Rückkehr mit der Familienplanung zuzuwarten. Zudem sollen wegen der Gefahr einer sexuellen Übertragung die Safer-Sex- Regeln angewendet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-tab3.jpg" alt="" width="657" height="477" /></p> <p><strong>Bisse und Tollwut – wenn Reisende gebissen werden …</strong><br /> Die Tollwut ist eine durch das Tollwut- Virus (Rabies-Virus) verursachte tödliche Erkrankung. In vielen westeuropäischen Ländern wie auch in der Schweiz und Österreich ist die terrestrische Tollwut ausgerottet, nicht so aber in den meisten restlichen Ländern der Welt. Die Erkrankung wird durch den Speichel − insbesondere bei einem Biss − auf den Menschen übertragen. Tierbisse sind ein häufiger reisemedizinischer Notfall. Es wird geschätzt, dass 3/1000 Reisende nach > 3 Wochen Reisedauer einen Tierbiss mit einem möglichen Tollwutrisiko erleiden. Am häufigsten sind Hundebisse, gefolgt von Affenbissen. Geografisch ist das Risiko einer Tollwutinfektion in asiatischen Ländern am höchsten.<sup>6</sup> Ein besonders hohes Risiko haben Velo- und Motorradreisende sowie Wander- bzw. Trekking-Touristen. Der beste Schutz ist das Vermeiden eines Bisses, d. h., Tiere – und seien sie noch so «herzig» – sollten nicht gestreichelt werden. In diesem Zusammenhang sei auch das besondere Risiko bei Kindern hervorgehoben, welche häufig Bissverletzungen im Kopfbereich erleiden, sodass bei ihnen eine Tollwut rascher auftritt.<br /> Seit 2018 gilt in der Schweiz ein vereinfachtes Tollwutimpfschema: eine präexpositionelle Prophylaxe mit 2 Impfdosen an Tag 0 und 28 (Abb. 4).<sup>7</sup> Wenngleich aus immunologischen Überlegungen die zweite Dosis nicht zu früh erfolgen sollte, um eine optimale Abwehrgedächtnisantwort auszubilden, kann sie bereits nach 7 Tagen verabreicht werden, sodass neu auch relativ kurzfristige Beratungen vor der Abreise eine Tollwutimpfung nicht mehr verunmöglichen. Für abwehrgeschwächte Personen gilt weiterhin das herkömmliche 3-Dosen-Impfschema (Tag 0/7/21−28). Eine Impfung ist empfohlen bei entsprechendem Risiko (Velo-/Motorradreisen, Trekking, Reisen in abgelegene Gebiete etc.) oder einer Aufenthaltsdauer von > 1 Monat (indischer Subkontinent, Subsahara/Afrika, Bolivien u. a.). Zudem sollten die Patienten instruiert werden, nach einem Biss die Wunde gründlich mit Seife zu waschen und zu desinfizieren und einen Arzt aufzusuchen, da eine postexpositionelle Boosterung mit 2 Dosen an Tag 0 und 3 immer notwendig ist.<br /> Bisse bergen nicht nur ein Tollwutrisiko, sondern auch das Risiko für bakterielle Infektionen. Gerade Katzenbisse scheinen meist unspektakulär, sind aber aufgrund der Bissmechanik mit tiefen Penetrationswunden vergesellschaftet und bergen verglichen mit Hundebissen ein doppelt so hohes Risiko für Infektionen.<sup>8</sup> Splenektomierte (anatomisch oder funktionell) Personen sollte auf ihren Reisen eine präemptive antibiotische Therapie, z. B. Co-Amoxicillin 3 x 625 mg/Tag p. o. (bei Allergie alternativ Clindamycin 3 x 600 mg und Ciprofloxacin 2 x 500 mg/Tag p. o.) mitführen und nach einem Biss bzw. Speichelkontakt mit Schleimhäuten oder offenen Wunden unverzüglich einnehmen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-abb4.jpg" alt="" width="655" height="652" /></p> <p><strong>Hepatitis, Meningokokken, Japanische Enzephalitis</strong><br /> Weitere reisemedizinische Impfungen sind in Tabelle 4 aufgeführt. Hepatitis A ist eine v. a. in Asien, Afrika, aber auch in Osteuropa weitverbreitete Erkrankung. Sie wird fäko-oral etwa über kontaminierte Lebensmittel und Trinkwasser übertragen. Eine Infektion kann mehrere Wochen andauern und verursacht Bauchbeschwerden, Fieber und Ikterus. Eine Chronifizierung tritt – im Gegensatz zu einer Hepatitis- B- oder -C-Infektion – nicht auf. Eine