<p class="article-intro">Eine neue Chirurgengeneration wurde mit dem direkt anterioren Zugang zur Hüfte ausgebildet. Da diese Chirurgen mit dieser Technik vertraut sind, ist es wiederum notwendig, die Möglichkeiten dieses Zugangs in der Revisionsendoprothetik zu untersuchen. In der Primärendoprothetik gilt der direkt anteriore Zugang mittlerweile als Standardzugang und ist weltweit einer der am häufigsten verwendeten Zugänge zum Hüftgelenk.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Alle Arten der Revisionsendoprothetik nach Hüfttotalendoprothesen sind mit dem direkt anterioren Zugang zum Hüftgelenk durchführbar.</li> <li>Die klinischen und radiologischen Ergebnisse der publizierten Literatur über Revisionsendoprothetik mit dem direkt anterioren Zugang sind exzellent.</li> <li>Der direkt anteriore Zugang stellt eine weitere Zugangsform für alle Arten der Revisionen nach Hüfttotalendoprothesen dar.</li> </ul> </div> <p>Der minimal invasive direkt anteriore Zugang (englisch: „direct anterior approach“, DAA) wird seit 2002 in Innsbruck ohne Extensionstisch durchgeführt. Viele der Instrumente und Operationstechniken, die heute als Standard bei vielen Operationen angewendet werden, wurden in Innsbruck entwickelt oder weiterentwickelt. Bisher waren mehr als 3500 Chirurgen aus mehr als 52 Nationen der Welt bei uns zu Gast, um den Zugang zu erlernen oder ihre Erfahrungen zu vertiefen. Seit 2019 findet ein jährlicher Kongress über den DAA, der ICJR (International Congress of Joint Reconstruction) DAA Course, in Innsbruck statt. In den beiden ersten Jahren waren hier jeweils mehr als 100 Chirurgen aus allen Kontinenten der Welt zu Gast.<br /> Laut einer neuesten Umfrage der European Hip Society (EHS) wird der DAA von mehr als 20 % der Mitglieder der EHS als Standardzugang für primäre Hüftendoprothetik verwendet. Es gibt mittlerweile eine Generation von Endoprothetikern, die hauptsächlich in diesem minimal invasiven Zugang ausgebildet worden sind und daher damit auch am vertrautesten sind. Dadurch stellt sich natürlich die Frage, ob auch Revisionen in der Endoprothetik mit dem DAA möglich sind und wie die klinischen und radiologischen Ergebnisse des DAA in der Revisionsendoprothetik sind.<br /> Seit 2010 wird der DAA auch für Revisionen in Innsbruck verwendet, seit 2015 ist der DAA unser Standardzugang für alle Arten der Revisionen. Dieser Artikel soll einen Überblick über die Operationstechniken und Ergebnisse der Revisionsendoprothetik mit dem DAA zeigen.</p>
<p class="article-intro">Eine neue Chirurgengeneration wurde mit dem direkt anterioren Zugang zur Hüfte ausgebildet. Da diese Chirurgen mit dieser Technik vertraut sind, ist es wiederum notwendig, die Möglichkeiten dieses Zugangs in der Revisionsendoprothetik zu untersuchen. In der Primärendoprothetik gilt der direkt anteriore Zugang mittlerweile als Standardzugang und ist weltweit einer der am häufigsten verwendeten Zugänge zum Hüftgelenk.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Alle Arten der Revisionsendoprothetik nach Hüfttotalendoprothesen sind mit dem direkt anterioren Zugang zum Hüftgelenk durchführbar.</li> <li>Die klinischen und radiologischen Ergebnisse der publizierten Literatur über Revisionsendoprothetik mit dem direkt anterioren Zugang sind exzellent.</li> <li>Der direkt anteriore Zugang stellt eine weitere Zugangsform für alle Arten der Revisionen nach Hüfttotalendoprothesen dar.