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Gesundheit und Politik

Ärztekammer mit Forderungen zu Long Covid

Wien - Zwischen 80.000 und 160.000 Patienten haben nach Einschätzung der Ärztekammer nach ihrer Infektion mit Long-Covid-Folgen zu kämpfen. Diese Langzeitfolgen „zu diagnostizieren und zu behandeln, ist sehr aufwendig, dabei kommt den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten eine zentrale Rolle zu“, schilderte Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, am Donnerstag die aktuelle Lage. Das Kassensystem sei darauf nicht vorbereitet und stoße bereits jetzt an seine Grenzen, so Steinhart, der – unterstützt von betroffenen Ärzten – einen Forderungskatalog präsentierte.

Die zentralen Punkte lauten dabei wie folgt: Long Covid müsse als Krankheitsbild akzeptiert werden. Aufgrund der erwartbaren hohen Patientenzahlen bedürfe es einer Flexibilisierung des Kassensystems. Wesentlich ist für die Ärztevertreter, dass die Leistungsposition Long Covid in den Leistungskatalog der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) aufgenommen wird. Im Honorarkatalog müssten der Krankheit angepasste Verrechnungspositionen geschaffen werden. Parallel dazu sollen Deckelungen und Degressionen bei kassenärztlichen Leistungen überall dort aufgehoben werden, wo die Betreuung von Long-Covid-Patienten behindert werde.

Alltagsprobleme in den Ordinationen

Die Kardiologin Bonni Syeda schilderte Probleme aus dem medizinischen Alltag. So sei etwa die Bestimmung eines Laborparameters, um festzustellen, ob ein Patient im Rahmen der Covid-Infektion eine Herzmuskelbeteiligung hatte und dadurch vielleicht sogar eine Herzschwäche entwickelt hat, keine Kassenleistung. Deckelungen bei Herzultraschall-Untersuchungen, Lungenfunktionsuntersuchungen oder Blutgasanalysen würden die Arbeit ebenso erschweren. Dazu kommt, dass in den Bundesländern im niedergelassenen Bereich nach wie vor unterschiedliche Kassenleistungen angeboten werden, kritisierte Syeda. Die Herz-CT-Untersuchung, mit der man feststellen könne, ob ein Patient herzinfarktgefährdet sei, werde etwa in Niederösterreich von allen Krankenkassen bezahlt, in Wien jedoch nur von den sogenannten kleinen Kassen.

Dietmar Bayer, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, geht wiederum davon aus, „dass in Österreich derzeit 100.000 bis 150.000 Menschen aufgrund der Pandemie zusätzlich therapiebedürftige psychiatrische Komorbiditäten aufweisen“. Das bedeute bereits in der Primärdiagnostik einen beträchtlichen und zeitintensiven Mehraufwand. Die Konsequenzen, die Bayer ableitet: Die Ressourcen müssen aufgestockt werden – konkret brauche es in den Akutpsychiatrien der Krankenhäuser mehr Betten und Dienststellen sowie generell eine höhere Anzahl von Fachärzten für Psychiatrie. „Derzeit gibt es in Österreich einen Kassenpsychiater pro 58.500 Bewohner, anzustreben ist gemäß Österreichischem Strukturplan Gesundheit ein Verhältnis von 1:35.000.“

Für Steinhart ist klar, dass eine adäquate Versorgung „dieser komplexen und langwierigen Krankheit selbstverständlich nicht zum Nulltarif zu haben ist“. Und weiter: „Da kommen enorme zusätzliche Herausforderungen auf das Gesundheitssystem zu, dafür muss die öffentliche Hand im Interesse Betroffener die erforderlichen Ressourcen bereitstellen.“ (red)

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