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Gesundheit und Politik

Riesenwirbel um Wirkstoffverschreibung

Wien - Es war der sprichwörtliche Stich ins Wespennest: Vor wenigen Tagen legte der Rechnungshof (RH) in einem Bericht die Mängel bei der Arzneimittelversorgung in Österreich offen. Als Konsequenz sprachen sich RH und auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein für eine Wirkstoffverschreibung aus. Diese könnte helfen, Medikamentenengpässe „leichter und kostengünstiger zu überwinden“. Statt bestimmter Handelsmarken könnten die Wirkstoffe durch den Arzt verschrieben werden, die Austauschbarkeit von Arzneimitteln würde so erleichtert. „In zehn EU-Ländern ist das bereits verpflichtend“, in den meisten anderen bestehe zumindest diese Möglichkeit, so Mückstein. Seit dieser Ankündigung ist bei Ärztekammer und Pharmaindustrie Feuer am Dach.

Die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer hat als Reaktion eine Resolution beschlossen. Darin heißt es wörtlich: „Österreichs niedergelassene Ärzte lehnen die vom Rechnungshof und von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein überlegte Einführung der Wirkstoffverschreibung klar ab. Diese löst die Probleme der Medikamentenengpässe nicht, sondern verschärft die bestehenden Probleme sogar. Insbesondere gefährdet die Wirkstoffverschreibung die Patientensicherheit und dient ausschließlich der Gewinnmaximierung der Apothekerschaft.“

„Arzneimittel würden vom Markt verschwinden“

Nicht weniger deutlich fällt die Reaktion der Pharmig, der Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie, aus: „Sollte Ärzten durch eine sogenannte Wirkstoffverordnung zukünftig vorgeschrieben werden, nur noch Wirkstoffe und keine Medikamente mehr verordnen zu dürfen, würde sich das gleich zweifach negativ auswirken: Es verunsichert Patienten und gefährdet den Arzneimittelschatz, weil gewisse Produkte vom Markt verschwinden.“ Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig, weiter: „Wir sind ganz entschieden gegen eine Änderung der bisher gelebten Praxis. Müssen beispielsweise Patienten aufgrund einer Erkrankung langfristig Medikamente einnehmen, so wird ihnen bei dieser neuen Regelung in der Apotheke mitunter jedes Mal ein anderes Präparat ausgehändigt. Zwar mit gleichem Wirkstoff, aber von einem anderen Hersteller, mit anderem Namen und in einer anderen Packung. Das fördert keineswegs die sogenannte Adhärenz, sprich die Motivation seitens der Patienten, ihre Arzneimittel auch so einzunehmen, wie es vorgegeben wird.“ Zudem zähle Österreich im EU-Vergleich zu jenen Ländern, in denen die Arzneimittelpreise unter dem EU-Durchschnitt liegen und einige Produkte sogar billiger sind als in osteuropäischen Ländern. „Eine Wirkstoffverordnung übt weiter Druck auf die hiesigen Preise aus. Zahlreiche bewährte Arzneimittel würden vom Markt verschwinden“, befürchtet Herzog.

Patientenanwalt spricht von „Fake News“

Patientenanwalt Gerald Bachinger spricht angesichts solcher Aussagen von „Fake News.“ So gebe es „in Europa nur wenige Länder, in denen die Wirkstoffverschreibung nicht angewandt wird. Österreich ist hier außerhalb des Mainstreams.“ Dazu komme, dass die „Wirkstoffverschreibung die Patientensicherheit sogar erhöht, weil die Verwechslungsgefahr bei Produkten minimiert wird“, erläutert der Patientenanwalt im Gespräch mit universimed.com. Und Bachinger legt in der aktuellen Debatte nach: In einem aktuellen Schreiben an den Gesundheitsminister fordert er diesen auf, die Wirkstoffverschreibung, „die in Krankenhäusern ja Usus ist“, auch für den niedergelassenen Bereich umzusetzen. Bachinger: „Es gibt dazu bereits seit Jahren einen Beschluss des Beirates für Patientensicherheit, in dem auch die Ärztekammer vertreten ist.“


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

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