
Zunehmende Komplexität beeinflusst Kommunikation mit Betroffenen
Bericht: Dr. Therese Schwender
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Nachdem die letztjährige European Lung Cancer Conference (ELCC) aufgrund des Lockdowns kurzfristig abgesagt werden hatte müssen, konnte das bekannte Meeting in diesem Jahr in virtueller Form durchgeführt werden. Auf der Kongressplattform finden sich nicht nur Informationen zu aktuellen und zukünftigen Therapieoptionen, sondern auch Resultate von Arbeiten, die sich mit der Perspektive der Betroffenen befassten.
Vorträge aus dem thematischen Umfeld der immuntherapeutischen Behandlungsoptionen nahmen auch in diesem Jahr einen prominenten Platz ein. So konzentrierte sich eine der Sessions auf das optimale Management von Patienten mit einem fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) mit hoher PD-L1-Expression. Prof. Dr. Suresh Ramalingam (Atlanta/USA) ging in diesem Zusammenhang auf die verschiedenen Möglichkeiten einer Chemotherapie-freien Erstlinientherapie ein.
Immuntherapie mit Einzelsubstanz oder Kombination
„Aus der KEYNOTE-024-Studie wissen wir, dass die Monotherapie mit Pembrolizumab im Vergleich zu einer Chemotherapie bei einer PD-L1-Expression von mindestens 50% zu einem längeren Gesamtüberleben führte“, erklärte Prof. Ramalingam zu Beginn seines Referats. So lag in der Studie die Rate des 5-Jahres-Gesamtüberlebens unter Pembrolizumab bei 31,9% im Vergleich zu 16,3% unter Chemotherapie.1
In der CheckMate-227-Studie wurde die Kombination Nivolumab-Ipilimumab im Vergleich zur Chemotherapie sowohl in Fällen mit einer PD-L1-Expression >1% als auch in solchen mit <1% untersucht.2 Das 3-Jahres-Update der Studie (medianes Follow-up: 43,1 Monate) ergab für Nivolumab-Ipilimumab bei einer PD-L1-Expression >1% ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 17,1 Monaten im Vergleich zu 14,9 Monaten unter Chemotherapie (HR: 0,79). „Interessant ist die Gesamtüberlebensrate von 33% nach 36 Monaten, d.h., einer von drei Patienten ist noch am Leben“, kommentierte Prof. Ramalingam dieses Resultat. In der Gruppe mit PD-L1-Expression <1% lag die 3-Jahres-OS-Rate für Nivolumab-Ipilimumab bei 34%. „Dies macht die Kombination auch bei PD-L1-negativen Patienten zu einer attraktiven Option“, so der Redner. Weitere Analysen ergaben, dass Patienten mit einem kompletten oder partiellen Ansprechen nach 6 Monaten eine hohe Chance auf einen günstigen Verlauf aufwiesen, mit einer 3-Jahres-OS-Rate von 70% (PD-L1 >1%) bzw. 82% (PD-L1 <1%). Nicht zuletzt führte die Kombination im Vergleich zur Chemotherapie auch zu einem sehr langen Ansprechen. Die Ansprechdauer bei einer PD-L1-Expression >1% betrug unter Nivolumab-Ipilimumab 23,3 Monate (vs. 6,7 Monate unter Chemotherapie) und bei PD-L1-negativen Tumoren 18 Monate (vs. 4,8 unter Chemotherapie). „Das Toxizitätsprofil der Kombination erwies sich in dieser Studie als günstig. Immunassoziierte Ereignisse traten vor allem in den ersten 6 Monaten auf und ließen sich mit den entsprechenden Maßnahmen gut beherrschen. Etwa 12% der Patienten unter der Kombination brachen die Studie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Nivolumab plus Ipilimumab könnte damit ein optimales Regime für NSCLC-Patienten darstellen“, meinte Prof. Ramalingam. In den USA sei diese Kombination mittlerweile auch zur Behandlung der PD-L1-positiven Tumoren zugelassen. „Die NCCN empfiehlt die Kombination in ihren aktuellen Guidelines sowohl für PD-L1-positive als auch negative Tumoren“, ergänzte er.
