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TUXEDO-1-Studie

T-DXd bei Hirnmetastasen:

Eine deutliche Verschlechterung der Prognose, beängstigende Symptome und bisher wenig effiziente Therapiemöglichkeiten mit oft starken Nebenwirkungen: Werden Hirnmetastasen bei einer Krebserkrankung festgestellt, reduziert sich das Behandlungsschema oft auf lokale Eingriffe und einen Fokus auf Lebensqualität und Palliativmedizin. Die österreichische TUXEDO-1-Studie hat den Machbarkeitsnachweis erbracht, dass das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab Deruxtecan bei aktiven Hirnmetastasen beim HER2-positiven Mammakarzinom wirksam ist. Doch die dringend nötigen großen Nachfolgestudien lassen wegen mangelnder Finanzierung auf sich warten.

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) zeigte sich in den Zulassungsstudien der DESTINY-Serie beim HER2-positiven Mammakarzinom hochaktiv. T-DXd erlangte daraufhin die Zulassung durch FDA und EMA. Patient*innen mit Hirnmetastasen wurden jedoch nicht in die Studien inkludiert.

In der prospektiven, einarmigen, nicht randomisierten Phase-II-Studie TUXEDO-1 wurde das ADC nun bei aktiven Hirnmetastasen getestet.1 Es nahmen 15 Patient*innen mit HER2-positivem Brustkrebs und neu diagnostizierten oder nach Vortherapie progredienten Hirnmetastasen teil. Sie erhielten Trastuzumab Deruxtecan alle drei Wochen i.v. in der Standarddosis von 5,4mg/kg. Das mediane Alter lag bei 69 Jahren.

Bei ADC handelt es sich um sehr große Moleküle, sodass im Vorfeld der Studie die Sorge bestand, dass sie die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren würden. Zuversichtlich stimmte jedoch, dass in Fallserien mit Trastuzumab Emtansin (T-DM1), einem weiteren ADC, bereits intrakranielle Aktivität nachgewiesen wurde – und diese Zuversicht bestätigte sich.

In der TUXEDO-1-Studie zeigten 73,3% der Teilnehmenden ein objektives intrakranielles Ansprechen (95% CI: 48,1–89,1%). Dieser Wert lag deutlich über der festgelegten Schwelle von 61% als primärem Endpunkt. In zwei Fällen (13,3%) wurde intrakraniell sogar ein komplettes Ansprechen beobachtet.

Trotz der geringen Anzahl an Studienteilnehmenden sind diese Ergebnisse ein starker Hinweis darauf, dass ADC ZNS-wirksam sind. Da T-DXd in der EU und den USA bereits zugelassen ist, können die Daten bei Patient*innen mit HER2-positivem Brustkrebs und Hirnmetastasen umgehend zur Anwendung des ADC in der klinischen Routine führen.

Ein translationales Begleitprogramm zur TUXEDO-1-Studie führt vor Augen, dass die Kontrolle des Ansprechens möglicherweise minimal invasiv über einen Biomarker erfolgen kann. Der Gehalt des Proteins NSE (neuronenspezifische Enolase) im Blut hatte bei Patient*innen, die auf die Therapie angesprochen hatten, stärker abgenommen als bei jenen, die ein geringeres Ansprechen zeigten. NSE wird auch im gesunden Gehirn exprimiert. Es wird vermutet, dass durch das Schrumpfen der Metastasen das Gehirn entlastet und infolge dessen weniger NSE freigesetzt wird.

Neben der guten Ansprechrate stimmen auch die sekundären Endpunkte optimistisch. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 14 Monaten (Abb. 1; 95% CI: 11,0 bis nicht erreicht).

Abb. 1: Kaplan-Meier-Plot des progressionsfreien Überlebens in Monaten in der TUXEDO-1-Studie

Die Lebensqualität der Patient*innen in der TUXEDO-1-Studie war nicht wesentlich beeinflusst. Auch die neurokognitive Funktion, die zum Beispiel unter Strahlentherapie oftmals sehr leidet, blieb über den Verlauf der Studie hinweg stabil. Die systemische Therapie mit T-DXd zeigt in diesen Aspekten also einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber anderen, insbesondere lokalen Therapien.

