
Die besten Beiträge aus dem Bereich IBD
Oberarzt
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsspital Zürich
E-Mail: jonas.zeitz@usz.ch
Die Digestive Disease Week® 2016 (DDW) fand vom 21. bis 24. Mai in San Diego statt. Es ist der grösste internationale Kongress, bei welchem Ärzte, Forscher und Akademiker aus den Bereichen der Gastroenterologie, Hepatologie, Endoskopie und der gastrointestinalen Chirurgie zusammenkommen. Es wurden mehr als 5000 Abstracts vorgestellt und Hunderte von Vorträgen gehalten. In diesem Artikel möchte ich die Highlights aus dem Bereiche der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) zusammenfassen.
Natürlicher Verlauf und Folgen von IBD
Fiorino et al präsentierten eine interessante Studie, welche sich mit dem Stopp einer Anti-TNF-Therapie mit Infliximab (IFX) bei Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) beschäftigt. Der Hintergrund ist, dass nur limitierte Daten bezüglich der Rate an Schüben nach Sistierung einer Anti-TNF-Therapie bei Patienten mit CU existieren.1, 2 Die Autoren gingen daher der Fragestellung nach, ob ein Stopp von Infliximab bei CU-Patienten, welche sich in Remission befinden, erwogen werden kann. Es handelte sich um eine retrospektive Kohortenstudie, bei welcher der Krankheitsverlauf von CU-Patienten, welche Infliximab gestoppt hatten, mit dem von Patienten, welche IFX fortgesetzt hatten, verglichen wurde. Primärer Endpunkt war die Inzidenz von Rezidiven, sekundäre Endpunkte waren die Rate an Hospitalisationen und Kolektomien, die Effektivität der verschiedenen therapeutischen Strategien nach IFX-Stopp und die Ansprechrate, Remissionsrate und unerwünschte Ereignisse nach Wiederaufnahme der IFX-Therapie. Insgesamt konnten 192 CU-Patienten aus verschiedenen Zentren in Europa und Israel eingeschlossen werden. 111 CU-Patienten stoppten IFX (57,5 % ) und 82 CU-Patienten führten die Therapie fort (42,5 % ). In der Gruppe, welche IFX gestoppt hatte, kam es bei signifikant mehr Patienten zu einem Rezidiv (Rezidivrate 47,7 % , mediane Zeit bis zum Rezidiv 3,6 Jahre) verglichen mit der Kontrollgruppe, welche IFX weitergeführt hatte (Rezidivrate 17,1 % , mediane Zeit bis zum Rezidiv 7,6 Jahre, p<0,001). Bei 35 Patienten (66 % ) wurde eine IFX-Therapie reinitiiert, 27 von 35 Patienten zeigten dabei ein Therapieansprechen (77,1 % ) und 18 der 35 Patienten (51,4 % ) konnten in Remission gebracht werden. Die Autoren schlossen daraus, dass ein Stopp von IFX bei Patienten mit CU, welche sich in Remission befinden, mit einem erhöhten Rezidivrisiko innerhalb von 12 Monaten verbunden ist und daher eventuell nicht zu empfehlen ist. Jedoch ist eine Reinitiierung von IFX effektiv und sicher, wenn es zu einem Schub kommt. Zusätzlich ist nach IFX-Stopp eine Thiopurin-Therapie möglicherweise die beste Therapiestrategie. Jedoch sind weitere prospektive randomisierte kontrollierte Studien notwendig, um dies zu evaluieren.
