© Christoph Burgstedt iStockphoto

Darmmikrobiom

Jetzt kommen die Viren

<p class="article-intro">Die in den letzten Jahren intensiv betriebene Erforschung des Darmmikrobioms ist mit einem häufig übersehenen Elefanten im Raum konfrontiert: Viren. Eine Gruppe an der Humanitas-Universität in Mailand erforscht die Rolle des Darm-Viroms in der Entstehung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen und erhielt dafür den mit 100 000 Euro dotierten Research Prize der UEG.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die gegenw&auml;rtig rasant voranschreitende Erforschung des Darmmikrobioms wurde erst durch die Technologie des Next Generation Sequencing inklusive Metagenomics und Metataxonomics erm&ouml;glicht, die es erlaubt, statt der klassischen Speziesbestimmung durch Anz&uuml;chten von Bakterien eine genetische Momentaufnahme des gesamten Mikrobioms zu erstellen. Prof. Dr. Silvio Danese von der Humanitas-Universit&auml;t in Mailand weist jedoch auf einen blinden Fleck dieser Techniken hin: Sie bleibt auf die Sequenzierung von DNA beschr&auml;nkt und &uuml;bersieht damit Mikroorganismen, die auf RNA basieren &ndash; wie zum Beispiel RNA-Viren. Die neue Technik der Metatranscriptomics geht &uuml;ber die DNA-Sequenzierung hinaus und erlaubt die Analyse der RNA-Zusammensetzung. &bdquo;Das bedeutet mit anderen Worten, dass wir mit dieser Technik einen Blick auf die Viren werfen k&ouml;nnen&ldquo;, erkl&auml;rt Danese. <br />Damit werden die Dinge nicht einfacher. Denn das Virom im Darm d&uuml;rfte das bakterielle Mikrobiom an Komplexit&auml;t noch einmal deutlich &uuml;bersteigen und k&ouml;nnte, so Danese, eine fundamentale Rolle f&uuml;r die Darmfunktion spielen. Hinweise in diese Richtung kommen nicht zuletzt aus der Klinik. Bei chronisch entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen kommt es zu St&ouml;rungen der Darmbarriere, zur Translokation von Mikroben aus dem Lumen in das Gewebe der Mukosa, zu aberranter Immunantwort der Mukosa und chronischer Inflammation. Viren k&ouml;nnten an diesen Prozessen beteiligt sein.<sup>1</sup> Danese: &bdquo;Ver&auml;nderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms inklusive des Viroms sind mit der CED-Pathogenese assoziiert.&ldquo; Im Verlauf sowohl des Morbus Crohn als auch der Colitis ulcerosa kommt es zu jeweils spezifischen Ver&auml;nderungen des Darmviroms. Dieses wird reichhaltiger und reduziert aufgrund der Aktivit&auml;t von Bakteriophagen die bakterielle Vielfalt. Danese betont, dass das Virom auf zweifache Weise Einfluss nehmen kann: einmal durch direkte Beeinflussung der Bakterien durch Phagen, dar&uuml;ber hinaus aber auch durch Infektion eukaryoter Zellen des Wirts. Damit nimmt das Virom Einfluss auf den Transkriptionsstatus des Wirts und schafft einen &bdquo;Virotype&ldquo;, der f&uuml;r bestimmte Erkrankungen pr&auml;disponieren k&ouml;nnte.<sup>2 </sup></p> <h2>Das Virom bietet neue Ziele f&uuml;r Therapien</h2> <p>Mittlerweile liegen, so Danese, zahllose Berichte &uuml;ber virale Auff&auml;lligkeiten bei CED vor, wobei es sich bislang eben nur um Assoziationen handelt und etwaige &Uuml;berlegungen zu kausalen Zusammenh&auml;ngen im Stadium der Hypothese bleiben. Vor Kurzem gelang es Daneses Forschungsgruppe nun, im Mikrobiom junger, neu diagnostizierter Crohn-Patienten definierte virale Auff&auml;lligkeiten zu identifizieren &ndash; und damit auch bislang unbekannte Pathways des Wirts, die neue Targets f&uuml;r therapeutische Interventionen darstellen k&ouml;nnten.<sup>3</sup> Insbesondere sind Viren der Herpes-Familie st&auml;rker vertreten. Danese: &bdquo;Was wir nun versuchen wollen, ist, die Zelltypen zu finden, die mit diesen Viren interagieren. Daraus k&ouml;nnten sich neue therapeutische Ans&auml;tze f&uuml;r die Therapie entz&uuml;ndliche Darmerkrankungen ergeben &ndash; sei es durch Einsatz antiviraler Substanzen oder durch RNA-Silencing mit siRNAs. Wir konnten mittlerweile auch ein bestimmtes Protein identifizieren, das durch eine dieser Virus-Familien induziert wird und bei M&auml;usen zu einer entz&uuml;ndlichen Erkrankung des Darms f&uuml;hrt. Mittlerweile konnten wir einen monoklonalen Antik&ouml;rper entwickeln, der gegen dieses Protein gerichtet ist, und planen erste Versuche im Tiermodell.&ldquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: United European Gastroenterology (UEG) Week 2019, 19.–23. Oktober, Barcelona </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Norman JM et al.: Disease-specific alterations in the enteric virome in inflammatory bowel disease. Cell 2015; 160: 447-60 <strong>2</strong> Virgin HW: The virome in mammalian physiology and disease. Cell 2014; 157: 142-50 <strong>3</strong> Ungaro F et al.: Metagenomic analysis of intestinal mucosa revealed a specific eukaryotic gut virome signature in early-diagnosed inflammatory bowel disease. Gut Microbes 2019; 10: 149-58</p> </div> </p>
Back to top