Weitere neue Kombinationen inklinischer Prüfung
Ein weiterer möglicher Ansatz zur chemotherapiefreien Behandlung eines fortgeschrittenen NSCLC stellt die Kombination eines Anti-PD-1/PD-L1-Antikörpers mit einem Anti-TIGIT-Antikörper dar. Bei dem immunmodulatorischen Rezeptor TIGIT handelt es sich um einen neuartigen inhibitorischen Immun-Checkpoint, der bei verschiedenen Tumorentitäten auf aktivierten T- und NK-Zellen zu finden ist.3 Durch die Kombination eines Anti-TIGIT-Antikörpers mit einem Anti-PD-1/PD-L1-Antikörper soll die Bindung von TIGIT an seinen Liganden (auf Tumorzellen und Antigen-präsentierenden Zellen) blockiert, die Anti-Tumor-Response wiederhergestellt und die Wirkung des Anti-PD-1/PD-L1-Antikörpers komplementiert werden. In der Phase-II-Studie CITYSCAPE wurde die Kombination aus dem Anti-TIGIT-Antikörper Tiragolumab und Atezolizumab als Erstlinientherapie bei Patienten mit einem PD-L1-positiven lokal fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC im Vergleich zu einer Atezolizumab-Monotherapie untersucht.4 „Das beste Signal in Bezug auf das PFS wurde hier in der Gruppe der Patienten mit einem PD-L1-TPS von 50% oder mehr registriert. Dies mit einer Hazard-Ratio von 0,30“, so Prof. Ramalingam. Dieser Ansatz werde nun im Rahmen einer laufenden Phase-III-Studie weiter untersucht. „Sollten sich die bisherigen Resultate dabei bestätigen, könnte dies tatsächlich ein neuer chemotherapiefreier Ansatz für die Erstlinientherapie von NSCLC-Patienten mit einer hohen PD-L1-Expression darstellen“, so der Redner.
Ebenfalls zu den möglichen neuen Ansätzen gehört die Kombination aus einem Multikinasehemmer und einem Checkpoint-Inhibitor. In einer Phase-I/II-Studie, in welche Patienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten eingeschlossen waren, führte die Kombination aus Lenvatinib und Pembrolizumab bei den NSCLC-Patienten (n=21, Immun-Vortherapie erlaubt) zu einer Gesamtansprechrate von 33%.5 Auch diese Kombination wird nun in einer Phase-III-Studie weiter untersucht. Zusammenfassend meinte Prof. Ramalingam: „Aktuell werden sehr viele spannende Kombinationstherapien bei Patienten mit einem NSCLC in klinischen Studien untersucht. Wir werden in Zukunft also sicher noch einiges zu diesem Thema hören.“
Abb. 1: 3-Jahres-Update der CheckMate-227-Studie: Gesamtüberleben bei NSCLC-Patienten mit PD-L1 ≥ 1%) unter Nivolumab-Ipilimumab versus Chemotherapie (nach Ramalingam SS et al.)3
Paradigmenwechsel in der Mesotheliomtherapie
Auf dem Gebiet der Therapie des malignen Pleuramesothelioms hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Ihren Vortrag zur Erstlinienimmuntherapie des nicht resezierbaren malignen Pleuramesothelioms (MPM) begann Prof. Dr. Anne Tsao (Huston/USA) jedoch mit einem Blick zurück: „Beim Mesotheliom sind in der Vergangenheit fast alle uns bekannten Chemotherapie-Optionen ausprobiert worden. Allerdings erwies sich diese Tumorentität als weitestgehend chemoresistent, mit Ansprechraten von meist weniger als 15%“, erklärte sie. Mit der Kombination aus Cisplatin (75mg/m2) und Pemetrexed (500mg/m2) alle 3 Wochen für 6 Zyklen wurde schließlich vor einigen Jahren eine wirksame Therapieoption gefunden. Seither stellt diese Kombination die Standard-Erstlinientherapie des nicht resezierbaren MPM dar.6 Die 2016 publizierte MAPS-Studie zeigte zudem, dass es möglich ist, das progressionsfreie Überleben und Gesamtüberleben weiter zu verlängern, indem zusätzlich zu Cisplatin-Pemetrexed noch Bevacizumab gegeben und anschließend eine Bevacizumab-Erhaltungstherapie durchgeführt wird (medianes PFS: 9,6 Monate vs. 7,5 Monate; HR: 0,61; p<0,0001 und medianes OS: 18,8 Monate vs. 16,2 Monate; HR: 0,77; p=0,0167).7 „Die aktuellen NCCN-Guidelines tragen diesen Resultaten Rechnung und sehen die Kombination Cisplatin plus Pemetrexed mit oder ohne Bevacizumab als adäquate Therapieoptionen an“, so Prof. Tsao.
