<p class="article-intro">Schon von Beginn an versuchen engagierte Hausärztevertreter den ELGA-Planern Praxiserfahrungen zu vermitteln. Den Entwicklern ist eines gemeinsam: Kassenpraxen kennen sie nur von außen! Auf die Argumentation, wir Praktiker besäßen schon seit vielen Jahren ein perfektes Befundübertragungssystem, folgt nur ein herablassendes Lächeln. Parallel dazu geht der Österreichische Hausärzteverband (ÖHV) seit Jänner 2014 wiederholt mit Forderungen nach Korrektur des ELGA-Gesetzes an die Öffentlichkeit. Unter anderem sollte zumindest die Zwangsverpflichtung zur Akte durch die Möglichkeit des freiwilligen aktiven Eintretens ersetzt werden. Nicht nur Patienten, sondern auch Kassenärzten wäre diese Freiheit zu gewähren. Wer sich aber für die Akte entscheidet, so die ÖHV-Ansicht, sollte mit allen Befunden und Medikamenteneintragungen dabei sein.</p>
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<p class="article-content"><h2>„Lücken-ELGA“ durch Widerspruch im Anlassfall</h2> <p>Das im Regelwerk enthaltene situative Opt-out-Recht wird zum zentralen Kritikpunkt des ÖHV. Für Außenstehende: Sozialversicherten wird mit diesem „Widerspruch im Anlassfall“ die Möglichkeit geboten, Diagnosen und/oder Medikamente ausblenden zu lassen. Damit ist die Akte für behandelnde Ärzte, mild ausgedrückt, eine „lückenhafte ELGA“, schärfer formuliert: eine „Lügen-ELGA“. Diverse Länderkammern übernehmen die ÖHV-Änderungsvorschläge. Besonders die Standesvertretungen von Wien und Niederösterreich erkennen die auf die Kassenärzte zukommende bürokratische Mehrbelastung. Doch auch den Kammern gelingt keine einzige Entschärfung. So stellt die ELGA-Ausrollung inklusive Verpflichtung zur E-Medikation ein standespolitisches Totalversagen dar. An die zu dieser Causa von der Kammer in den Sand gesetzten Finanzmittel darf gar nicht gedacht werden. Kommen hingegen Änderungs- W. Geppert, Wien vorschläge von nichtärztlicher Seite, gehen sie locker in die Umsetzung. Das im Jahr 2014 erschienene Handbuch von Dr. Clemens Martin Auer gilt als die Bibel der ELGAMacher. Darin wird unter anderem der Kreis der Zugangsberechtigten exakt festgelegt und ein Weiterleiten der Daten dezidiert ausgeschlossen. Der Rest ist jedermann bekannt.</p>
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<p class="article-intro">Schon von Beginn an versuchen engagierte Hausärztevertreter den ELGA-Planern Praxiserfahrungen zu vermitteln. Den Entwicklern ist eines gemeinsam: Kassenpraxen kennen sie nur von außen! Auf die Argumentation, wir Praktiker besäßen schon seit vielen Jahren ein perfektes Befundübertragungssystem, folgt nur ein herablassendes Lächeln. Parallel dazu geht der Österreichische Hausärzteverband (ÖHV) seit Jänner 2014 wiederholt mit Forderungen nach Korrektur des ELGA-Gesetzes an die Öffentlichkeit. Unter anderem sollte zumindest die Zwangsverpflichtung zur Akte durch die Möglichkeit des freiwilligen aktiven Eintretens ersetzt werden. Nicht nur Patienten, sondern auch Kassenärzten wäre diese Freiheit zu gewähren. Wer sich aber für die Akte entscheidet, so die ÖHV-Ansicht, sollte mit allen Befunden und Medikamenteneintragungen dabei sein.</p>
