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21. Wachauer Rheumatag

In Spitz an der Donau wurde auch heuer wieder ein multidisziplinärer Streifzug durch aktuelle Themen geboten. Eine Auswahl daraus haben wir für Sie zusammengefasst: vom Schnittstellenmanagement zwischen Allgemeinmedizin und Rheumatologie bis zum rheumaorthopädischen Gelenksersatz.

Akutsprechstunden verkürzen die Wartezeit

Wie wichtig eine gute Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen und Allgemeinmedizinern ist, betonte einleitend Priv.-Doz. Dr. Rudolf Puchner: „Denn für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind Hausärzte meist die ersten Ansprechpartner. Sie müssen entscheiden, ob eine internistisch-rheumatologische Abklärung notwendig ist.“

Zu einer qualitativ hochwertigen rheumatologischen Versorgung gehören die frühzeitige Diagnose und ein rascher Therapiebeginn, bevor irreversible Schäden auftreten. Die Zeit vom ersten Symptom bis zum Behandlungsbeginn ist in der Realität leider oft durch Umwege verzögert, was nicht nur daran liegt, dass Patienten und Ärzte die Symptome missinterpretieren, so Puchner, sondern auch an einem Kapazitätenmangel im rheumatologischen Fach: „Denn durch die Einführung neuer Wirkstoffe ist die Behandlung von Rheumapatienten komplexer und aufwendiger geworden.“

Mit der Etablierung von Akutsprechstunden kann die Wartezeit bis zur Behandlung erheblich verkürzt werden.1 „Eine kurze Begutachtung von 10 bis 15 Minuten durch erfahrene Rheumatolog*innen lässt in 90% der Fälle eine korrekte Diagnose zu“, berichtete Puchner.

Parallel zur Optimierung des Schnittstellenmanagements müsse man für die Aus- und Weiterbildung von Allgemeinmedizinern und Rheumatologen sorgen, um die Versorgung der Patient*innen auch in Zukunft zu sichern, sagte Puchner. Nachwuchsförderung betreibt die Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation (ÖGR) zum Beispiel mit den „Summer Schools“ für Studierende bzw. Jungärzte. Nähere Informationen dazu findet man auf der Website der ÖGR ( www.rheumatologie.at ).

Osteoporose versus Stressfraktur

Als „gefährliche Liaison“ gilt die Kombination von Osteoporose und rheumatoider Arthritis (RA). RA-Patienten haben ein Risiko von 30%, an Osteoporose zu erkranken. Bei postmenopausalen Frauen mit RA liegt die Osteoporoseprävalenz sogar bei 50%. Dr. Maya Thun, Wien, gab daher am Wachauer Rheumatag Tipps und erinnerte an wichtige Punkte bei Diagnose und Therapie.

<< Eine kurze Begutachtung von 10 bis 15 Minuten durch erfahrene Rheumatolog*innen lässt in 90% der Fälle eine korrekte Diagnose zu.>>
R. Puchner, Wels

„Die Diagnose muss klinisch erfolgen“, betonte Thun. „Sie kann nie allein aus dem Knochendichtewert, sondern nur im weiteren klinischen Kontext gestellt werden. Die auf den T-Scores beruhende Definition der Osteoporose gilt erst nach Ausschluss anderer Erkrankungen, die auch mit einem verminderten T-Score einhergehen.“ Es gibt zum Beispiel Fälle, bei denen die Ergebnisse der DEXA-Messung für eine Osteoporose sprechen, jedoch nach Berücksichtigung weiterer Parameter (z.B. TBS-Score) kein erhöhtes Risiko für osteoporotische Frakturen besteht. Umgekehrt gibt es Patienten mit normalem T-Score und trotzdem erhöhtem Frakturrisiko.

