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Gesundheit und Medizin

Europäisches Referenznetzwerk für seltene Lebererkrankungen analysiert jüngste Hepatitisfälle bei Kindern

Hamburg - Gehäufte Fälle von schweren akuten Leberentzündungen unklarer Ursache bei Kindern vor allem in Großbritannien haben das Europäische Referenznetzwerk für seltene Lebererkrankungen (ERN RARE-LIVER) zu einer eingehenden Untersuchung veranlasst. Nach Befragungen in 33 Leberzentren in 21 Ländern sind die Wissenschaftler*innen zu dem Schluss gekommen, dass sich die alarmierenden Beobachtungen aus Großbritannien in anderen europäischen Ländern bisher nicht bestätigen haben lassen.

Zuletzt hatte die Weltgesundheitsbehörde (WHO) auf eine Zunahme von Berichten von schweren akuten Leberentzündungen unklarer Ursache bei Kindern seit Januar 2022 aufmerksam gemacht. Bei mehreren Betroffenen war notfallmäßig eine Lebertransplantation notwendig geworden. Als mögliche Ursache wurden Adenoviren in die wissenschaftliche Diskussion gebracht.

Das ERN RARE-LIVER führte nun in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für akutes Leberversagen eine Umfrage durch. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass nur eine Minderheit der Patienten innerhalb der Gesamtgruppe der Kinder mit akuter Hepatitis tatsächlich eine Infektion mit Adenoviren aufweist.

„Diese ersten Zahlen sind beruhigend, aber es ist wichtig, die weitere Entwicklung gut im Auge zu haben“, sagt Dr. Dominic Lenz, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg und Leiter der ERN-RARE-LIVER-Arbeitsgruppe Akutes Leberversagen. Ähnlich fällt die Einschätzung von Prof. Ruben de Kleine, Klinik für Chirurgie des Universitätsklinikums Groningen, aus. Er leitet das Projekt zu akuten Leberentzündungen bei Kindern: „Wir beobachten eine niedrige Anzahl von Kindern mit einer Adenovirus-Infektion in einer sehr viel größeren Gruppe von Kindern mit akutem Leberversagen. Wir kennen diese klinische Entität mit akutem Leberversagen aus den Vorjahren.“ Man werde die dokumentierten Fälle genauer untersuchen und sorgfältig überwachen, ob die Zahlen steigen.

Keine Hinweise auf neues Hepatitisvirus

ERN-RARE-LIVER-Leiter Dr. Ansgar W. Lohse, Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, ergänzt: „Es ist gut vorstellbar, dass sich durch den Lockdown und andere international vorgenommene Pandemie-Schutzmaßnahmen die Immunität bei Kindern gegen Alltagsviren verändert hat.“ In Einzelfällen könne dann eine normale Virusinfektion wie durch Adenoviren zu überschießenden Immunreaktionen führen. „Dies scheint aber ein extrem seltenes Ereignis zu sein. Es gibt aktuell keine Hinweise für eine Verbreitung eines neuen gefährlichen Hepatitisvirus.“ (red)

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