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<p class="article-content"><h2>„Lücken-ELGA“ durch Widerspruch im Anlassfall</h2> <p>Das im Regelwerk enthaltene situative Opt-out-Recht wird zum zentralen Kritikpunkt des ÖHV. Für Außenstehende: Sozialversicherten wird mit diesem „Widerspruch im Anlassfall“ die Möglichkeit geboten, Diagnosen und/oder Medikamente ausblenden zu lassen. Damit ist die Akte für behandelnde Ärzte, mild ausgedrückt, eine „lückenhafte ELGA“, schärfer formuliert: eine „Lügen-ELGA“. Diverse Länderkammern übernehmen die ÖHV-Änderungsvorschläge. Besonders die Standesvertretungen von Wien und Niederösterreich erkennen die auf die Kassenärzte zukommende bürokratische Mehrbelastung. Doch auch den Kammern gelingt keine einzige Entschärfung. So stellt die ELGA-Ausrollung inklusive Verpflichtung zur E-Medikation ein standespolitisches Totalversagen dar. An die zu dieser Causa von der Kammer in den Sand gesetzten Finanzmittel darf gar nicht gedacht werden. Kommen hingegen Änderungs- W. Geppert, Wien vorschläge von nichtärztlicher Seite, gehen sie locker in die Umsetzung. Das im Jahr 2014 erschienene Handbuch von Dr. Clemens Martin Auer gilt als die Bibel der ELGAMacher. Darin wird unter anderem der Kreis der Zugangsberechtigten exakt festgelegt und ein Weiterleiten der Daten dezidiert ausgeschlossen. Der Rest ist jedermann bekannt.</p> <h2>Wünsche auf Kosten der Kassenärzte</h2> <p>Ahnungslose fordern nachträglich die Einführung eines ELGA-Impfpasses. Und schon wird er, mit Niederösterreich beginnend, umgesetzt. Kein Wort darüber, dass damit die Zahl der Eintragungsberechtigten massiv steigt. Die neue Gesundheitsministerin wiederum wünscht sich die ELGA-Aufnahme der Patientenverfügungen. Kein Problem! Damit sitzen zukünftig auch Rechtsanwälte und Notare im Kreise der Auserwählten. Die zuletzt beschlossene Weitergabe der Daten an die Forschung rundet das Bild der wortbrüchigen Entwickler nur ab. Die Akte wird zum Wunschkonzert von Theoretikern und zum Paradebeispiel für die Demütigung der Hausärzteschaft. Eine vor Jahren von mir formulierte Prophezeiung – „ELGA kommt, der Hausarzt geht“ – scheint Wirklichkeit zu werden. Ignorante ELGA-Macher haben dem Kassen- Allgemeinmediziner die Würde genommen und ihn zum bloßen Befehlsempfänger degradiert. In alter Tradition erfolgt nach jeder verlorenen Auseinandersetzung der Frontenwechsel unserer Kammergrößen. So verkündet die Österreichische Ärztezeitung vom 10. März in nüchterner Formulierung die gesamtvertragliche Einigung in Sachen „E-Medikation“. Eine über ein Dezennium geführte kostenaufwendige Anti-ELGA-Kampagne scheint vergessen zu sein: ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann Dr. Johannes Steinhart lässt sich im Kreise der neuen ELGA-Bewunderer, vom Hauptverbandschef bis zur Gesundheitsministerin, unter anderem zu folgender Aussage hinreißen: „Wir Ärzte ersparen uns damit wertvolle Zeit in der Anamnese und können uns somit auch intensiver dem Patienten persönlich widmen.“ Das klingt nach einem Stehsatz der verflossenen ELGA-Chefin Dr.<sup>in</sup> Susanne Herbek.</p> <h2>Softwarefirmen im siebenten Himmel</h2> <p>Wie vom ÖHV in seiner Broschüre vor vier Jahren vorhergesagt, ist die Computerbranche der große Gewinner der jetzt laufenden ELGA-Ausrollung. Softwarehersteller schweben im siebenten Himmel. Sie prophezeien dem Gesundheitssystem eine rosige Zukunft. Die CompuGroup Medical (CGM) gehört zu den Großen in der Branche. Sie wirbt mit dem Spruch: „Wir können ELGA!