niederschwellige Impfung erscheint sinnvoll, zumal die Infektion mit einer hohen Morbidität vergesellschaftet ist. Eine Hepatitis- B-Impfung ist generell für alle Reisenden zu empfehlen, da in vielen Regionen der prädominante Übertragungsweg bei Erwachsenen eine medizinische Behandlung mit nicht korrekt aufbereiteten Instrumenten darstellt. Bei fehlendem Hepatitis- B-Schutz kann Hepatitis A und B kombiniert geimpft werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-tab4.jpg" alt="" width="525" height="913" /><br /> Eine Meningokokkenimpfung mit den Stämmen ACWY ist bei Reisen in die Sahelzone Afrikas zu empfehlen («Meningitisgürtel »). Es handelt sich um einen Totimpfstoff, welcher nach 5 Jahren eine Boosterimpfung erfordert. Für Hajj-Pilger ist der Nachweis einer Impfung gegen die Serotypen ACYW obligatorisch.<sup>9</sup> Der Polysaccharidimpfstoff Mencevac© sollte nicht mehr verwendet werden.<br /> Das Risiko, an einer Japanischen Enzephalitis zu erkranken, ist für Reisende extrem gering und die Impfindikation ist selten gegeben. Weltweit wurden in der Vergangenheit ca. 1–2 Fälle/Jahr bei Reisenden diagnostiziert. Das Virus wird durch Culex-Mücken übertragen, Endemiegebiete sind ländliche Gegenden Asiens mit Wasserlandwirtschaft und Schweinehaltung.<br /> Eine Typhusimpfung (Vivotiv®) kann ergänzend empfohlen werden, sofern eine schlechte Nahrungsmittelhygiene während der Reise gegeben ist. Dies trifft v. a. auf den indischen Subkontinent (Indien, Pakistan, Afghanistan, Nepal, Bhutan, Bangladesch) sowie Papua-Neuguinea, Osttimor etc. zu. Bei der Beratung ist die eingeschränkte Wirksamkeit von 50–70 % zu erwähnen, damit sich der Reisende nicht in einer falschen Sicherheit wägt. Zudem handelt es sich um eine Schluckimpfung mit einem Lebendimpfstoff, welcher bei immunsupprimierten Personen kontraindiziert ist. Wichtig ist, die Schluckimpfung vor dem Beginn der Malariaprophylaxe abgeschlossen zu haben, da ansonsten die Impfwirksamkeit beeinträchtigt werden kann. Der Impfschutz hält etwa 1 bis 3 Jahre an.</p> <p><strong>FSME, Influenza und Masern – «neue Reiseimpfungen»?</strong><br /> Seit Beginn 2019 gilt für die Schweiz (mit Ausnahme der Kantone Tessin und Genf) eine flächendeckende Empfehlung einer Impfung gegen die durch Zecken übertragene Frühsommermeningoenzephalitis (FSME). Eine FSME verläuft meist biphasisch. Nach einer unspezifischen grippalen Symptomatik kann es in 5–30 % zu einer Meningoenzephalitis mit Fieber und Kopfschmerzen kommen. Sequelae können allenfalls über Monate persistieren.<sup>10</sup> Daher ist eine FSME-Impfung generell zu empfehlen, jedoch im Kontext der reisemedizinischen Beratung im Speziellen für Reisen (z. B. Campingferien o. Ä.) nach Osteuropa, Russland und in skandinavische Länder.<br /> Die Reiseberatung bietet zudem eine gute Gelegenheit, fehlende Basisimpfungen anzusprechen und zu komplettieren. Speziell die Masern sind wegen ungenügender Durchimpfungsraten und aufgrund abnehmender Impfbereitschaft nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit wieder auf dem Vormarsch.</p> <p><strong>Malaria 2019</strong><br /> Die Malaria wird durch Plasmodien verursacht, welche durch den Stich der Anopheles- Mücken übertragen werden. Bereits 6 bis 8 Tage nach einem infektiösen Stich, eventuell aber erst Wochen oder sogar Monate später, kann die Erkrankung ausbrechen. Sie äussert sich wie eine Grippe: Die Symptome sind Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, eventuell Schüttelfrost, selten auch Durchfall und Erbrechen. Kinder zeigen oft atypische Symptome. Eine unbehandelte Malaria kann innerhalb kurzer Zeit zu einer lebensbedrohlichen Krankheit mit Koma führen. Die Übertragung geschieht nachts und insbesondere nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang. In Regionen mit hohem Risiko (v. a. Schwarzafrika) wird meistens eine medikamentöse Prophylaxe empfohlen (Tab. 5). In Regionen mit einem geringen Malariarisiko soll ein Malariamedikament zur Notfallselbstbehandlung mitgegeben werden. Die Einnahme des Notfallmedikamentes ist angezeigt, wenn beim Auftreten von Fieber mit grippalen Symptomen innerhalb von 24 Stunden kein Arzt erreichbar ist. In Regionen mit minimalem Risiko wird einzig ein Mückenschutz empfohlen.