Wenn defekte Zellen zu Gewebe-Killern werden
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Seneszente Zellen sind dysfunktionale Zellen, die ihre Umgebung unter anderem durch die Freisetzung von Zytokinen, Chemokinen und Metalloproteasen schädigen. Physiologisch werden diese Zellen durch das Immunsystem entfernt. Funktioniert diese Reinigung des Gewebes aus Gründen von Alter oder Krankheit nicht mehr, kann es zu ausgedehnten Organschädigungen kommen.
Als Mikrobiom bezeichnet man die Summe aller Mikroben in einem bestimmten Umfeld, so Prof. Dr. Richard L. Gallo von der University of California. Das inkludiert neben Bakterien auch Pilze, Viren und Bakteriophagen. Gallo betont, dass es auch auf der Haut ein Mikrobiom gibt und dass im Idealfall ein gesunder Organismus in Harmonie mit einem gesunden und diversen Mikrobiom lebt. Doch das ist keineswegs garantiert. Denn das Mirobiom hat nicht ausschliesslich günstige Auswirkungen auf den Wirt. Vielmehr können sich fast alle Mikroben unter bestimmten Umständen auch pathogen verhalten. Dabei sind folgende Interaktionen relevant: Pathogen zu Pathogen, Pathogen zu Kommensale, Pathogen zu Wirt und Kommensale zu Wirt. Von besonderem Interesse für die Mikrobiomforschung sind die Interaktionen zwischen Kommensalen und Wirt, von denen auch der Wirt profitieren kann. Die Dinge werden, so Gallo, dadurch kompliziert, dass die Interaktion organübergreifend ist und beispielsweise das Mikrobiom der Haut auch den Darm beeinflussen kann. In der Dermatologie stelle sich nun die Frage, ob man das Hautmikrobiom so beeinflussen kann, dass es dem – unter Umständen dermatologisch erkrankten – Menschen Vorteile bringt.
Seneszente Zellen fallen durch verschiedene Marker auf. Insbesondere nimmt das Sekretom dieser Zellen einen charakteristischen Phänotyp an. Man spricht vom «senescence-associated phenotype» (SAS). Produziert werden unter anderem die Zytokine Interleukin(IL)-6 und IL-1β sowie TGF-β, und zwar in grossen Mengen, wie man sie sonst etwa bei aktivierten Makrophagen findet, so Serrano. Das bedeute konkret, dass sich beispielsweise seneszente Fibroblasten ebenso proinflammatorisch verhalten wie Zellen des Immunsystems. Ein typischer Seneszenz-Marker ist die aus den Lysosomen stammende Beta-Galaktosidase.
Permanent gehen Zellen in den Zustand der Seneszenz über. Die Gründe sind einerseits genetische Defekte, zum grössten Teil jedoch der Kontakt mit Noxen aus der Umwelt, wie z.B. Bakterien oder Viren. Beim gesunden Menschen funktioniert die Entsorgung seneszenter Zellen ab etwa dem 75. Lebensjahr zunehmend schlechter und ihr Anteil am Gewebe steigt von <1% auf >5%. Serrano: «Das klingt nicht nach viel, bedeutet aber, dass sich fünf Prozent des gesamten Gewebes in einem permanent proinflammatorischen Zustand befinden. Und diese ausgedehnte sterile Infektion kann einen massiven Effekt haben.»
Verschiedene Krankheitsbilder sind mit dem vermehrten Überleben seneszenter Zellen assoziiert. Serrano nennt Morbus Alzheimer und Parkinson, Lungenfibrose, Nierenerkrankungen sowie Lebersteatose und Atherosklerose. Diese degenerativen Erkrankungen aktivieren also ähnliche Mechanismen wie der physiologische Alterungsprozess. Die Zahl der mit zellulärer Seneszenz assoziierten Erkrankungen ist hoch, wobei auch iatrogene Schäden durch zytotoxische Chemotherapie oder Bestrahlung eingerechnet werden müssen.1
Zur primären gesellt sich noch die sekundäre oder parakrine Seneszenz als Schädigung des umliegenden Gewebes durch seneszente Zellen. Als typisches Beispiel nennt Serrano den pathophysiologischen Prozess der Lungenfibrose. Dabei gehen Alveolarzellen aufgrund von Schädigungen durch äussere Noxen in den Zustand der Seneszenz über und geben verschiedene Zytokine, Chemokine, Metalloproteasen etc. an die Umgebung ab. Damit werden auch Fibroblasten in die Seneszenz getrieben, was zu verstärkter Kollagenproduktion führt und den Prozess der Fibrosierung in Gang setzt. Serrano betont, dass eine einzige primäre Noxe ausreicht und sich diese Vorgänge in der Folge selbst perpetuieren. Es handelt sich also um einen chronischen, progredienten Prozess.
Um die fortlaufende Fibrosierung aufzuhalten, werden zwei Strategien der medikamentösen Therapie versucht. Senomorphische Substanzen sollen der Freisetzung von proinflammatorischen und profibrotischen Produkten durch das SAS entgegenwirken. Senolytische Substanzen sollen seneszente Zellen töten, wofür spezifische Angriffspunkte genützt werden, die bei gesunden Zellen nicht vorhanden sind. Mit den Antifibrotika Pirfenidon und Nintedanib sind in der Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose bereits zwei senomorphische Substanzen zugelassen. Beide zeigen in der Zellkultur Einfluss auf das SAS seneszenter Zellen, wobei ausschliesslich die profibrotischen, nicht jedoch die proinflammatorischen Komponenten reduziert werden. Ähnliche Effekte konnten beispielsweise mit dem Senolytikum Navitoclax erreicht werden, das im Tiermodell eine durch Implantation seneszenter Zellen induzierte Lungenfibrose ähnlich verlangsamte wie Pirfenidon oder Nintendanib. Im Tierversuch ist es sogar gelungen, den Teufelskreis der Fibrosierung zu durchbrechen und die Progredienz der Erkrankung aufzuhalten. Klinische Studien mit senomorphischen oder senolytischen Substanzen laufen aktuell unter anderem in den Indikationen Morbus Parkinson und Covid-induzierter Lungenfibrose.
Quelle:
„The role of senescence in health and disease“, Plenary Lecture A im Rahmen des virtuellen Kongresses der EADV am 30. September 2021
Literatur:
1) 1 Muñoz-Espín D, Serrano M: Nat Rev Mol Cell Biol 2014; 15(7): 482-96
Das könnte Sie auch interessieren:
Trifft der deutsche Ärztemangel die Schweiz?
Deutschland stehe vor einem gravierenden Ärztemangel, warnt der dortige Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Es fehlen 50 000 Ärzt:innen. Rund 8000 sind in der Schweiz.
Kostenbremse-Initiative: Gegner:innen machen mobil
Ein überparteiliches Nein-Komitee warnt seit Montag vor der Kostenbremse-Initiative und einer Zweiklassenmedizin in der Schweiz. Befürworter:innen wollen «Akteuren Grenzen setzen».
«Hoffnung auf bessere Patientencharakterisierung und gezielte Therapie»
Forscher aus Boston haben gezeigt, dass Mutationen im TET2-Gen (es hemmt die Aktivierung myeloider Zellen und fungiert deshalb als Tumorsuppressorgen für myeloide Neoplasien) das Risiko ...