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Lungenkarzinom

Therapieoptionen im Wandel der Zeit

Fachärztinnen und Fachärzte der Onkologie, die sich auf das Lungenkarzinom spezialisiert haben, blicken ebenso auf zwei aufregende Dekaden zurück wie die Redakteurinnen der JATROS Hämatologie & Onkologie. Univ.-Prof. Dr. Robert Pirker von der Medizinischen Universität Wien gibt im nachfolgenden Artikel einen ganz persönlichen Überblick über die relevantesten Veränderungen inder Therapie des Lungenkarzinoms.

Keypoints
  • Die adjuvante Chemotherapie nach kompletter Resektion eines nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms ist seit mehr als 15 Jahren Standard.

  • Tyrosinkinase-Inhibitoren kommen seit Jahren zum Einsatz bei Patienten mit im Tumor nachgewiesenen Treibermutationen.

  • Immuncheckpoint-Inhibitoren haben sich zuletzt als Standardtherapie bei fortgeschrittenen Karzinomen etabliert, bevorzugt in Kombination mit Platin-hältigen Doublets.

  • Die Durvalumab-Konsolidierungstherapie ist seit Kurzem ein neuer Standard bei lokal fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen.

Vor mehr als 30 Jahren war die palliative Chemotherapie des nichtkleinzelligenLungenkarzinoms weitgehend als Standard anerkannt. In der Folge etablierten sich mehrere Zytostatika der dritten Generation aufgrund gesteigerter Wirkung und/oder besserer Verträglichkeit: Vinorelbin, Gemcitabin, Paclitaxel, Docetaxel, Pemetrexed und nab-Paclitaxel. Eine Zweierkombination aus einem Platin (Cisplatin, Carboplatin) und einem Zytostatikum der dritten Generation wurde zur Standarderstlinientherapie für Patienten mit gutem Allgemeinzustand. Die palliative Chemotherapie lindert die tumorbedingten Symptome und steigert die 1-Jahres-Überlebensrate um 10%.

Durch die Kombination der Chemotherapie mit Bevacizumab bei nichtsquamösen Karzinomen bzw. mit Necitumumab bei squamösen Karzinomen können die Überlebenszeiten der Patienten weiter verlängert werden. Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand und ältere Patienten erhalten eine Monotherapie oder eine gut verträgliche Zweierkombination.

Die Fortschritte innerhalb der letzten 20 Jahre betrafen die Etablierung der adjuvanten Chemotherapie beim resezierten nichtkleinzelligen Karzinom, die individualisierte Therapie mittels Tyrosinkinase-Inhibitoren bei Karzinomen mit Treibermutationen, die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren bei metastasierten Karzinomen und die Durvalumab-Konsolidierungstherapie beim lokal fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom.

Adjuvante Chemotherapie nach Resektion eines nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms

Eine 1995 publizierte Metaanalyse randomisierter Studien ergab einen Trend zur Überlebenszeitverlängerung durch die adjuvante Chemotherapie mit Cisplatin-hältigen Protokollen bei Patienten mit komplett resezierten nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen. Dies führte zu einer neuerlichen Evaluierung der adjuvanten Chemotherapie innerhalb von randomisierten Studien. IALT als die größte Studie konnte dann erstmals einen signifikanten Überlebensvorteil für die adjuvante Chemotherapie (Cisplatin plus Etoposid, Cisplatin plus Vinorelbin) zeigen, wobei die Steigerung der 5-Jahres-Überlebensrate 4,1% betrug.

Zwei weitere Studien (JBR.10, ANITA) mit Cisplatin plus Vinorelbin als Chemotherapie zeigten eine Steigerung der 5-Jahres-Überlebensrate um 8,6% bzw. 15%. Eine Metaanalyse, die neben den drei positiven auch zwei negative Studien inkludierte, ergab eine Steigerung der 5-Jahres-Überlebensrate um 5,4%. Für Cisplatin plus Vinorelbin betrug die Steigerung allerdings 8,9%. Diese Ergebnisse etablierten die adjuvante Cisplatin-hältige Chemotherapie als Standard für Patienten mit komplett resezierten nichtkleinzelligen Karzinomen in den Tumorstadien II–III. Als Chemotherapie wird bevorzugt Cisplatin plus Vinorelbin eingesetzt, zumal in einer rezenten japanischen Studie eine Überlegenheit von Cisplatin plus Pemetrexed gegenüber Cisplatin plus Vinorelbin nicht nachgewiesen werden konnte. Derzeit laufende Phase-III-Studien evaluieren Immuncheckpoint-Inhibitoren als adjuvante Therapie im Anschluss an die adjuvante Chemotherapie.