Epidemiologie
Aktuell liegen nur limitierte Daten zu Effektivität einer Anti-TNF-Therapie bezüglich extraintestinaler Manifestationen (EIM) bei IBD vor. In der Literatur gibt es diesbezüglich Daten zu IFX und Adalimumab (ADA).3–10 Thomas Greuter stellte eine Studie von Vavricka et al vor, welche die Effekte der drei in der Vergangenheit zugelassenen Anti-TNF-Medikamente (Infliximab, Adalimumab und Certolizumab Pegol) zur Behandlung von EIM in der Swiss IBD Cohort Study (SIBDCS) untersucht hat. An EIM wurden die periphere Arthritis, ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew), Uveitis, Pyoderma gangraenosum (PG), Erythema nodosum (EN), aphthöse Stomatitis (AS), Psoriasis und primär sklerosierende Cholangitis (PSC) untersucht. Die Autoren konnten zeigen, dass in der SIBDCS 366 von 1249 Patienten (29,3 % ) mindestens 1 EIM vorzuweisen hatten und dass bei 213 der 366 (58,2 % ) eine Therapie mit mindestens einem Anti-TNF-Medikament in der Vergangenheit stattgefunden hatte. In >40 % der Fälle war die Anti-TNF-Therapie aufgrund von EIM begonnen worden und die Ansprechrate war insgesamt gut, mit einer allgemeinen klinischen Verbesserung in >50 % der Fälle. Die besten Ansprechraten konnten für Psoriasis, AS, Uveitis und die periphere Arthritis gezeigt werden.
Therapie von IBD
Die TAILORIX-Studie
In retrospektiven Studien und Fallserien konnte gezeigt werden, dass eine Korrelation zwischen Anti-TNF-Serum-Konzentrationen und der Effizienz von Anti-TNF-Therapien bei IBD besteht, es fehlen dazu jedoch prospektive kontrollierte Studien. Es existiert bisher nur eine einzelne prospektive Studie (TAXIT), bei der Patienten unter IFX als Erhaltungstherapie nach einer «Optimierungsphase» randomisiert wurden.11 D’Haens et al untersuchten daher im Rahmen der GETAID (Groupe d’Etude Thérapeutique des Affections Inflammatoires Digestives, Frankreich), ob anti-TNF-naive Patienten mit aktivem Morbus Crohn (MC), welche eine Kombinationstherapie aus Infliximab und Immunmodulator erhalten, höhere Raten an steroidfreier Remission und «mucosal healing» mit einer «massgeschneiderten» IFX-Therapie, basierend auf den IFX-Talspiegeln, erreichen. Primärer Endpunkt waren die steroidfreie Remission bei allen Konsultationen zwischen Woche 22 und 54 (CDAI <150 Punkte), das Fehlen von Ulzerationen in den Wochen 52–54 und das Vermeiden von Operationen während der Studie. 167 Patienten in 27 Zentren wurden gescreent und 122 Patienten wurden in drei Studienarme randomisiert:
Gruppe 1: Dosiserhöhung von IFX mit maximal 2 Stufen à 2,5mg/kg abhängig von klinischen Symptomen, Biomarkeranalyse und Serum-IFX-Spiegeln
Gruppe 2: Dosiserhöhung von IFX von 5 auf 10mg/kg nach den gleichen Kriterien
Gruppe 3: Dosiserhöhung von IFX auf 10mg/kg nur abhängig von klinischen Symptomen
Der primäre Endpunkt basierend auf dem Endoskopieergebnis wurde von 21 der 45 Patienten (47 % ) in Gruppe 1, 14 von 37 (38 % ) in Gruppe 2 und 16 von 40 (40 % ) in Gruppe 3 erreicht (p=ns); die Anzahl an Patienten ohne Ulzerationen in Woche 54 war 36 % , 43 % und 48 % (p=ns) und jener mit endoskopischer Remission (CDEIS<3 Punkte) 49 % , 51 % und 45 % (p=ns). Eine Dosisintensivierung fand bei 51 % , 65 % und 40 % der Patienten statt. In dieser prospektiven, randomisierten explorativen Studie war somit die Dosiserhöhung von IFX basierend auf Symptomen und Serumkonzentrationen (IFX-Talspiegel) nicht der Dosiserhöhung abhängig von Symptomen überlegen. Eine Dosiserhöhung von IFX um 2,5mg/kg war ähnlich effektiv wie 5mg/kg.
