
Fortschritte in der adjuvanten Therapie des resezierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker
Wien
E-Mail: robert.pirker@meduniwien.ac.at
Das Interview führte
Dr. Nicole Leitner
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Die adjuvante Chemotherapie nach kompletter Resektion des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) ist seit vielen Jahren etabliert. In den vergangenen Jahren kam es zu weiteren therapeutischen Fortschritten. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker über seineEinschätzung der aktuellen Studienlage.
Herr Prof. Pirker, welche Neuigkeiten gibt es in der adjuvanten Therapie des NSCLC?
R. Pirker: Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) gab es in den letzten zwei Jahrzehnten drei große therapeutische Fortschritte in der adjuvanten Therapie: die Etablierung der postoperativen adjuvanten Chemotherapie, die Etablierung von Osimertinib bei Patienten mit EGFR-mutierten Karzinomen und die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.
Was sind die aktuellen Standards bei der adjuvanten Chemotherapie?
R. Pirker: Bei etwa 25–30% der NSCLC-Patienten erfolgt die Operation mit kurativer Intention. Die adjuvante Therapie mit Cisplatin plus Vinorelbin steigert die 5-Jahres-Überlebensrate um 8,9%.1 Für mich ist deshalb diese Kombination die Standardtherapie für NSCLC im Stadium II und III (gemäß der 8. TNM-Klassifikation).
Seither gab es mehrere Strategien, um die adjuvante Chemotherapie zu verbessern. Zum einen gab es Versuche, die Chemotherapie zu optimieren (TREAT-Studie2, JIPANG-Studie3). Weiters haben wir zusammen mit anderen Arbeitsgruppen im Rahmen der Projekte IALT-Bio und LACE-Bio daran gearbeitet, prädiktive Biomarker für die adjuvante Chemotherapie zu identifizieren. Eine italienische Gruppe wiederum untersuchte die maßgeschneiderte Chemotherapie in der ITACA-Studie.4 Diese Strategien haben aber bisher zu keinen Fortschritten für die klinische Routine geführt.
Schließlich wurde die Integration von zielgerichteten Therapien untersucht. Die Zugabe des monoklonalen Anti-VEGF-Antikörpers Bevacizumab zur Chemotherapie führte zu keiner Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) oder des Gesamtüberlebens (OS).5
Mehrere Studien untersuchten die adjuvante Therapie mit EGFR-TKI bei Patienten mit EGFR-mutieren Karzinomen. Gefitinib führte im Vergleich zu Cisplatin plus Vinorelbin in der CTONG1104-Studie6 zu einem verlängerten krankheitsfreien Überleben (DFS), doch konnte eine japanische Studie (WJOG6410L)7 weder einen DFS- noch einen OS-Vorteil für Gefitinib im Vergleich zur Chemotherapie zeigen.
In der Phase-III-Studie ADAURA8 wurde Osimertinib, ein EGFR-TKI der dritten Generation, im Vergleich zu Placebo als adjuvante Therapie untersucht. Die Mehrzahl der Patienten erhielt vor Beginn der Osimertinib-Therapie auch eine adjuvante Chemotherapie. Es konnte ein deutlicher Vorteil im DFS durch Osimertinib beobachtet werden mit einer Hazard-Ratio (HR) von 0,17 (Stadium II–IIIA) bzw. 0,20 (Stadium IB–IIIA). Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch ausständig. Auf Basis dieser Ergebnisse erteilte die European Medicines Agency (EMA) Osimertinib die Zulassung zur adjuvanten Behandlung nach vollständiger Tumorresektion bei Patienten mit NSCLC im Stadium IB–IIIA, deren Tumoren EGFR-Mutationen (Deletion im Exon 19 oder L858R-Mutation) aufweisen. Osimertinib ist somit eine neue Therapieoption für diese Patienten.
Wie sieht die Datenlage zur Immuntherapie im adjuvanten Setting aus?
R. Pirker: Die Vakzinierung mit MAGE-A3 führte in der MAGRIT-Studie9 zu keiner Verlängerung der Überlebenszeiten. Große Hoffnungen werden aber derzeit in die Therapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren gesetzt und mehrere klinische Studien laufen aktuell beim NSCLC im Stadium IB (≥4cm) bis IIIA. Die ANVIL-Studie untersucht Nivolumab im Vergleich zu Beobachtung mit OS und/oder DFS als primärem Endpunkt. In der PEARLS- oder KEYNOTE-091-Studie wird Pembrolizumab versus Placebo mit DFS als primärem Endpunkt geprüft. Die ADJUVANT-BR.31-Studie vergleicht Durvalumab mit Placebo und hat ebenso DFS als primären Endpunkt. Atezolizumab wird in der IMpower010-Studie untersucht und eine Interimsanalyse wurde inzwischen publiziert.10
In der IMpower010-Studie erhielten 1280 Patienten nach kompletter Resektion Cisplatin plus Pemetrexed, Gemcitabin, Docetaxel oder Vinorelbin für 1–4 Zyklen. Insgesamt 1005 Patienten wurden anschließend 1:1 zu entweder Atezolizumab oder BSC randomisiert. Als primärer Endpunkt wurde das krankheitsfreie Überleben (DFS) in hierarchischer Reihenfolge innerhalb der Population im Stadium II–IIIA mit einer PD-L1-Expression ≥1%, der gesamten Stadium-II–IIIA-Population und der ITT-Population (Patienten im Stadium IB–IIIA) untersucht.