Tyrosinkinase-Inhibitoren bei Karzinomen mit Treibermutationen

Die Charakterisierung von Tumoren mit Treibermutationen erlaubte eine weitere Individualisierung der Therapie. Im Jahre 2004 wurden nämlich Mutationen im „Epidermal growth factor receptor“(EGFR)-Gen bei jenen Patienten im Tumor nachgewiesen, die sehr gut auf EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren angesprochen haben. Dazu zählen Deletionen im Exon 19 und Punktmutationen im Exon 21. EGFR-gerichtete Tyrosinkinase-Inhibitoren haben sich in der Folge als Standarderstlinientherapie bei Patienten mit diesen im Tumor nachgewiesenen Mutationen durchgesetzt.

Die Tyrosinkinase-Inhibitoren der zweiten und dritten Generation erbrachten weitere Verbesserungen. Osimertinib als Inhibitor der dritten Generation führte dann aber zu einem entscheidenden Fortschritt. Osimertinib ist wirksam gegen sowohl die aktivierenden EGFR-Mutationen als auch die T790M-Resistenzmutation und zeigt überdies eine bessere Verträglichkeit aufgrund deutlich geringerer Aktivität gegen den EGFR-Wildtyp. Osimertinib führte in einer Phase-III-Studie (FLAURA) zu längeren Überlebenszeiten im Vergleich zu Inhibitoren der ersten Generation und hat sich deshalb als neuer Standard in der Erstlinientherapie etabliert.

„Anaplastic lymphoma kinase“(ALK)-Translokationen, ROS1-Fusionen und BRAF-Mutationen wurden anschließend ebenfalls als klinisch relevante Treibermutationen charakterisiert. Patienten mit diesen Mutationen erhalten eine Therapie mit entsprechenden Tyrosinkinase-Inhibitoren.

Immuncheckpoint-Inhibitoren bei metastasierten Lungenkarzinomen und als Konsolidierungstherapie

In den letzten Jahren führten Immuncheckpoint-Inhibitoren zu einem entscheidenden Fortschritt in der Therapie des Lungenkarzinoms. Eine Monotherapie mit Nivolumab, Pembrolizumab oder Atezolizumab führte in Phase-III-Studien zu einer Verlängerung des Überlebens im Vergleich zu Docetaxel bei Patienten mit Tumorprogression nach Platin-hältiger Erstlinienchemotherapie, weshalb diese Inhibitoren als Zweitlinientherapie zugelassen wurden. In der Folge wurden die Immuncheckpoint-Inhibitoren als Monotherapie oder in Kombination mit Platin-hältiger Chemotherapie bei unbehandelten Patienten mit fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen untersucht. Pembrolizumab führte im Vergleich zu Platin-hältiger Chemotherapie zu einer Verlängerung des Überlebens von Patienten mit hoher „Programmed cell death 1 ligand 1“(PD-L1)-Expression der Tumorzellen. Inzwischen konnte dies auch für Atezolizumab und Cemiplimab gezeigt werden.

Der Schwerpunkt der klinischen Entwicklung von Immuncheckpoint-Inhibitoren fokussierte aber auf deren Kombination mit Platin-hältiger Erstlinienchemotherapie. Die Kombination der Chemotherapie mit Pembrolizumab oder Atezolizumab führte im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie zu einem Überlebensvorteil der Patienten mit nichtsquamösen Karzinomen und gutem Allgemeinzustand. Dabei zeigte sich ein zunehmender Benefit mit steigender PD-L1-Expression, doch auch Patienten mit einer PD-L1-Expression in weniger als 1% der Tumorzellen profitierten von der Chemoimmuntherapie. Die Chemotherapie in Kombination mit Pembrolizumab oder Atezolizumab führte auch bei Patienten mit squamösen Karzinomen zu einer Verlängerung der Überlebenszeiten.Diese Studienergebnisse etablierten Platin-hältige Doublets in Kombination mit Pembrolizumab oder Atezolizumab als neuen Standard in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen und gutem Allgemeinzustand.

Kürzlich konnte auch Nivolumab plus Ipilimumab als eine weitere Therapieoption bei diesen Patienten etabliert werden.

Die Chemoimmuntherapie etablierte sich auch als neuer Standard bei Patienten mit extensiver Erkrankung eines kleinzelligen Lungenkarzinoms. Die Zugabe eines Immuncheckpoint-Inhibitors (Atezolizumab, Durvalumab oder Pembrolizumab) zu einer Chemotherapie mit einem Platin plus Etoposid verlängerte das progressionsfreie Überleben und teilweise auch das Gesamtüberleben dieser Patienten im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie.

Schließlich ergab sich ein relevanter Fortschritt durch die Etablierung der Konsolidierungstherapie mit Durvalumab im Anschluss an die Chemoradiotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Karzinomen. In der PACIFIC-Studie konnte nämlich für die Durvalumab-Konsolidierungstherapie ein verlängertes Überleben der Patienten nachgewiesen werden.

Zukünftige Entwicklungen

Derzeit werden Tyrosinkinase-Inhibitoren und Immuncheckpoint-Inhibitoren in der adjuvanten Therapie oder im Rahmen von Induktionstherapien in den Tumorstadien I–III untersucht. Neue Kombinationstherapien werden im Stadium IV evaluiert.

beim Verfasser

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