„Wir hoffen, glauben und sehen schon, dass unsere Studie sehr viel Anklang findet und auch schon zu Folgestudien führt“, resümiert Studienleiter Prof. Dr. Matthias Preusser. Seit Veröffentlichung der Studienergebnisse erreichen ihn und seine Kolleg*innen internationale Fallberichte, die das intrakranielle Ansprechen von T-DXd bestätigen.

Außerdem wurde die intrakranielle Aktivität von T-DXd inzwischen zusätzlich in einer Zwischenauswertung der Phase-II-Studie DEBBRAH mit 41 Brustkrebspatient*innen in mehreren Kohorten beschrieben.2 Das Gleiche gilt für eine retrospektive Studienserie aus Boston mit 17 Patient*innen.3 In beide Studien wurden auch Patient*innen mit Brustkrebs vom HER2-low-Subtyp inkludiert.

Dass die Erkenntnisse aus der TUXEDO-1-Studie direkt im klinischen Alltag Einsatz finden können, hat positive und negative Aspekte. Angesichts des klinisch relevanten Potenzials, das in den Ergebnissen steckt, gibt es Prof. Dr. Preusser zufolge viele offene Fragen, die eigentlich auch in größeren, randomisierten Studien untersucht werden sollten.

Vergleichende Studien mit anderen Therapieformen wie Strahlentherapie oder Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren müssten in einem prospektiven Setting erfolgen – sie sind aber weder existent noch geplant. „Solche Studien wären wichtig, aber dafür braucht es auch monetären Support, und den gibt es bisher nicht“, erklärt Prof. Dr. Preusser. „Bei bereits zugelassenen Medikamenten sind neue Studien oftmals schwer umzusetzen.“

Auf der Hand liege außerdem die Frage, ob andere ADC ebenfalls intrakranielle Aktivität zeigen, und das möglicherweise auch bei anderen Tumorarten. Von Interesse sind hier einerseits verschiedene Subtypen des Mammakarzinoms, wie zum Beispiel das tripelnegative Mammakarzinom, bei dem ADC auch bereits in Entwicklung sind, andererseits aber auch weitere Tumorarten, die Hirnmetastasen ausbilden, wie das Lungenkarzinom.

Und am Horizont zeigen sich auch Möglichkeiten, die das Krankheitsgeschehen für Patient*innen mit primären Hirntumoren durchschlagend verändern könnten. So hält Prof. Dr. Preusser es für lohnenswert, die intrakranielle Wirksamkeit von T-DXd und anderen ADC beim Glioblastom, dem häufigsten aggressiven Hirntumor, zu testen. Bisher liegt die mittlere Überlebenszeit nach Diagnose des Glioblastoms bei wenigen Monaten bis zu etwas mehr als einem Jahr. Doch entsprechende Studien gibt es noch nicht.

Die positive Nachricht ist und bleibt, dass T-DXd unmittelbar nach Ende der TUXEDO-1-Studie zielgerichtet bei Hirnmetastasen eingesetzt werden konnte. „Es handelt sich dann um eine Einzelfallentscheidung, optimalerweise eines Tumorboards, welche Therapieform für welche Patient*innen am besten geeignet ist“, fasst Prof. Dr. Preusser zusammen.

1 Bartsch R et al.: Trastuzumab deruxtecan in HER2-positive breast cancer with brain metastases: a single-arm, phase 2 trial. Nature Medicine 2022; Online unter https://doi.org/10.1038/s41591-022-01935-8 . Abgerufen am 16.09.2022 2 Pérez-García JM et al.: Trastuzumab deruxtecan in patients with central nervous system involvement from HER2-positive breast cancer: the DEBBRAH trial. Neuro Oncol 2022; Online unter 10.1093/neuonc/noac144. Abgerufen am 16.09.2022 3 Kabraji S et al.: Preclinical and clinical efficacy of trastuzumab deruxtecan in breast cancer brain metastases. Clin Cancer Res 2022; Online unter 10.1158/1078-0432.CCR-22-1138. Abgerufen am 16.09.2022

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