In der PD-L1-positiven Population wurde ein signifikant längeres DFS unter der Atezolizumab-Therapie beobachtet. Das mediane DFS war im Atezolizumab-Arm noch nicht erreicht und betrug 35,3 Monate unter BSC (HR: 0,66; p=0,004). Die Analyse der Population im Stadium II–IIIA ergab ebenso einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Studienarmen (HR: 0,79; p=0,02) mit einem medianen DFS von 42,3 versus 35,3 Monate. Die Subgruppenanalyse ergab einen deutlichen Vorteil der Atezolizumab-Therapie bei Patienten mit hoher PD-L1-Expression (≥50%) (HR: 0,43) und keinen Vorteil bei Patienten mit einer PD-L1-Expression <1% (HR: 0,97). Innerhalb der ITT-Population wurde bei dieser Zwischenanalyse die Signifikanzgrenze nicht erreicht (HR: 0,81; 95% CI: 0,67–0,99; p=0,04). Die Daten zum Gesamtüberleben waren bei dieser Auswertung noch unreif und müssen abgewartet werden.
Gibt es darüber hinaus noch etwas, was Ihnen bei der adjuvanten Therapie des NSCLC wichtig ist?
R. Pirker: Raucher sollten auf jeden Fall davon überzeugt werden, mit dem Rauchen aufzuhören – das kann man nicht häufig genug betonen.
Die World Conference on Lung Cancer (WCLC) wird 2022 wieder in Wien stattfinden.
R. Pirker: Es freut mich sehr, dass wir die Lungenkrebsweltkonferenz nach 2016 auch 2022 wieder nach Wien bringen können. In den letzten beiden Jahren musste die Konferenz leider Pandemie-bedingt virtuell stattfinden. Für Wien als Kongressstadt ist dieser wichtige internationale Kongress von großer Bedeutung. Das Meeting wird von 6.–9. August 2022 stattfinden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Literatur:
1 Douillard JY et al.: Adjuvant cisplatin and vinorelbine for completely resected non-small cell lung cancer: subgroup analysis of the Lung Adjuvant Cisplatin Evaluation. J Thorac Oncol 2010; 5(2): 220-8 2 Kreuter M et al.: Randomized phase 2 trial on refinement of early-stage NSCLC adjuvant chemotherapy with cisplatin and pemetrexed versus cisplatin and vinorelbine: the TREAT study. Ann Oncol 2013; 24(4): 986-92 3 Kenmotsu H et al.: Randomized phase III study of pemetrexed plus cisplatin versus vinorelbine plus cisplatin for completely resected stage II to IIIa nonsquamous non-small-cell lung cancer. J Clin Oncol 2020; 38(19): 2187-96 4 Novello S et al.: International Tailored Chemotherapy Adjuvant (ITACA) trial, a phase III multicenter randomized trial comparing adjuvant pharmacogenomic-driven chemotherapy versus standard adjuvant chemotherapy in completely resected stage II-IIIA non-small-cell lung cancer. Ann Oncol 2021 online 5 Wakelee HA et al.: Adjuvant chemotherapy with or without bevacizumab in patients with resected non-small-cell lung cancer (E1505): an open-label, multicentre, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol 2017; 18(12): 1610-23 6 Zhong WZ et al.: Gefitinib versus vinorelbine plus cisplatin as adjuvant treatment for stage II-IIIA (N1-N2) EGFR-mutant NSCLC (ADJUVANT/CTONG1104): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet Oncol 2018; 19(1): 139-48 7 Tada H et al.: Adjuvant gefitinib versus cisplatin/vinorelbine in Japanese patients with completely resected, EGFR-mutated, stage II-III non-small cell lung cancer (IMPACT, WJOG6410L): a randomized phase 3 trial. ASCO 2021, Abstr. 8501 8 Wu YL et al.: Osimertinib in resected EGFR-mutated non-small-cell lung cancer. N Engl Med 2020; 383(18): 1711-23 9 Vansteenkiste J et al.: Efficacy of the MAGE-A3 cancer immunotherapeutic as adjuvant therapy in patients with resected MAGE-A3-positive non-small-cell lung cancer (MAGRIT): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 17(6): 822-35 10 Felip E et al.: Adjuvant atezolizumab after adjuvant chemotherapy in resected stage IB–IIIA non-small-cell lung cancer (IMpower010): a randomised, multicentre, open-label, phase 3 trial. Lancet 2021; 398(10308): 1344-57
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