
Was gibt es Neues zur GvHD?
Autorin:
Univ.-Prof. Dr. Hildegard Greinix
Klinische Abteilung für Hämatologie
LKH-Universitätsklinikum Graz
E-Mail: hildegard.greinix@medunigraz.at
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Die Prophylaxe der Graft-versus-Host-Erkrankung sollte weiterhin aus einem Calcineurin-Inhibitor und Methotrexat oder Mycophenolat Mofetil bestehen. Eine Erfolg versprechende neue Therapieoption für Patienten mit therapierefraktärer akuter GvHD stellt die allogene fäkale Mikrobiomtherapie dar. Weitere erwähnenswerte Studiendaten vom ASH-Kongress 2021 finden Sie im folgenden Beitrag.
Keypoints
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Die GvHD stellt eine häufige und schwere Komplikation nach allogener HSZT dar.
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Die Standard-GvHD-Prophylaxe besteht aus einem CNI mit MTX oder MMF.
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Die allogene fäkale Mikrobiomtherapie ist bei Patienten mit refraktärer, schwerer akuter GvHD des GI-Trakts sehr wirksam.
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Unter Abatacept erzielte ca. die Hälfte der Patienten mit schwerer, refraktärer chronischer GvHD ein Therapieansprechen.
Die Graft-versus-Host(Spender-gegen-Empfänger)-Erkrankung (GvHD) stellt nach wie vor eine schwere Komplikation nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) dar, die bei höheren Schweregraden mit ausgeprägter Morbidität und Mortalität einhergeht und bei chronischen Verlaufsformen, die bei 50–70% der Patienten auftreten können, auch die Lebensqualität betroffener Patienten signifikant beeinträchtigt. Zur GvHD-Prophylaxe wird weltweit ein Calcineurin-Inhibitor (CNI) kombiniert mit Methotrexat (MTX), Mycophenolat Mofetil (MMF) oder Sirolimus verwendet.
Höheres Patienten- und Spenderalter, Verwendung von Blutstammzellen anstelle von Knochenmark und Unterschiede in den HLA-Klasse-I- und -II-Merkmalen zwischen Patient und Spender stellen bekannte Risikofaktoren für das Auftreten einer GvHD dar. Die Erstlinientherapie der akuten wie der chronischen GvHD besteht aus systemischen Kortikosteroiden. Patienten mit fehlendem Therapieansprechen haben eine sehr ungünstige Prognose mit hoher transplantationsassoziierter Mortalität. Daher sollten dringlich wirksamere Behandlungen für steroidrefraktäre Patienten entwickelt werden.
Extrakorporale Photopherese zur Prävention der GvHD nach allogener HSZT
Die extrakorporale Photopherese (ECP) stellt eine wirksame und sichere Therapie T-zell-mediierter Erkrankungen wie der akuten und chronischen GvHD dar. Beim Meeting der ASH 2021 präsentierte Maryan M. Ali vom Universitätsklinikum Oslo die Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie mit 157 Patienten, die wegen einer malignen hämatologischen Erkrankung einer allogenen Blutstammzelltransplantation in erster kompletter Remission unterzogen wurden und eine Cyclosporin-basierte GvHD-Prophylaxe erhielten. Nach hämatologischer Regeneration erhielten Patienten des Studienarms an zwei aufeinanderfolgenden Tagen initial wöchentlich und danach alle vier Wochen insgesamt 8 ECP-Behandlungen, wobei letztlich 4 Patienten keine ECP und 39 Patienten alle 8 Therapien erhielten.
Nach einem Jahr Nachbeobachtung lag die Inzidenz an akuter und chronischer GvHD im Studienarm verglichen mit dem Kontrollarm bei 45% vs. 48% und 39% vs. 40%. Auch in Hinblick auf den Schweregrad und die Organmanifestationen der GvHD fanden sich keine signifikanten Unterschiede. Während des Beobachtungszeitraums rezidivierten 21% und 12% der Patienten im Studien- und Kontrollarm (p=0,14). Auch die Gesamtmortalität war mit 16% und 20% (p=0,52) nicht unterschiedlich.