<br /> Neben der medikamentösen Prophylaxe bzw. Notfalltherapie ist auf einen guten Insektenschutz zu achten. Auf die Haut soll ein Repellens mit den Wirkstoffen Diethyltoluamid (DEET) oder Icaridin aufgetragen werden. Kleider (hell und langärmlig) oder auch Räume können mit pyrethroidhaltigen Sprays behandelt werden. Räucherspiralen («coils») und imprägnierte Mückennetze helfen zusätzlich.<br /> Reisende, welche aus einem Malaria- Endemiegebiet stammen und für einen Verwandten-/Freundesbesuch zurückkehren («visiting friends and relatives»; VFR) haben ein erhöhtes Risiko, an Malaria zu erkranken, da sie den partiellen, in der Kindheit erworbenen Schutz gegenüber den Plasmodien verloren haben, sich dessen aber gleichzeitig nicht bewusst sind. Deshalb ersuchen sie uns auch nicht um eine Prophylaxe.<sup>11</sup> Diese Personen sollten, wenn möglich, bei medizinischen Konsultationen proaktiv auf ihre Reisepläne angesprochen und hinsichtlich der Notwendigkeit einer Malariaprophylaxe beraten werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-tab5.jpg" alt="" width="525" height="499" /></p> <p><strong>Der Reisedurchfall – keine Besserung in Sicht</strong><br /> Magen-Darm-Beschwerden gehören zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden während und nach einer Reise. Schon die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten und die Veränderung des Tagesrhythmus und des Klimas können Verdauungsprobleme verursachen. Die Inzidenz der Reisediarrhö im engeren Sinne liegt zwischen 10 und 40 %. Die Ursache ist meistens ein bakterieller Infekt, v. a. bei Kindern auch Viren, und selten, besonders bei protrahierten Verläufen, können Protozoen die Auslöser sein. Meist treten die Episoden in den ersten Ferientagen auf. Die Erkrankung ist im Allgemeinen selbstlimitierend und dauert 3–4 Tage.<sup>12, 13</sup><br /> Eine Antibiotikatherapie verkürzt die Symptomdauer nur unwesentlich (maximal einen Tag), kann jedoch die asymptomatische Bakterienausscheidungsrate erhöhen. Daher ist eine antibiotische Therapie bei milden Verläufen nicht angezeigt.<br /> In der heutigen globalisierten Welt ist das Auftreten von Antibiotikaresistenzen ein ernst zu nehmendes Problem. In Asien ist bereits eine hohe Prävalenz der Antibiotikaresistenzraten wegen des nicht regulierten Antibiotikaverbrauches in der Bevölkerung zu beobachten. Die Wahrscheinlichkeit der Kolonisation mit einem resistenten Bakterium beträgt nach der Rückkehr 10–20 % und steigt auf 30–45 % bei Heimkehrern, welche unter einer Reisediarrhö gelitten haben. Bei Personen mit einer Reisediarrhö, welche deswegen zudem noch Antibiotika eingenommen haben, steigt die Prävalenz auf 70–80 %.<sup>14</sup> Daher sollten Antibiotika nur sehr zurückhaltend als Stand-by-Medikation verschrieben werden, z. B. bei immunsupprimierten Reisenden mit einem höheren Risiko für Komplikationen und systemische Infekte. Eine Stand-by-Medikation für Reisen nach Asien und Afrika ist beispielsweise der Wirkstoff Azithromycin, für Reisen nach Mittel- und Südamerika ein Fluorochinolon.<sup>12</sup> Eine solche Medikation ersetzt jedoch bei Fieber nicht die Arztkonsultation.<br /> Die Therapie besteht in einer ausreichenden Rehydrierung. Loperamid kann allenfalls bei stark ausgeprägten Beschwerden die Diarrhö für einen halben bis ganzen Tag stoppen. Bei hohem Fieber und/ oder Blutbeimengungen im Stuhlgang sollte ein Arzt aufgesucht werden.