Gerade bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sollte man bei Schmerzen und Schwellungen immer auch an Stressfrakturen denken. Durch Inflammation oder Fehlbelastungen der Gelenke, aber auch als Nebenwirkung von Methotrexat kommt es bei Rheumapatienten relativ häufig zu Brüchen der Metatarsale (48%), Fibula (25%), Tibia (11%) oder des Fersenbeins (6%).2 „Stressfrakturen lassen sich durch MRT besser abklären als im Röntgen“, so Thun.

Vor dem Start einer spezifischen Osteoporosetherapie ist ein Basislabor obligat, um andere Osteopathien auszuschließen. Die nächsten Schritte sind die Optimierung des Kalzium- und Vitamin-D-Status sowie Sturzpräventionsmaßnahmen inkl. Übungen für Gleichgewicht und Kraft. Die Wahl der weiteren Therapie richtet sich dann nach dem individuellen Frakturrisiko. Dieses wird mit Kalkulationstools wie z.B. dem FRAX® berechnet. Komorbiditäten und Kontraindikationen sind zu beachten. „Ist bereits eine osteoporotische Fraktur vorhanden, ist rasches Handeln notwendig“, betonte Thun. „Zögern Sie nicht! Das Risiko für erneute Frakturen ist sehr hoch.“

Die Abfolge der verabreichten Medikamente hat einen wesentlichen Effekt auf die Wirksamkeit der Therapie. Das Frakturrisiko wird rascher gesenkt, wenn „first line“ eine knochenanabole Therapie gegeben wird, danach eine antiresorptive. Den stärksten Effekt erzielt man laut Thun mit der Sequenz Romosozumab – Denosumab.3 Romosozumab hat einen dualen Effekt: Es wirkt gleichzeitig anabol und antiresorptiv. Bei sehr hohem Frakturrisiko empfiehlt es Thun daher als First-Line-Therapie.

Die osteoanabole Therapie mit Teriparatid wird nach 2 Jahren gestoppt, weil ihr Nutzen dann nicht mehr gegeben ist. Ein Wirkungsverlust bei Romosozumab ist nach 1 Jahr gegeben. Als Anschlusstherapie ist dann bei beiden knochenanabolen Therapiestrategien eine antiresorptive Medikation angezeigt. Bei Denosumab besteht eine langfristige Wirkung; wird jedoch die Therapie nach längerer Zeit gestoppt, kann ein möglicher Rebound(Absetz)-Effekt mit der Gabe von Bisphosphonaten verhindert werden. Bei Bisphosphonaten wird ein Ceiling-Effekt nach 3–6 Jahren beobachtet.

Radiosynoviorthese: wann, wie, wo?

Bei chronischer Synovialitis mit rezidivierenden Gelenksergüssen ist die Radiosynoviorthese (RSO) eine nuklearmedizinische Behandlungsmethode, die bei richtiger Anwendung hohe Erfolgsraten aufweist. „Das Therapieziel ist die Verbesserung der Lebensqualität durch Schmerzlinderung, Rückbildung der Gelenkentzündung, Verbesserung der Beweglichkeit und Reduktion von Schmerzmedikamenten“, erklärte Prim. Priv.-Doz. Dr. Peter Peichl, Abteilung für Innere Medizin, Evangelisches Krankenhaus, Wien.

Die intraartikuläre Verabreichung einer radioaktiven Substanz soll Entzündungen durch mehrere Wirkmechanismen lindern: Die Entzündungszellen in der Synovialis erkennen die Partikel, an denen das Radionuklid gebunden ist, als Fremdkörper und nehmen sie auf. Durch die aufgenommene Strahlung sterben sie ab. Gleichzeitig bewirkt die Strahlung eine Verschorfung der entzündeten Synovialis, wodurch die Schwellung zurückgeht. Zusätzlich werden kleinste Nervenendigungen ausgeschaltet, was ebenfalls zur Schmerzreduktion beiträgt. Verwendet werden dafür je nach Gelenkgröße verschiedene Betastrahler wie Yttrium-90, Rhenium-186 oder Erbium-169.