Daraus folgerten die Autoren, dass die zusätzliche Durchführung von ECP-Therapien bei Patienten mit GvHD Prophylaxe mit Cyclosporin, MTX, MMF oder Sirolimus keinen klinischen Vorteil bringt.
Standard-GvHD-Prophylaxe mit Tacund MTX verglichen mit Tac, dosisreduziertem MTX und MMF
Die Kombination aus Tacrolimus (Tac) und MTX mit 15mg/m2 am Tag +1, gefolgt von 10mg/m2 an den Tagen +3, +6 und +11, stellt seit Jahren eine weltweit häufig verwendete GvHD-Prophylaxe dar. Sie ist jedoch mit beträchtlicher Toxizität wie schwerer Mukositis und verzögerter hämatologischer Regeneration nach HSZT assoziiert. Daher verabreichen manche Transplantationszentren das sogenannte Mini-MTX, reduziert auf 5mg/m2 an den Tagen +1, +3 und +6 in Kombination mit MMF 1000mg zweimal am Tag.
Betty K. Hamilton von der Cleveland Clinic in Ohio präsentierte die Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie, in der 96 Patienten nach myeloablativer Konditionierung und einem HLA-identen verwandten oder unverwandten Spender entweder Standard-Tac/MTX (n=49) oder Tac/Mini-MTX/MMF (n=47) als GvHD-Prophylaxe erhielten (Abb. 1). Die kumulative Inzidenz an akuter GvHD vom Grad 2–4 am Tag +100 war zwischen den Kohorten nicht signifikant unterschiedlich (28% vs. 27%, p=0,41; Abb. 2). Im Mini-MTX-Arm gab es mehr akute GvHD Grad 3–4 (13% vs. 4%, p=0,07), die Patienten hatten jedoch weniger oft schwere Mukositis (WHO-Grad 3–4: 57% vs. 82%, p=0,010), außerdem konnte eine kürzere Dauer der Mukositis (median 11 vs. 18 Tage, p<0,001) und eine raschere Regeneration der Neutrophilen (median 15 vs 17 Tage, p<0,001) und Thrombozyten (median 23 vs 27 Tage, p=0,023) festgestellt werden, mit einer kürzeren Hospitalisierungsdauer (median 27 vs. 31 Tage, p<0,001).
Abb. 1: Studiendesign einer prospektiven, randomisierten Studie zum Vergleich von Tac/MTX vs. TAC/Mini-MTX/MMF bei der Prävention von GvHD nach myeloablativer Konditionierung und einer HSZT eines HLA-identen verwandten oder unverwandten Spenders. Modifiziert nach Hamilton B et al.
Abb. 2: Kumulative Inzidenz an Grad 2–4 akuter GvHD in der Tac/MTX- vs. die Tac/Mini-MTX/MMF-Gruppe. Modifiziert nach Hamilton B et al.
Zwischen den Studienarmen gab es keine signifikanten Unterschiede in Hinblick auf das Auftreten einer chronischen GvHD, den Schweregrad der chronischen GvHD, die Inzidenz an Infekten oder die Hepatotoxizität. Der Mini-MTX-Arm war mit signifikant geringerer renaler Toxizität (2% vs. 26%, p<0,001) und weniger Atemwegsversagen in den ersten 6 Monaten nach HSZT (6% vs. 22%, p=0,026) und niedrigerer 2-Jahres-Nonrelapse-Mortalität (11% vs. 25%, p=0,06) assoziiert.
Daher schlossen die Autoren, dass Mini-MTX in Kombination mit Tac und MMF eine sehr gute Alternative zu Tac/MTX bei HSZT mit myeloablativer Konditionierung und Verwendung eines HLA-identen verwandten oder unverwandten Spenders darstellt.