Ergebnisse der IM-UNITI-Studie
Interleukin 12 (IL-12) und IL-23 sind Schlüsselzytokine in der pathogenen Immunkaskade bei Morbus Crohn (MC). Ustekinumab (UST) ist ein vollständig humaner monoklonaler (IgG1k) Antikörper, welcher an die p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23 bindet. Dadurch werden die IL-12- und IL-23-mediierten Signalkaskaden, zelluläre Aktivierung und darauf folgende Zytokinproduktion inhibiert. UST ist zugelassen für die moderate bis schwere Psoriasis und Psoriasisarthritis und eine Induktionstherapie zeigte in der UNITI-11- und UNITI-22-Studie in einer breiten MC-Population ein gutes Ansprechen.12–15
Eine doppelblinde, placebokontrollierte Phase-II-Erhaltungsstudie mit UST (IM-UNITI) wurde nun auf der DDW von Sandborn et al vorgestellt. In diese wurden MC-Patienten, welche klinisches Ansprechen in einer der beiden UST-Induktionsstudien (UNITI-11 und UNITI-22) gezeigt hatten, eingeschlossen.
Die primäre Studienpopulation (n=388) wurde in folgende Gruppen randomisiert:
- s.c. Injektionen von Placebo (PBO)
- s.c. UST 90mg alle 8 Wochen (q8w)
- s.c. UST 90mg alle 12 Wochen (q12w)
Der primäre Endpunkt der Studie war klinische Remission in Woche 44. Die wichtigsten sekundären Endpunkte in Woche 44 umfassten klinisches Ansprechen, klinische Remission (bei Patienten, welche in Remission bei der Baseline-Visite waren), steroidfreie Remission und klinische Remission (bei Patienten, welche therapierefraktär oder intolerant bezüglich einer Anti-TNF-Therapie waren).
Als Ergebnis der Studie befand sich in Woche 44 ein signifikant grösserer Anteil von Patienten, welche UST erhalten hatten, in klinischer Remission verglichen mit Placebo (PBO) (53,1 % und 48,8 % in den q8w- und q12w-Gruppen vs. 35,9 % für PBO; p=0,005 bzw. p=0,040). Zusätzlich konnten signifikant mehr Patienten ein klinisches Ansprechen in Woche 44 aufrechterhalten (q8w [59,4 % ] und q12w [58,1 % ] UST-Gruppen vs. PBO [44,3 % ]; p<0,05 für beide). Auch der Anteil von Patienten in klinischer Remission in Woche 44, die keine Steroidtherapie erhielten, war signifikant höher in der q8w-Gruppe (46,9 % ) und numerisch höher in der q12w-Gruppe (42,6 % ) vs. Placebo (29,8 % ; p=0,004 und nominal p=0,035). Zu schweren unerwünschten Ereignissen kam es bei 9,9 % (q8w), 12,2 % (q12w) und 15,0 % (PBO) der Patienten; schwere Infektionen traten bei 2,3 % , 5,3 % , und 2,3 % der Patienten (q8w, q12w, und PBO) auf. Die IM-UNITI-Erhaltungsstudie zeigte somit ein signifikant höheres Ansprechen auf UST für beide Therapieregime für die primären und sekundären Endpunkte verglichen mit PBO.
Es liessen sich keine nennenswerten neuen Sicherheitsrisiken – weder in der Induktions- noch in der Erhaltungstherapie – identifizieren.
Phase-III-Ergebnisse zu Tofacitinib
Tofacitinib ist ein oral zu verabreichender Januskinase(JAK)-Inhibitor, welcher für den Einsatz bei Colitis ulcerosa (CU) untersucht wird. Tofacitinib inhibiert die Phosphorylierung und Aktivierung der JAK. Durch die Inhibition des JAK-STAT-Signalwegs wird die daraus resultierende Zytokinproduktion verhindert.16, 17 Ziel der Studie von Sandborn et al war die Evaluation der Effektivität und Sicherheit von Tofacitinib als Induktionstherapie bei Patienten mit aktiver CU.
Es wurden Patienten (≥18 Jahre) mit moderater bis schwerer CU in zwei identisch aufgebaute Phase-III-Studien (OCTAVE Induction 1, NCT01465763; OCTAVE Induction 2, NCT01458951) randomisiert (4:1), mit einer Therapie von Tofacitinib 10mg 2x täglich (BID) oder Placebo (PBO) für 8 Wochen. Primärer Endpunkt war Remission in Woche 8, sekundäre Endpunkte umfassten «mucosal healing» in Woche 8 sowie klinisches Ansprechen. Bei Baseline waren 53–58 % der Patienten anti-TNF-vorbehandelt.
