KOKON-KTO: Ärztetraining zur Komplementärmedizin
Autorin:
Prof. Dr. med. Claudia M. Witt, MBA
Institut für komplementäre und integrative Medizin
Universitätsspital Zürich
E-Mail: claudia.witt@uzh.ch
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In einem systematisch entwickelten Training konnten sich Onkolog*innen schulen lassen, Gespräche über Komplementärmedizin mit Krebspatient*innen zu führen. Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten multizentrischen Studie wurde die Effektivität des Trainingskonzepts untersucht. Die Ergebnisse sowie die zur Verfügung stehenden Materialien werden hier vorgestellt.
Keypoints
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Das KOKON-KTO-Training wurde systematisch entwickelt und evaluiert und hat sich als implementierbar gezeigt.
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Ärzt*innen konnten danach mit Krebspatient*innen ein strukturiertes Gespräch zur Komplementärmedizin mit einer Dauer von max. 20min führen.
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Die Ärzt*innen waren mit dem Training zufrieden.
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Patient*innen waren zufriedener und besser darauf vorbereitet, Entscheidungen zu treffen.
Viele an Krebs erkrankte Menschen nutzen Komplementärmedizin und wünschen sich, auch von ihrer Gynäkologin/ ihrem Gynäkologen Informationen darüber zu erhalten.
Das Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie (KOKON, http://www.kompetenznetz-kokon.de ) ist ein deutschlandweiter, interdisziplinärer Forschungsverbund, der von der Deutschen Krebshilfe von 2012 bis 2019 gefördert wurde. Ziel war es, Informationen zur Komplementärmedizin in der Onkologie zu professionalisieren und Trainings zur Weitergabe dieser Informationen zu entwickeln und evaluieren. Im Mittelpunkt der hier dargestellten Teilprojekte standen Trainings für onkologisch tätige Ärzt*innen.
In den ersten 3 Jahren wurde für an Brustzentren tätige Gynäkolog*innen ein Blended-Learning-Training (E-Learning und Workshop) für die Beratung von Brustkrebspatientinnen entwickelt und in einer Cluster-randomisierten Pilotstudie evaluiert.1 Die Pilotergebnisse zeigten, dass die Patientinnen sehr zufrieden waren, wenn sie von einer Gynäkologin/einem Gynäkologen, die/der nicht ihr behandelnder Arzt war, eine zusätzliche Beratung zur Komplementärmedizin erhielten. Von diesem Training profitierten aber eher die jüngeren und in der Komplementärmedizin unerfahrenen Ärzt*innen und die aufgewendete Zeit (im Mittel 45min) wurde als zu aufwendig eingeschätzt.
Diese Erkenntnisse wurden im zweiten Projekt berücksichtigt. Für onkologisch tätige Ärzt*innen wurde ein Trainingsprogramm entwickelt, um ein 20-minütiges Gespräch mit den eigenen Patientinnen zur Komplementärmedizin zu führen. Die Entwicklung wurde mit Methoden der Implementierungsforschung2 begleitet und das fertige Training anschliessend in einer Cluster-randomisierten Studie evaluiert.3
Die Hauptergebnisse4 und Produkte aus dem Projekt «Training für onkologisch tätige Ärztinnen und Ärzte (KOKON-KTO)» werden hier zusammengefasst.
Entwicklung des Trainings
Im ersten Schritt wurde, basierend auf dem RE-AIM Implementation Research Framework, eine Implementierungsstrategie entwickelt. Folgende Kriterien wurden als entscheidend für den Erfolg angesehen:
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klinisch praktikable Beratungszeit, die in die übliche Versorgung integriert werden kann (maximale Dauer von 20 Minuten)
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ein niedrigschwelliger Zugang zur Schulung (Zeitdauer, zeitliche und örtliche Flexibilität)
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Vermittlung von Fähigkeiten, die auch in anderen Beratungssituationen als nützlich empfunden werden
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ein Beratungsrahmen, der die Anpassung an den individuellen Beratungsstil ermöglicht und ein strukturiertes Handbuch mit Materialien für die klinische Praxis
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Kompatibilität mit definierten Kompetenzen
Dann erfolgte die Entwicklung der zu vermittelnden Kompetenzen, des Gesprächsmanuals, des Trainingscurriculums und der konkreten Lehrinhalte. Jeder dieser Schritte wurde evaluiert, wobei verschiedene Methoden (u.a. Literaturreviews, Expertenkonsensusverfahren, Pilottestungen mit Ärzt*innen und Patient*innen) angewendet wurden.
Der Ablauf des Gesprächs im Manual folgt Schritten, die – je nach Erfahrung – im Gesprächsablauf auch etwas variiert werden können. Diese Schritte beinhalten: die Patientin über die Dauer und das Ziel des Gesprächs informieren, Vorerfahrungen und Interessen evaluieren und gemeinsam Prioritäten für das Gespräch setzen. Es werden erst nach Besprechung indikationsspezifischer Themen übergreifende Empfehlungen (Bewegung, Entspannung) gegeben. Wichtig ist es dann, die Implementierung konkret zu unterstützen und den Verlauf zu monitoren.
Da nicht alle Ärzt*innen und Patient*innen Zugang zu Anbietern von Komplementärmedizin haben, wurde in einem weiteren Schritt ein Flyer mit Kriterien für seriöse Anbieter von Komplementärmedizin entwickelt.5 Dabei wurden unterschiedliche Experten und Stakeholder einbezogen und der Flyer wurde im Rahmen der Studie zum Einsatz gebracht und evaluiert.