</li> </ul> </div> <p>Der minimal invasive direkt anteriore Zugang (englisch: „direct anterior approach“, DAA) wird seit 2002 in Innsbruck ohne Extensionstisch durchgeführt. Viele der Instrumente und Operationstechniken, die heute als Standard bei vielen Operationen angewendet werden, wurden in Innsbruck entwickelt oder weiterentwickelt. Bisher waren mehr als 3500 Chirurgen aus mehr als 52 Nationen der Welt bei uns zu Gast, um den Zugang zu erlernen oder ihre Erfahrungen zu vertiefen. Seit 2019 findet ein jährlicher Kongress über den DAA, der ICJR (International Congress of Joint Reconstruction) DAA Course, in Innsbruck statt. In den beiden ersten Jahren waren hier jeweils mehr als 100 Chirurgen aus allen Kontinenten der Welt zu Gast.<br /> Laut einer neuesten Umfrage der European Hip Society (EHS) wird der DAA von mehr als 20 % der Mitglieder der EHS als Standardzugang für primäre Hüftendoprothetik verwendet. Es gibt mittlerweile eine Generation von Endoprothetikern, die hauptsächlich in diesem minimal invasiven Zugang ausgebildet worden sind und daher damit auch am vertrautesten sind. Dadurch stellt sich natürlich die Frage, ob auch Revisionen in der Endoprothetik mit dem DAA möglich sind und wie die klinischen und radiologischen Ergebnisse des DAA in der Revisionsendoprothetik sind.<br /> Seit 2010 wird der DAA auch für Revisionen in Innsbruck verwendet, seit 2015 ist der DAA unser Standardzugang für alle Arten der Revisionen. Dieser Artikel soll einen Überblick über die Operationstechniken und Ergebnisse der Revisionsendoprothetik mit dem DAA zeigen.</p> <h2>Allgemeines</h2> <p>Prinzipiell ist jede Art der Revision bei jeder Indikation mit dem DAA möglich. Ausnahmen sind aus Sicht des Autors drei Szenarien:</p> <ol> <li>Ein Patient hatte für die Primärendoprothetik einen anderen Zugang zum Hüftgelenk und es muss aufgrund einer Fistelung im alten Zugangsbereich bei dem Patienten eine septische Wechseloperation durchgeführt werden. Falls der Patient jedoch keine Fistel aus der Operationsnarbe der Primäroperation hat, spricht nichts dagegen, für die Wechseloperation einen zweiten Hautschnitt zu setzen, um die Operation durch das DAA-Intervall durchzuführen. Aus Sicht des Autors ist dies sogar bei einem Patienten, der für die Erstoperation einen direkt lateralen Zugang (Bauer- oder Hardinge-Zugang) hatte, zu empfehlen. Dadurch werden die Glutealmuskulatur und die Außenrotatoren beim Zweiteingriff geschont. Es gibt Untersuchungen, die beweisen, dass ein postoperatives Hinken (Trendelenburg) beim Patienten umso wahrscheinlicher ist, je häufiger eine Hüftrevisionsoperation durch den lateralen Zugang durchgeführt wird. Dies passiert meistens durch eine iatrogene Schädigung des Nervus gluteus superior und die dadurch resultierende gluteale Insuffizienz.</li> <li>Es muss bei einer Revision die hintere Säule des Beckens zum Beispiel mit einer Platte behandelt werden. Dies ist technisch durch den DAA nicht möglich, aber in der klinischen Routine sehr selten.</li> <li>Die meisten Spezialimplantate („custom made“) werden von der Industrie so angefertigt, dass sie leider nicht für den DAA geplant sind. Hier fehlt den Ingenieuren der Industrie noch die Erfahrung, sie für den DAA ideal zu gestalten. Der Autor dieses Artikels hat schon mehrere „Custom made“-Implantate durch den DAA implantiert, empfiehlt allerdings, die Planung der Industrie bezüglich Schraubenplatzierung und Bohrkanäle genau zu überprüfen.</li> </ol> <p>Es ist auch festzuhalten, dass Revisionsendoprothetik durch den DAA keine minimal invasive Operation per se darstellt. Wie bei jedem anderen Zugang zum Hüftgelenk für die Revisionsendoprothetik kann es in einigen Fällen dazu kommen, dass man Muskulatur einkerben oder „releasen“ muss. Speziell bei Revisionsendoprothetik des Femurs oder bei der Versorgung von periprothetischen Frakturen werden diese Releases sogar empfohlen.