Bei Therapiewoche 8 befanden sich signifikant mehr Patienten, welche Tofacitinib erhalten hatten, in Remission im Vergleich zu PBO (18,5 % Tofacitinib 10mg BID vs. 8,2 % PBO, p=0,007 und 16,6 % Tofacitinib 10mg BID vs. 3,6 % PBO, p=0,0005). Zusätzlich zeigten signifikant mehr Patienten «mucosal healing» (15,6 % PBO vs. 31,3 % Tofacitinib 10mg BID, p=0,0005 und 11,6 % PBO vs. 28,4 % Tofacitinib 10mg BID, p=0,0002) und klinisches Ansprechen im Vergleich zu Placebo. Die Effektivität war bei Patienten, welche anti-TNF-vorbehandelt waren, und anti-TNF-naiven Patienten ähnlich. Zusätzlich war die Rate an unerwünschten Ereignissen in allen Gruppen vergleichbar, auch schwere unerwünschte Ereignisse waren in den Tofacitinib-Gruppen nicht häufiger als in der Placebogruppe.
1 Steenholdt C et al: Outcome after discontinuation of infliximab in patients with inflammatory bowel disease in clinical remission: an observational Danish single center study. Scand J Gastroenterol 2012; 47(5): 518-27
2 Le Roy F et al: Long-term infliximab therapy is needed for sustained steroid-free remission in patients with ulcerative colitis. Dig Liver Dis 2016; 48(2): 208-9
3 Caspersen S et al: Infliximab for inflammatory bowel disease in Denmark 1999-2005: clinical outcome and follow-up evaluation of malignancy and mortality. Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6(11): 1212-7; quiz 176
4 Generini S et al: Infliximab in spondyloarthropathy associated with Crohn’s disease: an open study on the efficacy of inducing and maintaining remission of musculoskeletal and gut manifestations. Ann Rheum Dis 2004; 63(12): 1664-9
5 Kaufman I et al: The effect of infliximab on extraintestinal manifestations of Crohn’s disease. Rheumatol Int 2005; 25(6): 406-10
6 Kugathasan S et al: Dermatologic manifestations of Crohn disease in children: response to infliximab. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2003; 37(2): 150-4
7 Rispo A et al: Infliximab in the treatment of extra-intestinal manifestations of Crohn’s disease. Scand J Rheumatol 2005; 34(5): 387-91
8 Herfarth H et al: Improvement of arthritis and arthralgia after treatment with infliximab (Remicade) in a German prospective, open-label, multicenter trial in refractory Crohn’s disease. Am J Gastroenterol 2002; 97(10): 2688-90
9 Barreiro-de-Acosta M et al: Efficacy of adalimumab for the treatment of extraintestinal manifestations of Crohn’s disease. Rev Esp Enferm Dig 2012; 104(9): 468-72
10 Lofberg R et al: Adalimumab produces clinical remission and reduces extraintestinal manifestations in Crohn’s disease: results from CARE. Inflamm Bowel Dis 2012; 18(1): 1-9
11 Vande Casteele N et al: Trough concentrations of infliximab guide dosing for patients with inflammatory bowel disease. Gastroenterology 2015; 148(7): 1320-9 e3
12 Sandborn WJ: Oral presentation. CCFA, 2015
13 Rutgeerts P: Oral presentation. ECCO, 2016
14 Feagan BG: Oral presentation. ACG, 2015
15 Feagan BG: Oral presentation. UEGW, 2015
16 Clark JD et al: Discovery and development of Janus kinase (JAK) inhibitors for inflammatory diseases. J Med Chem 2014; 57(12): 5023-38
17 Danese S et al: JAK inhibition using tofacitinib for inflammatory bowel disease treatment: a hub for multiple inflammatory cytokines. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol 2016; 310(3): G155-62
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