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Gesundheit und Forschung

Sepsis: Patienten leiden an gravierenden Langzeitfolgen

Berlin - Sepsis ist weltweit die führende infektionsbedingte Todesursache – in Deutschland werden jedes Jahr etwa 320 000 Fälle im Krankenhaus behandelt. Auch die Mehrzahl der Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf weist eine Sepsis auf. Wie sehr die gefährliche Fehlfunktion das Leben langfristig beeinträchtigen kann, zeigt eine neue Auswertung: Demnach sind drei Viertel aller Sepsisüberlebenden von Gedächtnisstörungen sowie seelischen oder körperlichen Erkrankungen betroffen, berichten deutsche Forschende im Fachjournal „JAMA Network Open“.

Das Team der Charité in Berlin, des Universitätsklinikums Jena (UKJ) und des Wissenschaftlichen Instituts der deutschen Gesundheitskasse AOK hat im Zuge der Arbeit anonymisierte Daten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK aus den Jahren 2009 bis 2017 ausgewertet, um die Häufigkeit und die Kosten der gesundheitlichen Folgen einer Sepsiserkrankung zu bestimmen.

Fast 159 700 der Versicherten über 15 Jahre wurden 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis im Krankenhaus behandelt. Für diese Gruppe erfassten die Experten Vorerkrankungen sowie neue Diagnosen in den drei Jahren nach der Sepsis inklusive des daraus resultierenden Behandlungs- und Pflegebedarfs. „Dabei suchten wir nach neuen körperlichen, psychischen und kognitiven Einschränkungen, wie sie bekanntermaßen als Folge einer Sepsis auftreten können – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive oder motorische Störungen, das Erschöpfungssyndrom Fatigue oder Depressionen“, erklärt die Projektleiterin Carolin Fleischmann-Struzek vom UKJ.

Lehren für Covid-19-Patienten

Allein im ersten Jahr nach der Entlassung registrierten die Forschenden bei drei Vierteln der Sepsisüberlebenden eine neue Diagnose, mehr als 30 Prozent verstarben noch im ersten Jahr. „Psychische, kognitive und körperliche Folgen betreffen die Mehrzahl der Überlebenden und treten sogar häufig gemeinsam auf, was für die Betroffenen eine besondere Belastung ist“, resümiert Christiane Hartog von der Charité. Dabei mache es nur einen geringen Unterschied, ob die Sepsis weniger schwer verlief oder die Patienten auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Hartog weiter: „Insbesondere mit Blick auf das Infektionsfolgesyndrom nach Covid-19 ist dies von großer Relevanz.“

Mehr als 30 Prozent der Sepsisüberlebenden seien im Jahr nach der Krankenhausentlassung neu pflegebedürftig gewesen, heißt es weiter. Die mittleren Kosten, die bei den Überlebenden für stationäre und ambulante Behandlungen, Rehabilitation, Heilmittel und Medikamente anfallen, beziffern die Experten auf 29 000 Euro pro Fall – allein in den ersten drei Jahren nach der Erkrankung. Notfall- und Transportkosten, Hilfsmittel, Pflegekosten und indirekter finanzieller Aufwand wie Arbeitsausfälle seien dabei noch nicht enthalten.

Einschränkend gibt das Forschungsteam zu bedenken, dass es wegen des geringen Bewusstseins für Sepsisfolgen bei Patienten und Ärzten eine Untererfassung gegeben haben könnte. Auch hätten nur neu aufgetretene Diagnosen einbezogen werden können, nicht aber ein beschleunigter Fortschritt bereits bestehender Diagnosen. (ag/red)

Weitere Infos: Originalpublikation

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