JAK1-Inhibitor Itacitinib als GvHD-Prophylaxe bei haploidenter Blut-SZT
Ramzi Abboud von der Washington University in Saint Louis berichtete über eine Pilotstudie mit 20 Patienten mit akuter myeloischer Leukämie, akuter lymphatischer Leukämie oder Non-Hodgkin-Lymphomen im Remission, die den Janus Kinase-1- (JAK1)-Inhibitor Itacitinib in einer Dosierung von 200mg/Tag vom Tag –3 bis Tag +100 zur Prävention der GvHD und des Zytokinfreisetzungssyndroms (CRS) bei haploidenter HSZT erhielten. Sowohl myeloablative als auch dosisreduzierte Konditionierung war erlaubt und die GvHD-Prophylaxe bestand aus Tac, MMF und Posttransplant-Cyclophosphamid (PTCy). Alle Patienten erzielten ein Engraftment der Neutrophilen und Thrombozyten nach median 14 Tagen. Es trat keine akute GvHD Grad 3–4 auf und die Inzidenz an akuter GvHD 2 am Tag +100 betrug 15%. Es fanden sich auch keine schweren Fälle an CRS, 90% der Patienten hatten CRS Grad 1. Die Rate des Gesamtüberlebens am Tag +180 war mit 90% ausgezeichnet und das GvHD- und rezidivfreie Überleben am Tag +180 betrug 83%. Weitere Patienten werden derzeit noch in diese Studie aufgenommen.
Allogene fäkale Mikrobiomtherapie zur Behandlung der steroid-refraktären GI-akuten GvHD
Florent Malard vom Hôpital Saint-Antoine in Paris präsentierte die Ergebnisse der Phase-IIa-Studie HERACLES, in die 24 Patienten prospektiv eingeschlossen wurden. Weitere 52 Patienten im „Expanded Access“-Programm (EAP) mit steroidrefraktärer oder steroidabhängiger gastrointestinaler (GI) akuter GvHD wurden untersucht. Die Patienten erhielten MaaT013, ein Therapeutikum aus allogenem fäkalem Mikrobiom, gepoolt von 4 bis 8 gesunden Spendern, mittels Einlauf bis zu viermal in Intervallen von einer Woche.
Die Gesamtansprechraten im GI-Trakt lagen bei HERACLES und dem EAP bei 38% und 60% mit 21% und 31% kompletter Remission (CR). Die besten Ansprechraten waren 54% und 67% mit je 38% komplettem Ansprechen. Die Therapie wurde insgesamt sehr gut toleriert und die „treatment-emergent adverse events“ waren mehrheitlich Infektionen (79%), die nicht auf die Therapie zurückzuführen waren, und GI-Beschwerden (62%).
In der Studie durchgeführte Mikrobiomanalysen zeigten, dass MaaT013 zu einer raschen Zunahme der Mikrobiomdiversität führt. Die Überlebensraten nach 6 und 12 Monaten lagen bei HERACLES und dem EAP bei 29% und 48% bzw. 25% und 37%. Basierend auf diesen Ergebnissen werden weitere Anwendungen von MaaT013 geplant.
uhCG/EGF als Therapie der lebensbedrohlichen akuten GvHD
Shernan G. Holtan von der Universität Minnesota in Minneapolis berichtete von einer Phase-II-Studie mit 44 Patienten, die nach dem Minnesota Score ein hohes Risiko für die Entwicklung einer akuten GvHD hatten (n=22) oder aufgrund einer steroid-refraktären akuten GvHD eine Zweitlinientherapie benötigten (n=22). Im Rahmen dieser Studie erhielten die Hochrisikopatienten Methylprednisolon mit 48mg/m2/Tag zusammen mit 2000 Einheiten/m2 von uhCG (humanem Choriongonadotropin im Urin)/EGF (epidermalem Wachstumsfaktorrezeptor) subkutan jeden 2. Tag für eine Woche. Währenddessen erhielten die Patienten mit steroidrefraktärer akuter GvHD 2000–5000 Einheiten/m2 jeden zweiten Tag über 2 Wochen zusammen mit konventioneller Immunsuppression wie Antithymozytenglobulin (n=4), Etanercept (n=1), Ruxolitinib (n=5), Sirolimus (n=4) oder einem Steroidboost (n=8). Bei Erreichen einer kompletten oder partiellen Remission wurde uhCG/EGF als Erhaltungstherapie zweimal wöchentlich für weitere 5 Wochen verabreicht.
Zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses hatten 52% der Patienten eine GI-GvHD Grad 3–4 und 75% einen Schweregrad der akuten GvHD von insgesamt Grad 3–4. Am Tag 28 nach Therapiebeginn erreichten 68% der Patienten ein Therapieansprechen, mit 57% kompletten und 11% partiellen Remissionen. Von den Hochrisikopatienten unter Erstlinientherapie mit Steroiden erzielten am Tag 28 64% eine Komplettremission, unter Zweitlinientherapie waren es 50%. Die 2-Jahres-Überlebensrate der Responder betrug 67% verglichen mit 12% bei den Non-Respondern (p<0,01).
Begleitende Metabolomanalysen aus Plasmaproben zeigten eine mögliche Korrelation zwischen Blutmetaboliten und Therapieansprechen. Höhere Plasmaspiegel von Linolsäure waren mit höheren Komplettremissions-/partiellen Remissionsraten assoziiert, während höhere Milchsäurespiegel mit Behandlungsversagen korrelierten.
Diese Ergebnisse bei Patienten mit lebensbedrohlicher akuter GvHD sind sehr erfolgversprechend und sollten in einer größeren Patientenkohorte bestätigt werden.
Abatacept zur Therapie der steroid-refraktären chronischen GvHD
Abatacept ist ein rekombinantes Fusionsprotein, das aus der extrazellulären Domäne des humanen zytotoxischen T-Lymphozyten-assoziierten Antigens 4 (CTLA-4) verbunden mit dem modifizierten Fc-Teil des humanen Immunglobulins G1 (IgG1) besteht, um die Komplementfixierung und antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität zu verhindern.
Anita G. Koshy von der Harvard Medical School in Boston berichtete von einer Phase-II-Studie, in der 39 Patienten mit moderater (n=17) oder schwerer chronischer GvHD (n=22) median 8 Dosen Abatacept erhielten. Die große Mehrzahl der Patienten hatte bei Therapiebeginn eine Hautbeteiligung (85%), 54% und 69% hatten eine chronische GvHD der Lunge und Augen. Abatacept wurde in einer Dosierung von 10mg/kg initial in 2-, danach in 4-wöchigen Intervallen verabreicht.
Die Gesamtansprechrate lag bei 49% und bei allen Patienten lag eine partielle Remission vor. Am besten sprachen Lungen (33%), Augen (23%), Mundschleimhaut (21%) und Gelenke (21%) auf die Therapie an. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Neutropenie, Müdigkeit und Infektionen des oberen Respirationstraktes. Ein Patient starb nach der sechsten Gabe von Abatacept an einer Herpes-simplex-Hepatitis. Die Autoren berichteten auch von einer Dosisreduktion der begleitenden Steroidtherapie unter Abatacept-Verabreichung.
Literatur:
Abboud R et al.: ASH 2021, Abstr. #100 • Ali MM et al.: ASH 2021; Abstr. #102 • Greinix H et al.: The EBMT Handbook 7th edition. Cham; Springer, 2019 • Hamilton BK et al.: ASH 2021; Abstr. #99 • Holtan SG et al.: ASH 2021; Abstr. #261 • Koshy AG et al.: ASH 2021; Abstr. #264 • Malard F et al.: ASH 2021; Abstr. #262 • Spindelböck W et al.: Haematologica 2017; 102: e210-13 • Storb R et al.: N Engl J Med 1986; 314: 729-35
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