<br /> Zur Vorbeugung ist nach wie vor die Nahrungsmittelhygiene entscheidend (Abb. 5). Die alte Regel «Cook it, peel it, boil it, or leave it!» hat nach wie vor ihre Gültigkeit. Vorsicht ist insbesondere bei Salaten, Meeresfrüchten, kalten Buffets, Mayonnaise, Glace, Milchprodukten und Eiswürfeln geboten. Die Inzidenz einer Reisediarrhö ist zudem unabhängig von der gebuchten Hotelkategorie. Die Inzidenz ist in gehobeneren Häusern genauso hoch wie in Jugendherbergen oder in Hostels. Eine prophylaktische Einnahme von Probiotika zeigt keinen Nutzen (einzig bei der Anwendung von Saccharomyces boulardii wurde in einer Untersuchung eine relative Reduktion von 30 % beschrieben) und kann daher nicht generell empfohlen werden.<sup>15</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-abb5.jpg" alt="" width="528" height="239" /></p> <p><strong>Sexuell übertragbare Erkrankungen auf Reisen</strong><br /> Reisende sollen auf die Risiken sexuell übertragbarer Infektionen und deren Prävention hingewiesen werden. Es wird geschätzt, dass ca. 12 % der neu diagnostizierten sexuell übertragbaren Erkrankungen («sexually transmitted diseases»; STD) bei Reisenden auftreten. Häufig sind nichtgonorrhoische («non-gonococcal») Urethritiden durch Chlamydien, Mykoplasmen oder Trichomonas verursacht. Bei Fieber und Lymphadenopathie, Exanthem oder Pharyngitis sollte differenzialdiagnostisch immer an eine akute HIV-Infektion gedacht, die Anamnese entsprechend erweitert und die Infektion aktiv gesucht werden. Eine HIV-Primoinfektion ist die häufigste Diagnose eines STD nach einer Reise, gefolgt von einer Syphilis.<sup>16</sup> Die präventive Massnahme zur Verhinderung einer HIV-Infektion ist der konsequente und richtige Gebrauch eines Kondoms bei sexuellen Gelegenheitskontakten – nicht nur während der Reise. In speziellen Situationen kann eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur HIV-Prävention angezeigt sein, z. B. bei Ferien mit Besuchen von (homosexuell ausgerichteten) Clubs. Eine spezifische STD-Beratung ist in diesen Fällen sicherlich sinnvoll und angezeigt. Gegen eine Gonorrhö oder «non-gonococcal» Urethritis sowie gegen eine Syphilis bieten Kondome keinen vollständigen Schutz, da die Krankheiten auch über Schmierinfektion übertragen werden können. Daher ist bei entsprechender Symptomatik bei Reiserückkehrern eine Diagnostik angezeigt.</p> <h2>Reisen im Alter – ein besonderes Vergnügen!?</h2> <p>Immer mehr ältere Personen erfreuen sich einer guten Gesundheit, welche Reisen auch in entlegene Gebiete zulässt. Das Alter per se stellt somit kein Reisehindernis dar und daher sollte von Reisen nicht grundsätzlich abgeraten werden. Auch bereits vorbestehende Komorbiditäten sind kein Reisehinderungsgrund, jedoch bedarf es einer individuellen Beratung und Aufklärung über die möglichen Risiken.<br /> Eine grundlegende Herausforderung des Reisens im Alter ist eine raschere Erschöpfbarkeit. Daher sollten für die Reise genügend Pausen und für die Akklimatisierung am Reiseziel entsprechend mehr Zeit eingeplant werden. Nur in einer Minorität (3 %) betagter Reisender kommt es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes; in zwei Dritteln der Fälle hat die Reise keinerlei Einfluss auf den Gesundheitszustand, bei einem Viertel tritt gar eine Besserung ein.<sup>17</sup><br /> Kardiovaskuläre Ereignisse sind die häufigsten potenziell letalen Diagnosen auf Reisen im Alter.