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Gesundheit und Politik

Krankenkassen-Fusion: Schlagabtausch nach vernichtender Rechnungshof-Kritik

Wien - Der am Wochenende bekannt gewordene Rechnungshof (RH)-Rohbericht zur Reform der Krankenkassen sorgt für anhaltenden Wirbel. Anstelle der von ÖVP und FPÖ damals versprochenen Einsparungen von einer Milliarde – der viel zitierten „Patientenmilliarde“ – stellten die Prüfer nun einen Mehraufwand von knapp 215 Millionen Euro fest. Das einstige politische Prestigeprojekt wankt.

Hintergrund: Mit 1. Jänner 2020 wurden die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert. Die neun Gebietskrankenkassen wurden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengelegt. Bauern und Unternehmer sind seither in der neuen Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) vereint, die Beamten haben die Eisenbahner und den Bergbau zur jetzigen Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB) dazu bekommen. Die Pensionsversicherungsanstalt (PV) blieb ebenso bestehen wie die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA).

Für besondere Kritik sorgte schon damals, dass vor allem in den Gremien der ÖGK die Arbeitnehmer im Zuge der Fusion ihre Mehrheit verloren und stattdessen eine Parität mit den Dienstgebervertretern hergestellt wurde. Der Vorsitz in der ÖGK, der PV und im neu geschaffenen Dachverband wechselt halbjährlich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Die damalige türkis-blaue Regierung versprach für die Reform nicht nur eine massive Reduktion der Kassenfunktionäre, sondern eben auch eine „Patientenmilliarde".

RH-Prüfer sorgen für Erdbeben

Davon kann laut RH-Rohbericht aber keine Rede sein – im Gegenteil. Die Prüfer stellten stattdessen einen Mehraufwand von 214,95 Mio. Euro fest. Und auch die geplante Personalreduktion fand demnach bisher nicht statt: Bei den Krankenkassen erhöhte sich der Personalstand von 16.087 Vollzeitstellen im Jahr 2018 auf 16.189 im Jahr 2020. Bei den Führungskräften kam es immerhin zu einer geringfügigen Verschlankung.

Die Reaktionen folgten am Wochenende auf dem Fuß und ließen auch am Montag nicht nach: ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bekräftigte umgehend seine Kritik an der Reform und sieht nun Gesundheitsminister Johannes Rauch gefordert. Am Montag legte der Vorsitzende der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), Rainer Wimmer, nach. In einer Aussendung sprach er vom „teuersten politischen Raubzug der Zweiten Republik“. Verlierer der Reform sind seiner Ansicht nach die Versicherten. Und derer hat die ÖGK rund 7,4 Millionen.

„Scherbenhaufen aufräumen“

Aber auch die Vertragspartner des größten Krankenversicherungsträgers in Österreich schäumen: „Es war uns längst klar, dass es sich bei diesen Versprechungen maximal um Wunschdenken gehandelt haben kann“, so Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Seiner Ansicht nach gibt es nun zwei Möglichkeiten: „Entweder hat die Regierung uns angelogen oder das Management hat versagt.“ Jedenfalls müsse „der Scherbenhaufen, der da verursacht wurde, so schnell wie möglich aufgeräumt werden“. Den Landesstellen sollten ihre Kompetenzen zurückgegeben werden, schlägt Steinhart vor und die aktuelle Regierung sei aufgefordert, „massiv Geld in die Österreichische Gesundheitskasse zu pumpen“.

Kritik kam am Montag aber auch direkt aus der ÖGK: Der Vorarlberger ÖGK-Landesstellenvorsitzende Manfred Brunner meinte in den „Vorarlberger Nachrichten“, es sei allen klar gewesen, auch jenen, die die Reform unterstützten, dass die Patientenmilliarde „eine Illusion“ sei.

ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer verteidigte hingegen in einem TV-Interview in der „ZiB2“ am Sonntagabend die Reform. Die Fusion werde am Ende des Tages ein Erfolg sein, meinte Wurzer. Das Einzige, was man den damaligen politischen Vertretern möglicherweise vorwerfen könne, sei, dass die „Patientenmilliarde" zu schnell versprochen wurde. Zudem habe auch die Pandemie dazu beigetragen, dass sich die Erfolge nicht so schnell eingestellt hätten wie versprochen. (ehs/APA)

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