<p class="article-intro">Rheumatoide Arthritis ist mit einer Vielzahl von Komorbiditäten sowie einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Studien liefern Hinweise auf eine Reduktion dieses Risikos durch Therapie. Viele Fragen bleiben jedoch offen.</p>
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<p class="article-content"><p>Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) weisen häufig multiple Komorbiditäten auf. Wobei zwischen echten Komorbiditäten und Morbidität infolge der systemischen Inflammation zu unterscheiden ist, so Prof. Dr. Daniel Solomon von der Harvard Medical School, Boston. Allerdings sei auch die Frage offen, ob nicht auch die RA selbst eine Folge der systemischen Inflammation sein könnte. Aus epidemiologischer Sicht ist Multimorbidität bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen jedenfalls eher die Regel als die Ausnahme. Dabei zeigen die unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen ein jeweils unterschiedliches Spektrum an Komorbiditäten. Dies sei interessant, so Solomon, und werfe Fragen auf: Unterscheidet sich die systemische Inflammation bei RA von der systemischen Inflammation bei Psoriasisarthritis? Haben die unterschiedlichen Therapien jeweils andere Einflüsse auf Komorbiditäten?</p>
<p class="article-intro">Rheumatoide Arthritis ist mit einer Vielzahl von Komorbiditäten sowie einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Studien liefern Hinweise auf eine Reduktion dieses Risikos durch Therapie. Viele Fragen bleiben jedoch offen.</p>
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<p class="article-content"><p>Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) weisen häufig multiple Komorbiditäten auf. Wobei zwischen echten Komorbiditäten und Morbidität infolge der systemischen Inflammation zu unterscheiden ist, so Prof. Dr. Daniel Solomon von der Harvard Medical School, Boston. Allerdings sei auch die Frage offen, ob nicht auch die RA selbst eine Folge der systemischen Inflammation sein könnte. Aus epidemiologischer Sicht ist Multimorbidität bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen jedenfalls eher die Regel als die Ausnahme. Dabei zeigen die unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen ein jeweils unterschiedliches Spektrum an Komorbiditäten. Dies sei interessant, so Solomon, und werfe Fragen auf: Unterscheidet sich die systemische Inflammation bei RA von der systemischen Inflammation bei Psoriasisarthritis? Haben die unterschiedlichen Therapien jeweils andere Einflüsse auf Komorbiditäten?</p> <h2>Erhöhte Mortalität bei RA-Patienten</h2> <p>Jedenfalls erhöhen rheumatische Erkrankungen auch das Risiko, an Komorbiditäten zu sterben. So zeigen Daten aus der Nurses’ Health Study, dass die Diagnose einer RA nicht nur die Gesamtmortalität, sondern auch das Risiko für kardiovaskulären oder pulmonalen Tod signifikant und deutlich erhöht. Im Vergleich zu gesunden Kontrollen zeigten die RA-Patienten einen höheren und über die Jahre zunehmenden Multimorbidity-Index.<sup>1</sup><br /> Solomon weist darauf hin, dass die Erhöhungen des relativen Risikos im Vergleich zu gesunden Kontrollen bei den jüngeren Patienten am deutlichsten sind, während sie im höheren Lebensalter durch das auch bei den Kontrollen steigende Risiko etwas verwischt werden.<sup>2</sup> Weiters würden die Risikoerhöhungen in den jüngeren Studien im Vergleich zu älteren Arbeiten etwas weniger dramatisch ausfallen, was als Hinweis auf einen günstigen Effekt der neueren aggressiveren Therapien interpretiert werden könne. Auch das Diabetesrisiko ist bei Patienten mit RA oder Psoriasis erhöht – bei Personen unter 45 Jahren auf das Doppelte, bei älteren Personen dagegen nur noch minimal.