<br /> Revisionen der Pfanne lassen sich sehr oft genauso minimal invasiv wie bei Primärendoprothetik der Hüfte durchführen. An der Innsbrucker Universitätsklinik für Orthopädie werden ca. 95 % der Revisionsendoprothetik der Hüfte mit diesem durchgeführt. Die Ausnahmen sind oben beschrieben. Alle Operationen werden in Rückenlage ohne Extensionstisch durchgeführt.</p> <h2>Pfannenrevisionen</h2> <p>Alle Patienten wurden in Rückenlage ohne Extensionstisch gelagert. Die Standardinzision beginnt 2 cm lateral und 1 cm distal der Spina iliaca anterior superior (SIAS). Der Operationszugang erfolgt wie bei einer primären Hüftendoprothese mit DAA. Normale Pfannen- oder Inlaywechsel können problemlos mit diesem minimal invasiven Zugang durchgeführt werden (Abb. 1). Bei größeren Pfannenrevisionen kann das DAA-Intervall proximal bis zur Höhe der SIAS verlängert werden, um den Tensormuskel darzustellen und einen Tensor-Release durchzuführen. Der Autor des Artikels empfiehlt, diesen Release zu tätigen und nicht die Außenrotatoren einzukerben. Zudem zieht er es vor, die Außenrotatoren für Hüftgelenksrevisionen nicht zu releasen oder einzukerben. Bei Bedarf kann jedoch der „Tensor fascia latae“(TFL)-Muskel releast werden. Es wird empfohlen, ungefähr ein Drittel des TFL 1–2 cm distal von der SIAS einzuschneiden. Dieser TFLRelease befindet sich im Bereich der Sehnenstruktur des Tensormuskels und erleichtert das Wiederanbringen mit normalen Nähten. Diese Erweiterung des Zugangs bietet direkten Zugang zum Ilium und ermöglicht die Anbringung von Platten und Schrauben oder die Implantation einer Pfannendachschale oder eines Rekonstruktionsrings.<br /> Horsthemke publizierte eine Serie von 48 Patienten, bei denen mit dem DAA einfache Revisionen der Pfanne durchgeführt wurden. Er konkludierte bei exzellenten Ergebnissen, dass der DAA eine gute Option bei der Hüftrevisionsendoprothetik darstellt. Wir veröffentlichten rezent unsere Ergebnisse zu komplexen Pfannenrevisionen über den DAA. Bei 64 Patienten (64 Hüften) mit schwerem Verslust an azetabulärem Knochen wurden Revisionen der Hüftgelenkspfanne und Rekonstruktionen mit Pfannendachschale durchgeführt. Der Schaft wurde bei 22 Patienten gewechselt. 6 der 64 Patienten wurden bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 27,6 Monaten (Bereich 11–84 Monate) revidiert, jeweils 2 wegen Implantatversagen, Infektion und wiederkehrender Luxation. Mit dem DAA können gute Ergebnisse bei anspruchsvollen Revisionen der Pfanne erzielt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s29_abb1_thaler.jpg" alt="" width="400" height="309" /></p> <h2>Schaftrevisionen</h2> <p>Einfache Femurrevisionen lassen sich ohne Zugangserweiterung durchführen. Bei größeren Eingriffen wird empfohlen, eine Zugangserweiterung abhängig von der Indikation und des intraoperativen Situs durchzuführen. Eine proximale Verlängerung des Hautschnittes bis zur Höhe der SIAS kann hier ebenfalls durchgeführt werden. Hier kann durch einen Tensorrelease wie oben beschrieben die femorale Exposition deutlich verbessert werden. Somit kann nach dem TFL-Release ein direkter Zugang zum Femur ermöglicht werden (Abb. 2). Erneut empfiehlt der Autor, die Außenrotatoren nicht einzukerben, um postoperativ eine bessere Funktion für den Patienten zu ermöglichen.