<sup>17, 18</sup> Jedoch ist auch das Risiko eines Traumas durch Gangunsicherheiten (Sturzgefahr) und Orientierungsschwierigkeiten (z. B. im Strassenverkehr) im Alter > 60 Jahre erhöht. Dennoch gibt es einige Besonderheiten, welche beachtet werden sollten. Generell sollte kurz nach einem Myokardinfarkt oder einem zerebrovaskulären Ereignis (CVI) sowie bei einer schweren Herzinsuffizienz und ebenso bei schwerer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) mit Sauerstofftherapie und nach thoraxchirurgischen Eingriffen (inkl. Pneumothorax) auf eine (Flug-)Reise verzichtet werden (für 6 Monate). Als Faustregel für die Praxis gilt, dass eine Flugfähigkeit (und damit Fernreisefähigkeit) vorliegt, sofern der Patient ohne Beschwerden 10 Treppenstufen steigen oder 50 m geradeaus gehen kann. Eine Niereninsuffizienz stellt in der Regel kein Problem dar. Bei einer schweren Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance < 30 ml/Min.) ist jedoch eine Malariaprophylaxe mit Malarone® kontraindiziert. Interaktionen zwischen einer Malariaprophylaxe/- notfallmedikation und der bestehenden Therapie müssen überprüft werden. Tabelle 6 gibt zudem eine Übersicht über die Indikationstellung einer Thromboseprophylaxe bei Langstreckenflügen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_a1-tab6.jpg" alt="" width="527" height="538" /><br /> Eine spezielle Herausforderung stellen immunsupprimierte Personen dar. Immunsupprimierende Therapien sind zunehmend in den unterschiedlichsten Indikationen in Gebrauch und ermöglichen den Betroffenen aufgrund einer Verbesserung der Lebensqualität auch das Reisen. Je nach Immunsuppression sollte für die Reiseberatung und die Indikationsstellung von Reiseimpfungen mit einem spezialisierten Zentrum Kontakt aufgenommen werden. Dies sollte wenn möglich bereits vor dem Beginn einer Immunsuppression – insbesondere bei Einnahme eines Anti- CD27- oder eines TNF-alpha-Blockers – erfolgen, um allenfalls notwendige Impfungen für zukünftige Reisepläne vorgängig durchführen zu können. Generell gilt, dass ältere Reisende entsprechend den Impfempfehlungen geimpft werden können und sollen (vgl. Tab. 4).<br /> Vor der Reise sollten bestehende Therapien nicht verändert oder angepasst werden. Dem Patienten ist zu empfehlen, genügend Medikamente mitzuführen (die Hälfte davon im Handgepäck). Zudem soll dem Patienten eine medizinische Dokumentation (Diagnosen, Therapien/Medikamente) in Englisch (oder der Landessprache der Zieldestination) mitgegeben werden.</p> <h2>Sinnvolle Reiseapotheke</h2> <p>Umfang und Zusammensetzung der Reiseapotheke werden durch die individuellen Bedürfnisse des Reisenden bestimmt, aber auch durch das Reiseziel und, damit verbunden, die Zugänglichkeit medizinischer Hilfe. Eine Selbstmedikation soll die Behandlung der häufigsten zu erwartenden gesundheitlichen Probleme ermöglichen. Dies sind in erster Linie Magen-Darm-Störungen (Durchfall/Brechdurchfall) und Infekte der Luftwege (Erkältungskrankheiten), aber auch Hautinfektionen und Insektenstiche. Zudem sollten Mückenschutzmittel nicht vergessen werden.<br /> Die detailliertere Besprechung der Besonderheiten der reisemedizinischen Beratung bei Reisen mit Kindern, Bergtouren in grossen Höhen, Tauchen etc. sprengt den Rahmen dieser Zusammenstellung. Zusammenfassend sollte man sich für das Beratungsgespräch genügend Zeit nehmen, um einerseits die Reiseimpfungen und die Malariaprophylaxe bzw. -notfalltherapie eingehend besprechen zu können und andererseits um auch auf die häufigeren, teils nicht infektösen medizinischen Probleme hinzuweisen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_kasten.jpg" alt="" width="257" height="291" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Leder K et al.: GeoSentinel surveillance of illness in returned travelers, 2007-2011. Ann Intern Med 2013; 158: 456- 68 <strong>2</strong> Wilson ME et al.: Fever in returned travelers: results from the GeoSentinel Surveillance Network. Clin Infect Dis 2007; 44:1560-8 <strong>3</strong> Petridou