Nivolumab plus Ipilimumab alsneuer Therapiestandard
In der Studie CheckMate-743 wurde die Kombination aus Cis- bzw. Carboplatin und Pemetrexed mit einer bis zu 2-jährigen Behandlung mit Nivolumab (3mg/kg Q2W) plus Ipilimumab (1mg/kg Q6W) verglichen.8 Der primäre Endpunkt war dabei das OS. Bei einem medianen Follow-up von 29,7 Monaten lag das mediane OS in der Gesamtpopulation unter der Immuntherapie-Kombination bei 18,1 Monaten und unter der Chemotherapie-Kombination bei 14,1 Monaten (HR 0,74; p=0,0020). Die 2-Jahres-OS-Rate betrug 41% für die Immuntherapie (vs. 27% unter der Chemotherapie). Eine Analyse der Resultate in Bezug auf die Tumorhistologie zeigte, dass vor allem Patienten mit nicht epitheloiden Tumoren von der Immuntherapie profitierten (HR: 0,47; 2-Jahres-OS-Rate: 38% vs. 8% unter Chemotherapie). „Basierend auf diesen Resultaten hat die FDA im Oktober 2020 diese Kombination zur Behandlung des nicht resezierbaren MPM zugelassen“, berichtete Prof. Tsao und meinte zudem: „Nivolumab und Ipilimumab haben unserer Mesotheliom-Therapielandschaft ein neues Gesicht verliehen. So haben wir nun die Möglichkeit, bei einigen unserer Patienten auf den Einsatz einer Chemotherapie zu verzichten.“
Weitere wegweisende Resultate erwartet
Prof. Tsao wies zudem auf verschiedeneaktuell laufende Studien hin, deren Resultate den zukünftigen therapeutischen Standard des MPM weiter verändern könnten. Dazu gehört die Phase-III-Studie DREAMR3 (Cisplatin-Pemetrexed plus Durvalumab gefolgt von Durvalumab-Erhaltungstherapie vs. Cisplatin-Pemetrexed). „Die Resultate dieser Studie werden mit Spannung erwartet, könnte es sich hierbei doch um eine neue Kombination handeln, die unser Armamentarium beim Mesotheliom noch erweitert“, erläuterte sie. Ebenfalls zu den aktuell laufenden Studien gehört ETOP BEAT-Meso, an der auch die Schweiz beteiligt ist. Sie vergleicht Carboplatin-Pemetrexed-Bevacizumab mit Carboplatin/Pemetrexed/Bevacizumab plus Atezolizumab. Die CCTG-IFCT-Studie schließlich untersucht Carbo-/Cisplatin-Pemetrexed mit bzw. ohne Pembrolizumab.
Immer komplexere Kommunikation
Die vielen Fortschritte, die in den letzten Jahren nicht nur im Bereich der therapeutischen Optionen, sondern auch bei der genetischen Charakterisierung onkologischer Erkrankungen erzielt wurden, geben Anlass zur Hoffnung. Dadurch wird das gesamte Gebiet der Onkologie aber immer komplexer, was sich auch auf die Kommunikation zwischen den betroffenen Patienten und dem Betreuungsteam auswirken kann. Die Global Lung Cancer Coalition (GLCC) hat mithilfe einer multinationalen Online-Umfrage die Erfahrungen von Lungentumorpatienten gesammelt und ausgewertet.9 Insgesamt nahmen 907 Patienten an der Umfrage teil, 63% davon stammten aus Europa (Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Irland, Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden und Großbritannien).