Die RSO kann bei verschiedensten rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden, aber auch bei Gelenksentzündungen anderer Ursache, wie zum Beispiel bei Arthropathie im Rahmen einer Hämophilie oder bei Schmerzen nach einer Kniegelenksersatzoperation. „Voraussetzung ist der Nachweis einer synovialen Aktivität mittels Kontrastmittel-MRI“, betonte Peichl. Schwangerschaften und Knochentumoren sind Kontraindikationen. Vor der Anwendung im Kniegelenk müssen auch Bakerzysten mit Ventilmechanismus ausgeschlossen werden. In der Umgebung der Injektionsstelle dürfen keine Infektionen oder Hauterkrankungen vorhanden sein. Nach einer Synovektomie sollte man 12Wochen warten, bevor eine RSO angewandt wird. Die Erfolgsraten liegen laut Peichl zwischen 60% und 80%.

<< Die Diagnose Osteoporose kann nie allein aus dem Knochendichtewert, sondern nur im weiteren klinischen Kontext gestellt werden.>>
M. Thun, Wien

Orthopädische Gelenkbehandlung

Priv.-Doz. Dr. Florian Sevelda, FA für Orthopädie, Wien, sprach über die Möglichkeiten und Grenzen der orthopädischen Gelenkserhaltung. Rheumaorthopädische operative Interventionen sind aufgrund der neuen medikamentösen Therapieoptionen seit den 1990er-Jahren stark zurückgegangen. Synovektomien, Radiosynoviorthesen, Arthrodesen und endoprothetischer Gelenksersatz sind bei RA-Patienten nur mehr selten notwendig. „Bei medikamentös nicht behandelbarer Synovialitis hat die frühzeitige Synovektomie aber noch immer einen wichtigen Stellenwert, um einer Arthrose vorzubeugen“, betonte Sevelda. Sie wird im Gegensatz zu früher immer häufiger arthroskopisch durchgeführt. Der arthroskopische Zugang ist weniger invasiv, hat aber den Nachteil, dass periartikuläre Strukturen nicht adressiert werden können.

Arthrodesen werden vor allem in kleinen Gelenken durchgeführt, wo die Verankerung einer Endoprothese schwierig ist. Im Hand- und Sprunggelenk steht der Hauptvorteil der Endoprothese (bessere Beweglichkeit als bei Arthrodese) dem Nachteil der hohen Lockerungsrate bei RA-Patienten gegenüber.

Für die Fingergelenke stehen Silikonimplantate zur Verfügung. Hier kann es zu Komplikationen wie Implantatbruch, Osteolyse und Lockerungen kommen. Die 10-Jahres-Implantatüberlebensrate beträgt jedoch 89%, wie Sevelda berichtete.

Bei der Endoprothetik der großen Gelenke, wie Hüfte und Knie, sind in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt worden, was Materialien, Verankerung, Operationstechnik und Qualitätssicherung betrifft. Neue Implantate zeichnen sich durch eine längere Haltbarkeit aus und minimalinvasive OP-Techniken ermöglichen eine schnellere Rehabilitation. Hüfttotalendoprothesen zeigen auch bei Patienten mit RA ein sehr gutes Implantatüberleben. Zum Kniegelenksersatz gab Sevelda einen Überblick über neuere Trends, wie achsgeführte Totalendoprothesen, Navigation sowie patientenspezifische „maßgeschneiderte“ Implantate und Schnittblöcke.

21. Wachauer Rheumatag, 22. April 2023, Spitz

1 Puchner R et al.: Efficacy and outcome of rapid access rheumatology consultation: an office-based pilot cohort study. J Rheumatol 2016; 43(6): 1130-5 2 Mäenpää HM et al.: Insufficiency fractures in patients with chronic inflammatory joint diseases. Clin Exp Rheumatol 2002; 20: 77-9 3 Saag KG et al.: Romosozumab or alendronate for fracture prevention in women with osteoporosis. N Engl J Med 2017; 377: 1417-27

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