
Stehen Standardtherapien in Frage?
Autor:
Dr. Michael Panny
Abteilung für Hämatologie und Onkologie
Hanusch-Krankenhaus, Wien
E-Mail: michael.panny@oegk.at
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Die aktuellen Studiendaten vom Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH) 2021 stellen nicht nur die bisherigen Standards in Erst- und Zweitlinientherapie des DLBCL zur Diskussion. Auch die ZNS-Prophylaxe für fitte Patient*innen wird in Frage gestellt.
Erstlinientherapie – POLARIX
Die doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte POLARIX-Studie verglich die Standard-Induktions-Chemoimmuntherapie R/CHOP mit der experimentellen Kombination Polatuzumab-Vedotin plus R/CHP (Pola-R/CHP) bei unbehandelten, fitten Patient*innen mit International Prognostic Index (IPI) 2–5.1 Definierter primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). 879 Patient*innen wurden randomisiert, davon 440 in den experimentellen und 439 in den Standardarm.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28,2 Monaten zeigte sich ein signifikanter PFS-Vorteil im Pola-R/CHP-Arm. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Die PFS-Rate nach zwei Jahren lag bei 76,7% unter Pola-R/CHP vs. 70,2% im Standardarm (HR: 0,73; p=0,02; Abb. 1). Zum Zeitpunkt des Data Cut-off benötigten 99 Patient*innen im Pola-R/CHP- und 133 im R/CHOP-Arm eine weitere Lymphom-spezifische Therapie. Sowohl die Rate an kompletten metabolischen Remissionen in der „End of treatment“-PET als auch das Gesamtüberleben (OS) waren ohne signifikanten Unterschied. Die OS-Rate nach zwei Jahren betrug im R/CHOP-Arm 88,6% und im Pola-R/CHP-Arm 88,7% (HR: 0,94; p=0,75). Das Sicherheitsprofil der beiden Studienarme war vergleichbar.
In bereits publizierten Subgruppenanalysen zeigt sich ein nicht ganz schlüssiges Bild – so scheint die experimentelle Therapie zwar bei älteren Patient*innen mit High Risk gemäß IPI und bei Patient*innen mit aktiviertem B-Zell-Typ von Vorteil. Bei Patient*innen mit Stadium IV oder mit „bulky disease“ fand sich allerdings kein signifikanter PFS-Vorteil für den experimentellen Therapiearm.
Fazit
Nach einer Reihe von negativen Phase-III-Studien zur Erstlinientherapie des DLBCL wurde seit vielen Jahren wieder eine positive Erstlinienstudie präsentiert. Trotz signifikanten PFS-Vorteils konnte kein Trend zu einem verlängerten OS detektiert werden. Bedingt durch verbesserte Therapiekonzepte im Rezidiv – das Dogma des DLBCL als „one shot cancer“ ist durchbrochen – scheint sich ein verlängertes PFS beim DLBCL nicht (mehr) automatisch in ein verbessertes Gesamtüberleben umzusetzen. Ob sich die Therapie mit Polatuzumab-Vedotin plus R-CHP als neuer Standard für die Erstlinientherapie etabliert, bleibt daher noch abzuwarten.
Rezidivtherapie – CAR-T vs. ASCT
Drei randomisierte Phase-III-Studien beschäftigten sich mit der Zweitlinientherapie mit CAR-T-Zellen bei primär refraktären Patient*innen mit DLBCL oder Patient*innen mit Rezidiv innerhalb des ersten Jahres nach Therapieabschluss. Die Patient*innen waren für Platin-basierte Hochdosischemotherapie sowie autologe Stammzelltransplantation geeignet. Zwei der Studien konnten hochsignifikante Vorteile für den experimentellen Arm, die Therapie mit CAR-T-Zellen, im Vergleich zur Standardtherapie zeigen. Die dritte Studie BELINDA jedoch fand keinen Unterschied. Hier die Daten im Überblick:
BELINDA
In der BELINDA-Studie wurden 322 Patient*innen randomisiert – 162 in den CAR-T-Arm mit der Verabreichung von Tisagenlecleucel, 160 in den „Standard of care“(SOC)-Arm.2 Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (EFS) in den ersten 12 Wochen. Ein Ereignis war definiert als stabile oder progressive Erkrankung nach drei Monaten oder Tod. Eine Bridging-Therapie mit Polychemotherapie bis zur CAR-T-Zell-Therapie war erlaubt.
Zwischen experimentellem Arm und Standardarm konnte kein signifikanter Unterschied detektiert werden: Das mediane EFS lag in beiden Armen bei 3 Monaten, die vollständige Ansprechrate in beiden Armen bei 28%.
ZUMA-7
In der ZUMA-7-Studie wurden 180 Patient*innen in den experimentellen Arm mit Axicabtagen-Lisoleucel (Axi-Cel) und 179 in den Standardarm randomisiert.3 Als Bridging-Therapie im CAR-T-Arm waren lediglich Steroide zugelassen. Primärer Endunkt war auch in dieser Studie das EFS. Ein Ereignis war allerdings auch definiert durch Nichtansprechen auf die Platin-basierte Induktionstherapie im Standardarm sowie Progress, Rezidiv oder Tod.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 24,9 Monaten zeigte sich ein hochsignifikanter Vorteil durch die Therapie mit Axi-Cel. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Das mediane EFS im Axi-Cel-Arm lag bei 8,3 Monaten vs. 2 Monate im Standardarm (HR: 0,398; p<0,0001). Der Median in Bezug auf das OS wurde mit der CAR-T-Therapie nicht erreicht und lag im SOC-Arm bei 35,1 Monaten (HR: 0,73; p=0,027). 94% der Patient*innen im experimentellen Arm erhielten die geplante CAR-T-Zell-Therapie und 36% der Patient*innen im SOC-Arm erhielten die geplante konsolidierende autologe Stammzelltransplantation.