Die Auswertung der Umfrage ergab, dass 11% der europäischen Teilnehmenden nicht wussten, welcher Lungentumortyp bei ihnen diagnostiziert worden war (Gesamtpopulation: 13%). Fast ein Fünftel der Patienten fühlte sich in die Entscheidungen hinsichtlich Behandlung und Betreuung nicht miteinbezogen (19% der europäischen Teilnehmenden, 18% der Gesamtpopulation). 11% der europäischen Teilnehmer gaben zudem an, dass sie sich von ihrem Behandlungsteam „nie“ oder nur „manchmal“ mit Würde und Respekt behandelt fühlten (Gesamtpopulation: 9%).
Vanessa Beattie (Solihull/UK), Mitglied der GLCC, zeigte sich von den Resultaten der Umfrage geschockt. Sie meinte: „Wie können Patienten, die nicht wissen, an welchem Tumortyp sie leiden, ihre Therapiemöglichkeiten verstehen und Entscheidungen in Bezug auf ihre Betreuung treffen?“ Es sei entscheidend, dass Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose qualitativ hochstehende Informationen – schriftlich oder in einer anderen Form – über den Typ und das Stadium ihres Tumors sowie einen möglichen Behandlungsplan bekommen, sodass sie all dies mit ihrem Betreuungsteam und ihrer Familie besprechen und sich dann entscheiden können. Sie sagte zudem: „Die Diagnose Lungenkrebs ist aufgrund der Assoziation der Erkrankung mit Tabakkonsum nach wie vor mit einem Stigma behaftet. Jeder Patient sollte aber zu jedem Zeitpunkt mit Würde und Respekt behandelt werden und die Betreuung insgesamt als positiv erleben können, egal wo diese stattfindet.“
Quelle:
European Lung Cancer Congress (ELCC), 25.–27. März 2021, virtuell
Literatur:
1 Brahmer JR et al.: KEYNOTE-024 5-year OS update: First-line (1L) pembrolizumab (pembro) vs platinum-based chemotherapy (chemo) in patients (pts) with metastatic NSCLC and PD-L1 tumour proportion score (TPS) ≥50%. Ann Oncol 2020; 31(suppl. 4): S1181-2 2 Ramalingam SS et al.: Nivolumab + ipilimumab versus platinum-doublet chemotherapy as first-line treatment for advanced non-small cell lung cancer: Three-year update from CheckMate 227 Part 1. J Clin Oncol 2020;38(15_suppl): 9500 3 Manieri NA et al.: TIGIT: A key inhibitor of the cancer immunity cycle. Trends Immunol 2017; 38: 20-8 4 Rodriguez-Abreyu D et al.: Primary analysis of a randomized, double-blind, phase II study of the anti-TIGIT antibody tiragolumab (tira) plus atezolizumab (atezo) versus placebo plus atezo as first-line (1L) treatment in patients with PD-L1-selected NSCLC (CITYSCAPE). J Clin Oncol 2020; 38(15_suppl): 9503 5 Taylor MH et al.: Phase IB/II trial of lenvatinib plus pembrolizumab in patients with advanced renal cell carcinoma, endometrial cancer, and other selected advanced solid tumors. J Clin Oncol 2020; 38: 1154-63 6 Vogelzang NJ et al.: Phase III study of pemetrexed in combination with cisplatin versus cisplatin alone in patients with malignant pleural mesothelioma. J Clin Oncol 2003; 21: 2636-44 7 Zalcman G et al.: Bevacizumab for newly diagnosed pleural mesothelioma in the Mesothelioma Avastin Cisplatin Pemetrexed Study (MAPS): a randomised, controlled, open-label, phase 3 trial. Lancet 2016; 387: 1405-14 8 Baas P et al.: First-line nivolumab plus ipilimumab in unresectable malignant pleural mesothelioma (CheckMate 743): a multicentre, randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2021; 397: 375-86 9 Beattie V et al.: Understanding patient experience in Europe: the first Global Lung Cancer Coalition Patient Experience Survey. ELCC 2020, Abstr. #209P_PR
Das könnte Sie auch interessieren:
Adjuvantes Osimertinib reduziert ZNS-Rezidive bei EGFR-mutierter Erkrankung
Etwa 30% der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) präsentieren sich mit resezierbarer Erkrankung und werden einer kurativen Operation unterzogen. Viele Patienten ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...