Trainingscurriculum
In einem internationalen Konsensusprozess wurden in Zusammenarbeit mit der Society for Integrative Oncology auf Basis eines systematischen Reviews Kernkompetenzen für die integrative Onkologie entwickelt und publiziert.6 Basierend auf diesen Kompetenzen wurden für KOKON-KTO auch übergreifende und detaillierte Lernziele formuliert. Die Teilnehmenden sollen nach dem Training verschiedene komplementärmedizinische und weitere supportive Verfahren vergleichen können und eine KOKON-KTO-Konsultation, adaptiert an die jeweilige Patientin, durchführen können. Das resultierende Lernkonzept besteht aus einem modernen E-Learning und einem Präsenzworkshop. Zudem wurden auch spezielle Prüfungsverfahren, wie z.B. Situational Judgement Tests, entwickelt.7 In Tabelle 1 sind Details zum Training dargestellt.
Tab. 1: KOKON-KTO-Training2
Die Hauptstudie
In einer multizentrischen Cluster-randomisierten Studie wurde untersucht, was effektiver ist: wenn onkologisch tätige Ärzt*innen nach einem Training ein maximal 20-minütiges Gespräch zur Komplementärmedizin mit ihren Patient*innen führen oder wenn sie nur einen Flyer mit Hinweisen zu Webseiten zur Komplementärmedizin aushändigen und kurz erläutern.
Die teilnehmenden onkologisch tätigen Ärzt*innen wurden aus Kliniken und Praxen rekrutiert und haben ihre eigenen Krebspatient*innen in die Studie eingeschlossen. Zu den Einschlusskriterien für Ärzt*innen zählten: Spezialisierung in Bereichen der Onkologie, geringe Kenntnisse über Komplementärmedizin und wenig Erfahrung in der komplementärmedizinischen Beratung von Krebspatient*innen. Als Einschlusskriterien für Patient*innen galten: Interesse an einem Gespräch zur Komplementärmedizin, älter als 18 Jahre, vorliegende Krebsdiagnose und bereits erfolgte Planung der Krebsbehandlung.
Für die Intervention wurden die Ärzt*innen randomisiert – eine Gruppe erhielt das KOKON-KTO-Training, die andere Gruppe nur ein kurzes E-Learning zur Ausgabe des Informationsflyers. Beide Gruppen haben dann mit bis zu 10 Patient*innen Gespräche geführt. Evaluiert wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auf unterschiedlichen Ebenen. Die Outcomes wurden in einem Konsensusprozess festgelegt8 und Details zum Studienprotokoll finden sich in der Protokollpublikation.9
Hauptergebnisse des Projekts
Es liegt ein evidenzbasiertes Trainingskonzept zur Komplementärmedizin vor. Das KOKON-KTO-Gesprächsmanual entstand in einem interdisziplinären und internationalen Konsensusprozess. Das Training liess sich gut implementieren und die Zufriedenheit bei den Teilnehmer*innen war hoch. Am Ende des Trainings waren die Teilnehmenden in der Lage, ein Patient*innengespräch zur Komplementärmedizin laut dem Gesprächsmanual zu führen und die Lernkontrolle (Patientenfälle im Situation Judgement Test) passend zu beantworten.
Die Cluster-randomisierte Studie zeigte: Bei den Ärzt*innen, die ein Training absolvierten, fühlten sich die Patient*innen eher bereit, eine Entscheidung zu Behandlungen mit Komplementärmedizin zu treffen, und sie zeigten sich mit der Information und dem Gespräch zufriedener (Tab. 2).
Tab. 2: Ausgewählte Ergebnisse der Cluster-randomisierten Studie (Rogge AA et al. 2021)3
Verfügbare Materialien und Fortbildungen
Fast alle Publikationen aus diesem Projekt stehen als Open Access zur Verfügung. Die Links sowie die wichtigsten Materialien (Gesprächsmanual und die Checkliste für seriöse Anbieter) können hier heruntergeladen werden: https://www.usz.ch/fachbereich/komplementaere-und-integrative-medizin/forschung/kokon-kto/
Die relevanten Teile des KOKON-KTO-Trainings wurden in den Zertifizierungskurs der Kommission Integrative Medizin der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO) für Ärztinnen und Ärzte integriert ( https://www.ago-online.de/ago-kommissionen/kommission-imed ). Dieser geht über das KOKON-KTO-Training hinaus. Im Blended-Learning-Verfahren, mit einem E-Learning-Teil und Präsenzterminen an drei Wochenenden, werden in dem Kurs systematisch die Bereiche der pharmakologischen und nicht pharmakologischen Therapieoptionen der Komplementärmedizin in der Onkologie unterrichtet. Ziel ist, dass die Teilnehmenden nach dem Kurs mit ihren Patientinnen konkrete Therapiepläne entwickeln und einzelne Therapien auch selbst ausführen können.10
Literatur:
1 Blödt S et al.: BMC Cancer 2016; 16(1): 843 2 Witt CM et al.:Cancer 2020; 126(13): 3031-41 3 Rogge AA et al.: Cancer 2021; 127(15): 2683-92 4 Website des Instituts für komplementäre und integrative Medizin, https://new.usz.ch/fachbereich/komplementaere-und-integrative-medizin/ 5 Rogge AA et al.: Patient Prefer Adherence 2020; 14: 747-55 6 Witt CM et al.:J Cancer Educ 2020; 10.1007/s13187-020-01829-8 7 Rogge AA et al.: J Cancer Educ 2021; doi: 10.1007/s13187-021-01973-9 8 Fischer F et al.: BMC Cancer 2019; 19(1): 808 9 Helmer SM et al.: Trials 2019; 20(1): 90 10 Witt CM, Müller T: Der Gynäkologe 2020; 54: 32-37
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