“ Wie nicht anders zu erwarten, zerstreut CGMGeschäftsführer Willibald Salomon in einem „Kurier“-Interview alle Bedenken der niedergelassenen Ärzte. Salomon ist auch überzeugt, dass es nach ELGA-Ausrollung gelingt, „den Staat gesünder und das System effizienter“ zu machen. So nebenbei kündigt er die E-Visite an. Sie werde „Zeit und Weg sparen“. Selbst Politiker aus den hinteren Reihen sind willfährige Helfer der Softwarespezialisten. So treten zum Beispiel drei Vertreter der ÖVP Niederösterreich im Hochsommer vor die Presse, um neue Segnungen der sogenannten E-Medizin anzukündigen. Die Herren Dinhobel, Ebner und Eichtinger fordern von den Ärzten unter anderem, zukünftig den Gesundheitszustand der Patienten per Fernüberwachung zu kontrollieren. So sollen sich die Kranken dank „Video-Chats“ mühsame Wege in die Praxis ersparen. Die Liste derartiger Versprechungen ist lang.</p> <h2>Kurie der Angestellten als Gegenspieler</h2> <p>Außenstehende stellen die Frage, warum der Hausarzt in diese standespolitische Hilflosigkeit hineingeraten ist. Eine Zeitschrift formuliert es plakativ: „Wer hat den Hausarzt ruiniert?“ Meine Antwort: unter anderem das unsolidarische Verhalten vieler Spitalsärztevertreter. Beispiel ELGA-Veranstaltungen: Kaum formuliert ein Hausarzt seine Bedenken, schon fällt ihm ein Kollege aus dem Krankenhaus in den Rücken. Im Gegensatz zu den Allgemeinmedizinern freue er sich schon auf die elektronische Akte. Das Kuriensystem ist gescheitert. Die gemeinsame Vertretung von Spitalsärzten und Niedergelassenen hat sich überlebt. Auch am Beispiel Arbeitszeit ist zu beobachten, dass die beiden Berufsgruppen in völlig getrennten Welten leben. Während die Wochenarbeitszeit im angestellten Bereich nach unten geht, steigt sie bei den Niedergelassenen ungehemmt. Zur Erinnerung: Eine EU-Vorgabe und nicht etwa das Verhandlungsgeschick der Angestellten- Kurie drückt die Arbeitszeit der Krankenhausärzte schrittweise nach unten. Ab Beginn des laufenden Kalenderjahres darf die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit von 48 Stunden nur im Einvernehmen überschritten werden. Dabei sind höchstens 55 Stunden erlaubt. Ab Sommer 2021 beträgt die maximal zulässige Durchschnittsarbeitszeit dann generell nur mehr 48 Stunden pro Woche. Daher ist es den Kuriengrößen der Angestellten ganz egal, wie stark die Kassenärzte von der nächsten Welle „digitaler Vergewaltigung“ belastet werden. Den Mitgliedern der angestellten Kurie sind zusätzliche Hard- und Softwarekosten völlig gleichgültig. Sie blicken beruhigt in die Zukunft, denn genau in drei Jahren erfolgt die Arbeitszeitverkürzung auf 48 Stunden pro Woche. Dann können sie sich noch länger ihrer Wahlarztpraxis widmen.</p> <h2>Trauriger Abschied</h2> <p>Mit diesen Ausführungen darf ich mich bei meinen Lesern für ihre Reaktionen bedanken. Leider wird DAM nach dem Erscheinen dieser Ausgabe eingestellt. Der Vollständigkeit halber erlaube ich mir festzuhalten, dass ich meine Tätigkeit und Expertise stets unentgeltlich zur Verfügung gestellt und für meine Beiträge vom Verlag kein Honorar erhalten habe.</p></p>