<sup>3</sup> Allerdings zeigt eine weitere Studie, dass die Assoziation von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit Diabetes verschwindet, wenn nur hinsichtlich ausreichend vieler Störfaktoren adjustiert wird.<sup>4</sup> Damit stelle sich jedoch die Frage, so Solomon, wie sinnvoll eine so tiefgreifende Adjustierung der Daten sei, weil man damit auch für die kausale Entstehungskette der Erkrankung wichtige Faktoren aus der Gleichung entfernen könnte. Dies betreffe im Fall von Rheuma und Diabetes beispielsweise den Faktor Übergewicht.</p> <h2>Lunge kann auf unterschiedliche Weise betroffen sein</h2> <p>Als besonders prononciert erwies sich in der Analyse der Nurses’ Health Study die Risikoerhöhung hinsichtlich pulmonaler Todesursachen. Eine ganze Reihe pulmonaler Komplikationen der RA ist bekannt. Solomon nennt Pleuritis, exsudativen Pleuraerguss, interstitielle Lungenerkrankungen mit NSIP- oder UIP-Muster, Bronchiektasen sowie nach Staublunge das Caplan- Syndrom, eine Kombination aus RA und Silikose. Doch auch echte pulmonale Komorbiditäten sind bei RA nicht selten. Beispielsweise fand eine relativ rezente Untersuchung eine Assoziation von RA und COPD, die auch nach Adjustierung hinsichtlich Rauchen bestehen bleibt.<sup>5</sup> Die pathophysiologischen Zusammenhänge sind noch unklar. Irgendwo entlang der Strecke von der genetischen Suszeptibilität über auslösende Umweltfaktoren und die Bildung von Autoantikörpern hin zur klassifizierbaren RA dürfte es, so Solomon, Bindeglieder zur COPD geben.<br /> Auch Osteoporose tritt bei Patienten mit RA gehäuft auf. Solomon: „Wir sehen bei RA eine deutliche Häufung osteoporotischer Frakturen. Und wir wissen nicht, ob das die Folge der Steroide ist, der Immobilität oder der systemischen Entzündung.“ Auch im Falle der Osteoporose werden die Assoziationen schwächer, wenn hinsichtlich bekannter Risikofaktoren adjustiert wird, wie eine Untersuchung zu den Zusammenhängen zwischen Hand-Erosions-Score und Knochendichte an der Hüfte nahelegt.<sup>7</sup><br /> Darüber hinaus weist Solomon auch auf ein erhöhtes Risiko für Depression, Nierenversagen und Krebs bei RA-Patienten hin. Dies sei auch insofern von großem Interesse, als die Rolle der systemischen Inflammation bei Depression aktuell intensiv diskutiert und beforscht wird und auch Studien zu antiinflammatorischen Therapien bei Patienten mit Depression durchgeführt werden. Das bei RA-Patienten leicht erhöhte Malignomrisiko wurde als mögliche Nebenwirkung einer Biologikatherapie mit Sorge gesehen. Allerdings zeigen Analysen der sehr umfassend geführten schwedischen Register, dass bei RA-Patienten generell das Risiko sowohl für hämatopoetische als auch für solide Tumoren erhöht ist und zumindest durch den Einsatz von Anti-TNF-Biologika nicht weiter erhöht wird. Rauchen erwies sich auch bei RA-Patienten als wichtiger Risikofaktor mit einer 50 % igen Erhöhung des Risikos für Lungenkrebs.<sup>8, 9</sup></p> <h2>Inflammation und kardiovaskuläres Risiko</h2> <p>Alle diese Befunde seien nicht nur klinisch relevant, sondern auch von hohem pathophysiologischem Interesse und können potenziell wichtige Hinweise für das biologische Verständnis der RA liefern. Viele Fragen sind noch zu klären. Dies betrifft nicht zuletzt die Rolle von Interleukin 6 (IL-6), das mit unterschiedlichen Pathologien von der Synovitis über die Knorpeldegradation bis hin zu kardiovaskulärer Erkrankung in Verbindung gebracht wird. Generell bringe man aktuell den vermuteten und zum Teil schon gesicherten Zusammenhängen zwischen Atherosklerose und Inflammation großes Interesse entgegen, so Solomon. Auch in der Entstehung von Typ-2-Diabetes dürfte Inflammation, verursacht durch chronische Aktivierung des angeborenen Immunsystems, eine wichtige Rolle spielen. Zumindest im Tiermodell werden sowohl TNF-α als auch IL-6 im Fettgewebe adipöser Individuen überproduziert.