E et al.: Are traffic injuries disproportionally more common among tourists in Greece? Struggling with incomplete data. Accid Anal and Prev 1999; 31: 611-5 <strong>4</strong> Monath TP, Vasconcelos PF: Yellow fever. J Clin Virol 2015; 64: 160-73 <strong>5</strong> Boud D et al.: An update on Zika virus infection. Lancet 2017; 390: 2099-109 <strong>6</strong> Wieten RW et al.: Risk of rabies exposure among travellers. Neth J Med 2015; 73: 219-26 <strong>7</strong> Hatz C et al.: Neues Tollwutimpfschema in der Reisemedizin. Swiss Med Forum 2018; 18: 626-7 <strong>8</strong> Boillat N, Frochaux V: Animal bites and infection. Rev Med Suisse 2008; 4: 2149-55 <strong>9</strong> Ceyhan M et al.: Acquisition of meningococcal serogroup W-135 carriage in Turkish Hajj pilgrims who had received the quadrivalent meningococcal polysaccharide vaccine. Clin Vaccine Immunol 2013; 20: 66-8 <strong>10</strong> Lindquist L, Vapalahti O: Tick-borne encephalitis. Lancet 2008; 371: 1861-71 <strong>11</strong> Gautret P et al.: Infectious diseases among travellers and migrants in Europe, EuroTravNet 2010. Euro Surveill 2012; 17: pii: 20205 <strong>12</strong> Steffen R et al.: Traveler's diarrhea: a clinical review. JAMA 2015; 313: 71-80 <strong>13</strong> Al-Abri SS et al.: Traveller's diarrhea. Lancet Infect Dis 2005; 5: 349-60 <strong>14</strong> Kantele A et al.: Antimicrobials increase travelers' risk of colonization by extended-spectrum betalactamase-producing Enterobacteriaceae. Clin Infect Dis 2015; 60: 837-46 <strong>15</strong> McFarland LV, Goh S: Are probiotics and prebiotics effective in the prevention of travellers' diarrhea: A systematic review and meta-analysis. Travel Med Infect Dis 2019; 27: 11-19 <strong>16</strong> Matteelli A et al.: Travel-associated sexually transmitted infections: an observational cross-sectional study of the GeoSentinel surveillance database. Lancet Infect Dis 2013; 13: 205-13 <strong>17</strong> Gautret P et al.: Travel-associated illness in older adults (>60 y). J Travel Med 2012; 19:169-77 <strong>18</strong> Reed CM: Travel recommendations for older adults. Clin Geriatr Med 2007; 23: 687-713, ix<strong> 19</strong> Steffen R et al.: Vaccine-preventable travel health risks: what is the evidence--what are the gaps? J Travel Med 2015; 22: 1-12 <strong>20</strong> Freedman DO et al.: Spectrum of disease and relation to place of exposure among ill returned travelers. N Engl J Med 2006; 354: 119-30 <strong>21</strong> Eckerle I et al.: Emerging souvenirs-clinical presentation of the returning traveller with imported arbovirus infections in Europe. Clin Microbiol Infect 2018; 24: 240-5 <strong>22</strong> Ali A et al.: Advances in research on Zika virus. Asian Pac J Trop Med 2017; 10: 321-31 <strong>23</strong> Weaver SC: Urbanization and geographic expansion of zoonotic arboviral diseases: mechanisms and potential strategies for prevention. Trends Microbiol 2013; 21: 360-3 <strong>24</strong> Hadinegoro SR et al.: Efficacy and long-term safety of a dengue vaccine in regions of endemic disease. N Engl J Med 2015; 373: 1195-206 <strong>25</strong> Ferguson NM et al.: Benefits and risks of the Sanofi- Pasteur dengue vaccine: Modeling optimal deployment. Science 2016; 353: 1033-36 <strong>26</strong> Sridhar S et al.: Effect of Dengue Serostatus on dengue vaccine safety and efficacy. N Engl J Med 2018; 379: 327-40<strong> 27</strong> Bundesamt für Gesundheit (BAG): Anpassung des Schemas für die postexpositionelle Tollwutprophylaxe: Aktualisierung der Empfehlungen. Bulletin 2012; 6: 111-5 <strong>28</strong> von Wattenwyl et al.: Reisezeit ist Flugzeit: Thromboserisiko, Jetlag und Herzoperationen. Swiss Med Forum 2015; 15: 860-6</p>
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