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Gesundheit und Medizin

Adipositas: Ärzteschaft fordert Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkassen

Wien - Es ist ein breiter Schulterschluss von Gesundheitsexperten und Ärzt*innen unterschiedlichster Fachrichtungen – mit einem gemeinsamen Ziel: Adipositas als Krankheit so zu verankern, dass die Krankenkassen die Kosten für Therapien und Medikamente im Regelfall übernehmen. Als Zeichen für die Dringlichkeit, sich diesem im wahrsten Sinne des Wortes gewichtigen Problem zu widmen, wurde am Dienstag die „Österreichische Adipositas Allianz“ vorgestellt. Die Initiative besteht unter anderem aus der Österreichischen Adipositas Gesellschaft (ÖAG), der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) und der Österreichischen Gesellschaft für Adipositas- und Metabolische Chirurgie (ÖGAMC).

Dass starkes Übergewicht kein Lifestyle-Problem, sondern eine verbreitete Krankheit mit zahlreichen Folgeerscheinungen ist, belegen zahlreiche Daten: Laut österreichischer Gesundheitsbefragung (ATHIS) der Statistik Austria sind hierzulande 2,5 Millionen Menschen über 15 Jahre von Übergewicht betroffen und 1,235 Millionen (16,6 Prozent der Bevölkerung) von Adipositas, fasste Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom des Instituts für Höhere Studien (IHS), zusammen. Das liege zwar nur knapp über dem EU-Durchschnitt, die Wachstumsrate sei aber mehr als doppelt so hoch.

Dazu kommt, dass die Krankheit in der Regel weitere Gesundheitsprobleme mit sich bringt, so der Experte: Die Betroffenen leiden doppelt so oft an Depressionen wie normalgewichtige Menschen, und haben mehr als zweimal so häufig Herz-Kreislauf-eErkrankungen. Auch wirtschaftliche Folgen sind belegt: Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verringern die Adipositas-Folgen das österreichische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,5 Prozent – das sind rund zehn Milliarden Euro pro Jahr.

Gute Therapien und Prävention

Um Betroffene zu unterstützen und gegen die "Adipositas-Epidemie" anzukämpfen, habe man nun die „Österreichische Adipositas Allianz“ gegründet, so die Mediziner. Stark übergewichtige Menschen werden „in allen Lebenslagen stigmatisiert und benachteiligt“, erklärte Barbara Andersen von der European Association for the Study of Obesity (EASO) und der European Coalition for People living with Obesity (ECPO). Übergewichtige Jugendliche finden zum Beispiel schwerer eine Lehrstelle und Erwachsene seltener einen Arbeitsplatz. „Es gibt viele Ursachen für Adipositas, in rund 70 Prozent der Fälle ist Genetik der Hauptfaktor“, so Andersen: „Viele Menschen wissen das nicht und schreiben den Betroffenen daher Eigenschaften wie ‚faul‘ und ‚undiszipliniert‘ zu.“

Selbst die Krankenkassen erkennen Adipositas nicht als chronische Krankheit an, obwohl sie von der Weltgesundheitsorganisation als solche eingestuft wird (mit der Kennzeichnung E66 laut ICD-10-CM- Code), berichtete die Medizinerin Johanna Brix von der Österreichischen Adipositas Gesellschaft: „Es gibt neue Therapien, die gut funktionieren, aber nicht breit verfügbar sind, weil diese Arzneimittel aufgrund der fehlenden Anerkennung nicht auf der Liste der erstattungsfähigen Medikamente sind.“

In Richtung Sozialversicherung argumentiert auch Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Als erste Anlaufstelle für die Betroffenen fungiert in der Regel der wohnortnahe Kassenarzt.“. Allerdings seien die damit verbundenen Leistungen „nicht von der Kasse gedeckt, weder der Gesprächsaufwand, noch die Therapie.“

Nachholbedarf gibt es für den Ärztevertreter auch bei der Prävention: „Österreich investiert hier wesentlich weniger als der EU-Schnitt“", so Szekeres. Sein Vorschlag: Man sollte im Kindergartenalter mit Aufklärung und „Gesundheitserziehung“ beginnen und die von vielen geforderte „tägliche Turnstunde“ endlich einführen. (APA/red)

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