<sup>10</sup> Zusammenhänge zwischen der Immunaktivierung und der Entstehung von Atherosklerose werden vermutet.<sup>11</sup> In der CANTOS-Studie wurde schließlich gezeigt, dass der IL-1-Antagonist Canakinumab bei Patienten mit Atherosklerose und erhöhten Entzündungsmarkern das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senkt.<sup>12</sup> Dieses Studienergebnis führte zwar weder zur Anwendung noch zur Zulassung von Canakinumab in dieser Indikation, könne jedoch als „proof of concept“ verstanden werden, so Solomon.<br /> In der Praxis stelle sich nun die Frage, wie mit diesem Wissen über Komorbiditäten und Risiko umgegangen werden solle und welchen Einfluss es auf die Therapie der RA nimmt. Daten aus dem CORRONARegister legen nahe, dass eine Reduktion der Krankheitsaktivität auch das kardiovaskuläre Risiko reduziert.<sup>13</sup> Solomon: „Das stützt das Treat-to-target-Konzept. Wir können davon ausgehen, dass in anhaltender Remission auch diverse Komplikationen und Komorbiditäten reduziert werden. Ob es sich dabei um einen direkten Effekt der Medikation handelt oder ob das ein indirekter Effekt über die Reduktion der Krankheitsaktivität ist, wissen wir zur Zeit nicht.“ Allerdings weisen die Daten auch in Richtung eines ungünstigen Effekts von Steroiden, mit einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos in der Größenordnung von 50 % ,<sup>14</sup> wobei auch hier nicht klar sei, ob erhöhter Steroidgebrauch nicht einfach ein Marker für erhöhte Krankheitsqualität ist.<br /> In der gleichen Metaanalyse reduzierten Anti-TNF-Biologika jedenfalls das kardiovaskuläre Risiko signifikant um 30 % . In die gleiche Richtung weist auch eine mittels FDG-PET in einer kleinen Gruppe von RA-Patienten durchgeführte Studie, die zeigen konnte, dass der Beginn einer Anti- TNF-Therapie innerhalb von 8 Wochen zu einer Reduktion der Inflammation in der Aorta und damit zu einer Abnahme der Aortensteifigkeit führt.<sup>15</sup> Wichtige Informationen zu diesen Fragen soll die randomisierte, kontrollierte TARGET-Studie bringen, die den Effekt einer Biologikatherapie im Vergleich zu einer Dreifachtherapie mit konventionellen DMARDs auf den Zustand der Gefäße untersucht.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Symposium „Translational research in the new decade: rheumatology at the forefront“, 28. Februar 2020, Wien</p>
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<p><strong>1</strong> Yoshida K et al. Arthritis Care Res 2019; doi: 10.1002/ acr.24120 [Epub ahead of print] <strong>2</strong> Solomon DH et al.: Ann Rheum Dis 2006; 65(12): 1608-12 <strong>3</strong> Solomon DH et al.: Ann Rheum Dis 2010; 69(12): 2114-7 <strong>4</strong> Dubreuil M et al.: Rheumatology 2014; 53(2): 346-52 <strong>5</strong> Sparks JA et al.: Semin Arthritis Rheum 2018; 47(5): 639-48 <strong>6</strong> Kim SY et al.: Arthritis Res Ther 2010; 12(4): R154 <strong>7</strong> Solomon DH et al.: Arthritis Rheum 2009; 60(6): 1624-31 <strong>8</strong> Askling J et al.: Ann Rheum Dis 2005; 64(10): 1414-20 <strong>9</strong> Askling J et al.: Ann Rheum Dis 2005; 64(10): 1421-6 <strong>10</strong> Bastard JP et al.: Eur Cytokine Netw 2006; 17(1):4-12. Review <strong>11</strong> Libby P et al.: Nature 2011; 473(7347): 317-25 <strong>12</strong> Ridker PM et al.: N Engl J Med 2017; 377: 1119-1131 <strong>13</strong> Solomon DH et al.: Arthritis Rheumatol 2015; 67(8): 1995-2003 <strong>14</strong> Roubille C et al.: Ann Rheum Dis 2015; 74(3): 480-9 <strong>15</strong> Mäki-Petäjä KM et al.: Circulation 2012; 126(21): 2473-80</p>
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