<br /> Eine distale Verlängerung des DAA-Intervalls kann auch durchgeführt werden, wenn eine periprothetische Fraktur behandelt werden muss, ein Fenster zur Zemententfernung gemeißelt werden muss oder aufgrund eines sehr fest sitzenden Femurschaftes eine Komponente endofemoral nicht entfernt werden kann. Durch die distale Erweiterung des Zugangs kann sowohl eine Wagner-Osteotomie als auch eine „extended trochanteric osteotomy“ durchgeführt werden. Für die distale Erweiterung, und um Zugang zur Femurdiaphyse zu erhalten, muss der Hautschnitt distal verlängert werden. Aus kosmetischen Gründen ziehen wir es vor, den Einschnitt seitlich vom distalsten Punkt zum ursprünglichen DAA-Zugang zu krümmen und eine „Lazy-S“-Form zu bilden. Der vordere Rand der TFL wird identifiziert. Auf dieser Ebene verbindet sich der Tractus iliotibialis typischerweise mit der viel dünneren Faszie der Quadrizepsmuskulatur. Wir teilen die Faszie in Längsrichtung so weit wie nötig distal. Die Faszie mit dem TFL und der komplette Tractus iliotibialis können jetzt vom darunterliegenden Musculus vastus lateralis stumpf wegmobilisiert werden. Der hintere Rand des Musculus vastus lateralis kann jetzt wie gewohnt von einem streng lateralen Zugang zur Femurdiaphyse freigelegt werden, indem die Faszie seitlich gezogen und das Bein nach innen gedreht wird. Wir schneiden die Muskelfaszie am hinteren Rand ein, um Zugang zur Femurdiaphyse zu erhalten. Die weiteren Operationsschritte unterscheiden sich nicht von dem lateralen Zugang zur Femurdiaphyse.<br /> Wir haben in einer Studie, die sich gerade in Publikation befindet, 165 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 63 Jahren untersucht. Die Indikation für die Revision waren aseptische Schaftlockerungen (80 % ), aber auch periprothetische Frakturen (18 % ), Malposition von Schäften und Prothesenversagen in sehr wenigen Fällen (3,4 % ). Ein endofemoraler Zugang ohne „Lazy-S“-Erweiterung wurde in 156 Fällen durchgeführt, in den restlichen Fällen wurde der Zugang wie oben beschrieben nach distal erweitert. Verglichen mit der rezenten Literatur, hatten wir eine niedrige Komplikationsrate. Somit haben wir bewiesen, dass Schaftwechsel durch den vorderen Zugang eine sichere und verlässliche Prozedur sind.<br /> Auch publizierten wir unsere Fallserie zur Versorgung von periprothetischen Frakturen über die Erweiterung dieses Zugangs im „Journal of Arthroplasty“. Auch hier konnten wir zeigen, dass die Erweiterung des DAA eine gute Operationsmethode für diese Art der Verletzungen darstellt (Abb. 3 und 4).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s29_abb2_thaler.jpg" alt="" width="400" height="309" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s30_abb3_thaler.jpg" alt="" width="275" height="300" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2003_Weblinks_jat_ortho_2003_s30_abb4_thaler.jpg" alt="" width="275" height="310" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>● Thaler M et al.: Mid-term follow-up of the direct anterior approach in acetabular revision hip arthroplasty using a reconstruction cage with impaction grafting. J Arthroplasty 2020; doi: 10.1016/j.arth.2020.01.004 ● Thaler M et al.: The direct anterior approach: treating periprosthetic joint infection of the hip using two-stage revision arthroplasty. Arch Orthop Trauma Surg 2020; 140(2): 255-62 ● Thaler M et al.: Extension of the direct anterior approach for the treatment of periprosthetic femoral fractures. J Arthroplasty 2019; 34(10): 2449-53 ● Thaler M et al.: Twoyear gait analysis controls of the minimally invasive total hip arthroplasty by the direct anterior approach. Clin Biomech (Bristol, Avon) 2018; 58: 34-8 ● Putzer D et al.: The distance of the gluteal nerve in relation to anatomical landmarks: an anatomic study. Arch Orthop Trauma Surg 2018; 138(3): 419-25 ● Nogler M, Thaler M: Surgical access routes to the hip joint in the elderly. Orthopade 2017; 46(1): 18-24 ● Nogler MM, Thaler MR: The direct anterior approach for hip revision: Accessing the entire femoral diaphysis without endangering the nerve supply. J Arthroplasty 2017; 32(2): 510-14</p>
</div>
</p>