TRANSFORM
In der TRANSFORM-Studie wurden jeweils 92 Patient*innen in den SOC-Arm bzw. CAR-T-Arm mit Lisocabtagen-Maraleucel (Liso-Cel) randomisiert.4 Primärer Endpunkt war wiederum das EFS, definiert als Progress, Rezidiv, Tod oder Beginn einer neuen Therapie. Ein Cross-over vom SOC-Arm zur Liso-Cel-Therapie war erlaubt.
In einer Zwischenbeobachtung nach nur 6,2 Monaten im Median zeigten sich signifikant weniger Ereignisse im CAR-T-Arm: 35 Ereignisse unter Liso-Cel stehen 63 Ereignissen im SOC-Arm gegenüber (HR: 0,349; p<0,0001).
Fazit
Zusammenfassend zeigen ZUMA-7 und TRANSFORM ein einheitliches hochsignifikantes Ergebnis zugunsten der CAR-T-Zell-Therapie, während die BELINDA-Studie ein klar negatives Bild zeichnet. Unterschiede in der Definition des EFS, unterschiedliche Bridging-Therapien, Zeitdifferenzen in der Zeit bis zur Reinfusion und Unterschiede im Kollektiv werden als Ursache dieser Divergenz diskutiert. Für Patient*innen mit rezidiviertem/refraktärem DLBCL steht mit der CAR-T-Zell-Therapie eine relevante effektive Therapieoption zur Verfügung.
ZNS-Prophylaxe
Eine multizentrische Analyse von 21 Zentren in Australien, Asien, Nordamerika und Europa bei 2300 Patient*innen mit aggressiven Lymphomen und hohem Risiko für ein ZNS-Rezidiv (definiert als DLBCL mit CNS-IPI 4–6; „high grade“ B-Zell-Lymphome mit MYC- und BCL-2- und/oder BCL-6-Rearrangement und primär testikuläre/mammäre Lymphome) wurde präsentiert.5
Von den insgesamt 2267 Patient*innen mit vorliegenden Daten wurde bei 392 Patient*innen eine prophylaktische systemische Therapie mit Hochdosis-Methotrexat (HD MTX) durchgeführt. Nach einer medianen Follow-up-Zeit von 5,8 Jahren zeigte sich kein signifikanter Unterschied. In der HD-MTX-Kohorte erlitten 7,9% der Patient*innen ein ZNS-Rezidiv. Patient*innen ohne MTX-Prophylaxe erlitten in 9% der Fälle ein ZNS-Rezidiv.
In Subgruppenanalysen (Dosis HD MTX < oder >3g/m2, Anzahl extranodaler Manifestationen, spezifischer extranodaler Befall, CNS-IPI Score, Histologie, isolierter vs. systemischen/synchronen ZNS-Relaps, HD-MTX-Schema, gleichzeitige intrathekale MTX-Therapie) fand sich keine Subgruppe, die signifikant von einer HD-MTX-Prophylaxe profitierte.
Fazit
In Zusammenschau der am ASH 2020 präsentierten und mittlerweile publizierten Daten scheint eine prophylaktische HD-MTX-Gabe für Patient*innen mit aggressivem Lymphom und hohem Risiko für ein ZNS-Rezidiv nicht effektiv. Vor dem Hintergrund einer (toxischen) Übertherapie von 85–90% der Patient*innen (bei Hochrisiko-CNS-IPI: 10–15% Risiko für ZNS-Rezidiv) ist eine prophylaktische MTX-Therapie somit obsolet.
Hinweise auf eine effektivere Prophylaxe durch Kombinationstherapien mit HD MTX und/oder einer konsolidierenden autologen Stammzelltransplantation sollten validiert werden. Gleichzeitig ist es dringend notwendig, das Kollektiv mit hohem Risiko für ZNS-Rezidive besser zu definieren bzw. bei Diagnosestellung einen möglichen ZNS-Befall, z.B. durch Messung von ctDNA im Liquor, zu detektieren.
Literatur:
1 Tilly H et al.: The POLARIX Study: Polatuzumab Vedotin with Rituximab, Cyclophosphamide, Doxorubicin, and Prednisone (pola-R-CHP) Versus Rituximab, Cyclophosphamide, Doxorubicin, Vincristine and Prednisone (R-CHOP) Therapy in Patients with Previously Untreated Diffuse Large B-Cell Lymphoma. ASH-Meeting 2021; Abstr. #LBA-1 2 Bishop M et al.: Tisagenlecleucel vs standard of care as second-line therapy of primary refractory or relapsed aggressive B-cell non-hodgkin lymphoma: analysis of the phase III Belinda study. ASH-Meeting 2021; Abstr. #LBA-6 3 Locke F et al.: Primary analysis of ZUMA-7: aphase 3 randomized trial of axicabtagene ciloleucel (Axi-Cel) versus standard-of-care therapy in patients with relapsed/refractory large B-Cell lymphoma. ASH-Meeting 2021; Abstr. #2 4 Kamdar M et al.: Lisocabtagene maraleucel (liso-cel), a CD19-directed chimeric antigen receptor (CAR) T cell therapy, versus standard of care (SOC) with salvage chemotherapy (CT) followed by autologous stem cell transplantation (ASCT) as second-line (2L) treatment in patients (Pts) with relapsed or refractory (R/R) large B-Cell lymphoma (LBCL): results from the randomized phase 3 Transform study. ASH-Meeting 2021; Abstr. #91 5 Lewis KL et al.: High-dose methotrexate is not associated with reduction in CNS relapse in patients with aggressive B-Cell lymphoma: an international retrospective study of 2300 high-risk patients. ASH-Meeting 2021; Abstr. #181
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